Warum tut er das?. Lundy Bancroft
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Der misshandelnde Mann glaubt in der Regel, dass er seine Partnerin für alles die Schuld geben kann, was schiefläuft, nicht nur für seine Misshandlungen. Hat er nicht gerade eine Enttäuschung erlebt? Sie hat sie verursacht. Ist es ihm peinlich, weil er einen Fehler gemacht hat? Sie hätte es verhindern müssen. Befindet sich eines der Kinder in einer schwierigen Phase? Sie ist eine schlechte Mutter. Alles ist die Schuld eines anderen, und „jemand anders“ sind in der Regel Sie.
Tatsache Nr. 9:
Misshandelnde leugnen und bagatellisieren ihre Misshandlungen.
Eines meiner Spezialgebiete ist die gerichtlich verordnete Arbeit mit Tätern, die körperlich gewalttätig sind oder die ihre Kinder misshandeln. Ich begegne häufig Gerichtsangestellten, die sagen: „Nun, sie beschuldigt ihn, sie misshandelt zu haben, aber er leugnet es.“ Dann lassen sie die Angelegenheit fallen, als ob das Leugnen des Mannes den Fall abschließen würde. Sie sagen mir auch: „Er sagt, sie tut ihm dasselbe an, also nehme ich an, dass sie sich gegenseitig misshandeln.“ Das Leugnen und Beschuldigen des anderen sagt nichts darüber aus, ob die Frau die Wahrheit sagt. Wenn der Mann missbräuchlich handelt, wird er es natürlich leugnen, auch um sich selbst zu schützen und zum Teil, weil seine Wahrnehmung verzerrt ist. Wenn er bereit wäre, Verantwortung für seine Handlungen in Beziehungen zu übernehmen, wäre er nicht missbräuchlich. Eine der Hauptaufgaben eines Beraters von misshandelnden Männern ist es, Verleugnung und Verharmlosung zu durchbrechen. Die meisten Männer in meinen Gruppen geben ein gewisses missbräuchliches Verhalten zu – obwohl sie es natürlich nicht als missbräuchlich werten –, aber sie erkennen nur einen geringen Teil dessen an, was sie tatsächlich getan haben, wie ich herausfinde, wenn ich mit den missbrauchten Partnerinnen spreche.
Wenn ein Täter einen Vorfall unmittelbar danach leugnet, kann er seine Partnerin aus dem Gleichgewicht bringen. Stellen Sie sich eine Frau vor, die morgens mit einem Knoten im Bauch aufwacht, weil sie am Abend zuvor auf gemeine Weise von ihrem Partner attackiert worden war. Als sie sich in der Küche begegnen, macht er ein Gesicht und fragt: „Warum bist du heute so mürrisch?“
Sie antwortet: „Warum zum Teufel glaubst du wohl? Du hast mich vor den Kindern ‚Versagerin‘ genannt, und dann hast du mir mein Handtuch weggerissen, damit sie mich auslachen. Soll ich etwa die Treppe herunterkommen und eine fröhliche Melodie pfeifen?“
„Wovon redest du da?“, keucht er. „Du bist eine verdammte Drama-Queen. Ich war auf der anderen Seite des Raumes, als dein Handtuch runterfiel. Willst du mir das in die Schuhe schieben? Du spinnst doch.“ Und er geht kopfschüttelnd weg.
Eine Frau kann das Gefühl haben, den Verstand zu verlieren – oder in der Tat psychische Symptome entwickeln –, wenn die offensichtlichen Realitäten ihres Lebens, einschließlich des Missbrauchs, von ihrem Partner wiederholt geleugnet werden. Die Gewissheit und Autorität in seiner Stimme, die hochgezogenen Augenbrauen, die ihr zeigen sollen, wie irritiert er ist, führen dazu, dass sie sich selbst infrage stellt. „Ist das wirklich geschehen? Vielleicht ist es nicht passiert. Vielleicht reagiere ich einfach über und alles war ganz harmlos.“ Je schwerwiegender die Vorfälle sind, die er leugnet, desto mehr kann ihr der Bezug zur Realität entgleiten. Und wenn Außenstehende beginnen, ihre Instabilität zu bemerken, kann der Misshandelnde ihre Beobachtungen nutzen, um sie davon zu überzeugen, dass ihre Enthüllungen über die von ihm verübten Misshandlungen Hirngespinste sind.
Die Partnerinnen dieser Art von Männern fragen mich: „Nach einem Vorfall scheint er wirklich zu glauben, dass die Misshandlung nicht stattgefunden hat. Lügt er bewusst?“ Die Antwort lautet in den meisten Fällen: Ja. Die meisten Täter haben keine großen Gedächtnisprobleme. Vermutlich erinnert er sich genau an das, was er getan hat, besonders wenn nur wenig Zeit vergangen ist. Er leugnet seine Taten, um eine Diskussion zu unterbinden, weil er sich nicht für das verantworten will, was er getan hat, und vielleicht will er sogar, dass Sie sich frustriert und durcheinander fühlen. Allerdings hat ein kleiner Prozentsatz – vielleicht jeder Zwölfte – psychische Voraussetzungen wie eine narzisstische oder Borderline-Persönlichkeitsstörung, bei der jedes schlechte Verhalten vom Bewusstsein buchstäblich blockiert wird. Ein Hinweis dafür, dass Ihr Partner eine solche Störung haben könnte, ist, wenn Sie bemerken, dass er sich auch anderen gegenüber ähnlich verhält. Wenn sich sein Leugnen und Verwirrspiel auf Sie oder auf Situationen beschränkt, die mit Ihnen zu tun haben, ist er wahrscheinlich einfach missbräuchlich.
Verleugnung und Verharmlosung gehören zu den meisten destruktiven Verhaltensmustern, ob es sich nun um Alkoholmissbrauch, Glücksspiel oder Kindesmissbrauch handelt. Die Misshandlung der Partnerin bildet da keine Ausnahme.
Realität Nr. 10:
Missbrauchende sind besitzergreifend.
Klienten, die neu an meinem Programm teilnehmen, sehen manchmal verwirrt aus, als ob ich ein Seminar über essbare Pflanzen anbieten würde und sie sich im falschen Raum befänden. Sie können es kaum abwarten zu sprechen, erheben sich aus ihren Sitzen und es sprudelt dann nur so aus ihnen heraus: „Aber das sind unsere Ehefrauen und Freundinnen, von denen Sie da sprechen. Wollen Sie wirklich sagen, dass jemand anders uns sagen kann, was wir in unseren Beziehungen zu tun haben?“ Sie lächeln beim Sprechen oder schütteln leicht den Kopf, als hätten sie Mitleid mit meinem trüben Verstand. Sie nehmen an, dass ich irgendwie nicht begriffen habe, dass diese Frauen ihnen gehören.
Das Gefühl von Eigentum ist ein Grund dafür, dass Misshandlungen tendenziell schlimmer werden, je ernster die Beziehungen werden. Je mehr gemeinsame Erlebnisse das Paar verbindet und je weiter die Bindung sich entwickelt, desto mehr betrachtet der Misshandelnde seine Partnerin als wertvolles Objekt. Besitztum ist wesentlich für die Denkweise des Misshandelnden, die Quelle, aus der alle anderen Reaktionen sprudeln. Auf einer gewissen Ebene hat er das Gefühl, dass er Sie besitzt und deshalb das Recht hat, Sie so zu behandeln, wie er es für richtig hält.
Frage 6: Warum ist er so wahnsinnig eifersüchtig?
Bei vielen Tätern nimmt Besitztum die Form der sexuellen Eifersucht an. Diese Art Mann überwacht sorgfältig den Umgang seiner Partnerin, erwartet von ihr, dass sie jederzeit Rechenschaft über ihren Aufenthaltsort ablegt, und staucht sie regelmäßig mit eifersüchtigen Anschuldigungen zusammen, wie Fran in Kapitel 1. Ironischerweise gehören die Täter, die am meisten Vorwürfe machen, zu denen, die selbst am ehesten betrügen. Besitz- und Berechtigungsdenken geben dem Täter das Gefühl, dass er Affären haben darf, sie aber nicht.
Ein ebenso wichtiger Grund für die extreme Eifersucht, die so viele misshandelnde Männer an den Tag legen, ist der Wunsch, ihre Partnerinnen zu isolieren. In Kapitel 1 trafen wir Marshall, der selbst nicht glaubte, dass seine Frau untreu war, obwohl er ihr deswegen hysterische Vorwürfe gemacht hatte. Was trieb ihn also zu seinem Verhalten? Ein misshandelnder Mann, der seine Partnerin isoliert, tut dies vor allem aus zwei Gründen:
1. Er will, dass ihr Leben ganz auf seine Bedürfnisse ausgerichtet ist. Er hat das Gefühl, dass sie aufgrund anderer sozialer Kontakte weniger Zeit für ihn hat, und er akzeptiert nicht, dass sie dieses Recht hat.