Warum tut er das?. Lundy Bancroft
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Besonders verwirrend sind die Stimmungsschwankungen des Täters. Er kann von Tag zu Tag oder sogar von Stunde zu Stunde eine völlig andere Person sein. Manchmal ist er aggressiv und einschüchternd, sein Ton ist hart, seine Worte sind äußerst demütigend und beleidigend, sein beißender Spott und Zynismus ohne Grenzen. Wenn er sich in diesem Modus befindet, scheint nichts, was sie sagt, eine Wirkung auf ihn zu haben, außer dass es ihn noch wütender macht. Ihre Perspektive zählt in seinen Augen nichts, und alles ist ihre Schuld. Er verdreht ihre Worte, sodass sie immer in die Defensive gerät. So viele Partnerinnen meiner Klienten haben mir gegenüber beklagt: „Ich kann einfach nichts richtig machen.“
In anderen Momenten klingt er verwundet und verloren, sehnt sich nach Liebe und nach jemandem, der sich um ihn kümmert. Wenn diese Seite von ihm auftaucht, wirkt er offen und bereit zur Heilung. Seine Wachsamkeit scheint nachzulassen, sein hartes Äußeres wird weicher und er kann die Eigenschaft eines verletzten Kindes annehmen, schwierig und frustrierend, aber liebenswert. Wenn seine Partnerin ihn in diesem entmutigten Zustand erlebt, fällt es ihr schwer, sich vorzustellen, dass er sie jemals wieder misshandeln wird. Die Bestie, die ihn zu anderen Zeiten beherrscht hat, scheint nichts mit der empfindlichen Person zu tun zu haben, die sie jetzt erlebt.
Früher oder später aber legt sich der Schatten wieder über ihn, als hätte dieser ein Eigenleben. Wochen des friedlichen Miteinanders mögen vergehen, aber schließlich findet sie sich wieder unter Beschuss, und sie beginnt sich zu fragen, ob sie vielleicht diejenige ist, die nicht ganz richtig im Kopf ist.
Erschwerend kommt hinzu, dass jeder, mit dem sie spricht, eine andere Meinung über die Art seines Problems hat und darüber, was sie dagegen tun sollte. Ihr Seelsorger rät ihr vielleicht: „Liebe heilt alle Schwierigkeiten. Schenke ihm dein Herz ganz und gar und er wird den Geist Gottes finden.“ Ihr Therapeut spricht eine andere Sprache und sagt: „Er löst in Ihnen starke Reaktionen aus, weil er Sie an Ihren Vater erinnert, und Sie lösen in ihm wegen seiner Beziehung zu seiner Mutter Dinge aus. Jeder von Ihnen muss daran arbeiten, nicht die Trigger-Punkte des anderen zu drücken.“ Ein genesender alkoholkranker Freund äußert: „Er ist ein Wut-Junkie. Er kontrolliert dich, weil er vor seinen eigenen Ängsten Angst hat. Du musst ihn dazu bringen, dass er an einem Zwölf-Schritte-Programm teilnimmt.“ Ihr Bruder sagt vielleicht: „Er ist ein guter Kerl. Ich weiß, dass er manchmal die Beherrschung dir gegenüber verliert – er ist wirklich schnell reizbar –, aber mit deinem Mundwerk ist es auch nicht immer leicht. Ihr beide müsst das zum Wohle der Kinder in Ordnung bringen.“ Und dann, als Krönung ihrer Verwirrung, hört sie vielleicht von ihrer Mutter oder dem Lehrer ihres Kindes oder von ihrer besten Freundin: „Er ist gemein und verrückt, und er wird sich nie ändern. Er will dich nur verletzen. Verlasse ihn jetzt, bevor er etwas noch Schlimmeres tut.“
All diese Menschen versuchen zu helfen, und sie alle reden über denselben Täter. Aber er sieht aus jedem Blickwinkel anders aus.
Die Frau weiß aus dem Zusammenleben mit dem misshandelnden Mann, dass es keine einfachen Antworten gibt. Freunde sagen: „Er ist gemein.“ Aber sie kennt viele Situationen, in denen er gut zu ihr ist. Freunde sagen: „Er behandelt dich so, weil er damit durchkommt. Ich würde nie zulassen, dass mich jemand so behandelt.“ Aber sie weiß, je stärker sie mit der Faust auf den Tisch haut, desto zorniger und einschüchternder reagiert er. Wenn sie sich gegen ihn wehrt, lässt er sie dafür bezahlen – früher oder später. Freunde sagen: „Verlasse ihn.“ Aber sie weiß, dass es nicht so einfach sein wird. Er wird versprechen, sich zu ändern. Er wird Freunde und Familienmitglieder dazu bringen, Mitleid mit ihm zu haben und sie unter Druck zu setzen, ihm eine zweite Chance zu geben. Er wird schwer depressiv werden, sodass sie sich Sorgen machen wird, ob es ihm gut geht. Und je nachdem, was für ein Missbrauchstäter er ist, wird sie wissen, dass er gefährlich wird, wenn sie versucht, ihn zu verlassen. Vielleicht befürchtet sie sogar, dass er versuchen wird, ihr ihre Kinder wegzunehmen, wie es einige Täter tun.
Wie soll sich eine misshandelte Frau bei diesem Durcheinander ein vernünftiges Bild machen? Wie kann sie genug Einblick in die Ursachen seines Problems gewinnen, um zu wissen, welchen Weg sie wählen soll? Die Fragen, vor denen sie steht, sind dringende Fragen.
Fünf verwirrende Beobachtungen
Fachleute, die sich auf die Arbeit mit misshandelnden und kontrollierenden Männern spezialisiert haben, sehen sich bei der Arbeit mit den gleichen verwirrenden Fragen konfrontiert. Ich war Co-Direktor des ersten Beratungsprogramms für misshandelnde Männer in den Vereinigten Staaten – und vielleicht in der ganzen Welt. Als ich vor über dreißig Jahren begann, Gruppen für Missbrauchende zu leiten, waren diese für mich ebenso ein Rätsel wie für die Frauen, die mit ihnen zusammenlebten. Meine Kollegen und ich mussten ein Bild aus denselben seltsamen Hinweisen zusammenstellen, mit denen Kristen, Barbara und Laura konfrontiert waren. In den Erzählungen unserer Klienten wurden wir immer wieder mit verschiedenen Themen konfrontiert, darunter:
Seine Version des Missbrauchs ist Welten von ihrer entfernt
Ein Mann namens Dale, Mitte dreißig, gab folgenden Bericht ab, als er in meine Gruppe für misshandelnde Männer kam:
Meine Frau Maureen und ich sind seit elf Jahren zusammen. In den ersten zehn Jahren hatten wir eine gute Ehe, und es gab keine Probleme mit Missbrauch oder Gewalt oder Ähnlichem. Sie war ein großartiges Mädchen. Vor etwa einem Jahr fing sie dann an, mit dieser Schlampe Eleanor herumzuhängen, die sie kennengelernt hatte und die es wirklich auf mich abgesehen hat. Manche Leute können es einfach nicht ertragen, andere glücklich zu sehen. Dieses Mädchen war ledig und offensichtlich eifersüchtig darauf, dass Maureen in einer guten Ehe war, also machte sie sich daran, sie zu zerstören. Niemand kommt mit Eleanor zurecht, deswegen hat sie natürlich auch keine dauerhafte Beziehung. Ich hatte nur das Pech, dass sie meiner Frau begegnet ist.
Also fing dieses Miststück an, alles mögliche Schlechte über mich in Maureens Kopf einzupflanzen und sie gegen mich aufzubringen. Sie hat zu Maureen gesagt, dass sie mir egal sei, dass ich mit anderen Mädchen schlafe, alle möglichen Lügen. Und sie hat erreicht, was sie will, denn jetzt haben Maureen und ich angefangen, uns böse zu streiten. Im vergangenen Jahr sind wir überhaupt nicht miteinander ausgekommen. Ich sage Maureen, dass ich nicht will, dass sie mit diesem Mädchen herumhängt, aber sie hört nicht auf mich. Sie schleicht herum, trifft sie hinter meinem Rücken. Und, sehen Sie, ich bin nicht hier, um etwas zu verbergen. Ich sage Ihnen ganz offen, es ist wahr, dass ich dieses Jahr all diese Anschuldigungen und das Geschrei nicht mehr ertragen konnte und schließlich zwei oder drei Mal ausgeholt und sie geohrfeigt habe. Ich brauche Hilfe, das leugne ich nicht. Ich muss lernen, besser mit dem Stress umzugehen; ich will nicht, dass sie mich verhaften lässt. Und vielleicht kann ich immer noch herausfinden, wie ich Maureen überreden kann, etwas so Großartiges wie unsere Beziehung nicht einfach wegzuwerfen, denn bei der Geschwindigkeit, mit der wir voranschreiten, werden wir in sechs Monaten getrennt sein.
Ich interviewe immer so bald wie möglich die Partnerinnen meiner Klienten, wenn diese sich bei meinem Programm angemeldet haben. Einige Tage später erreichte ich Maureen telefonisch und hörte ihren