Max Beckmann. Petra Kipphoff

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Max Beckmann - Petra Kipphoff

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Morgenstern hatten.

      Was seine künstlerische Arbeit betrifft, so äußerte er sich nicht der Umbruchstimmung der aufgewühlten, von Verletzungen aller Art gezeichneten Kriegs- und Nachkriegszeit und den Meinungen und Aktionen anderer Künstler entsprechend, die sich oft auch programmatisch zu einer Gruppe vereinigt hatten, zum Beispiel der »Brücke« oder dem »Blauen Reiter«. Max Beckmann war immer ein dezidierter Einzelgänger mit einer deutlich artikulierten eigenen Meinung. Der nicht die Konfrontation scheute, selbst wenn er, wie in der Debatte um die moderne und zeitgenössische Kunst, ziemlich allein dastand. Um so besser.

      »Tja«, so lautet das kleinste Wort von Beckmann, der ein sehr deutscher Titan unter den großen Künstlern des 20. Jahrhunderts und auch ein eigenwillig insistierender Autor war. Nicht zuletzt in dem, was er ausließ. »Tja«, ein eher im Gespräch als im gedruckten Text benutztes Dreibuchstaben-Nichtwort, das man ein Pausenzeichen nennen könnte, verwandte der Maler von neun großen Triptychen, deren jedes ein meist dramatisches Sujet der Literatur, der Mythologie oder des Alltags zum Thema hat, besonders gern.

      »Tja«, dieses retardierende Moment im Gespräch und Selbstgespräch, das in seine Bilder und Graphiken nicht hineinpasst, kommt in den späten Tagebüchern 1940/1950 über dreißig Mal vor, manchmal auch zweimal hintereinander. »Tja«, dann ein paar Wörter, dazwischen Gedankenstriche, Leerräume, Fragezeichen. »Tja – Doris gestorben«12 – so der Eintrag im Tagebuch am 23. Juli 1950. Doris war die Schwester von Quappi, Beckmanns zweiter Ehefrau, die schon in Holland lebte, als Beckmanns auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus dort ankamen. An den Verleger und Sammler Reinhard Piper, dem er seit seiner Berliner Zeit verbunden war und der ihm seine Memoiren geschickt hatte, schrieb Beckmann am 25. Dezember 1950, zwei Tage vor seinem plötzlichen Tod: »Tja, man hat damals einiges gewollt und will oder muß noch immer.«13

      Es waren die Jahre des Exils in Holland (1937/1947), als Beckmann aus Furcht, die Tagebücher könnten den Nazis in die Hände fallen, Notizen und Tagebuchblätter auch der früheren Jahre in dem Moment vernichtete, als die deutsche Wehrmacht die Niederlande im Mai 1940 besetzte. Dann folgte 1947 die Emigration in die USA. Die völlig neue Umgebung, die englische (amerikanische) Sprache, die Unsicherheit über die Zukunft seiner Arbeit, das Einkommen und den Wohnort, dazu die altbekannten, gesundheitlichen Herzprobleme waren eine kontinuierliche Belastung.

      Der junge, von allem Anfang an sehr selbstsicher auf tretende Beckmann hat diese kleinen Signale der Unterbrechung oder auch Ratlosigkeit nicht gebraucht. Aber später half ihm diese Atempause. Einmal sogar in einem nicht erhofften, aber sehr ersehnten, freudigen Zusammenhang: »Tja also, man hat ihn: FIRST PRIZE OF THE CARNEGIE (1500 D.) Brief von H. S. Gaudens mit allen Chicanen. Ich hatte es nicht geglaubt, daß so etwas möglich ist in dieser Konkurrenzwelt – na ja –«14.

      Lange Meditationen oder differenzierte Argumentationen waren ohnehin nicht Beckmanns Sache, entsprachen nicht seinem Temperament und Stil. Der Vortrag mit der geduldigen Entwicklung einer These, einer differenzierten Botschaft war die Ausnahme, und auch hier ließe sich eine Summe, eine Quintessenz meist in ein, zwei knapp konturierten Sätzen zusammenfassen. Wobei Kürze nicht immer nüchterne Sachlichkeit bedeutet. »Ignorantia pyramidalis«, so sein Zwei-Worte-Urteil über einen Text von C. G. Jung, im Buch des Autors an den Rand geschrieben.

      Als er während der Berliner Zeit im Salon Cassirer zum ersten Mal Bilder von Henri Matisse sah, vermerkt er im Tagebuch am 7. Januar 1909: »Die Matisseschen Bilder mißfielen mir höchlichst. Eine unverschämte Frechheit nach der anderen.«15 Beckmann war aber offensichtlich doch erheblich irritiert von dieser »unverschämten Frechheit«, die er so beleidigt wegwerfend kommentiert, als habe ihm ein Flegel auf die Füße getreten.

      Er selber malte zu dieser Zeit in großem Format und oft in den für Historienbilder typischen dunklen Farben, Grundton Braun, bei Katastrophen im Meer Dunkelgrün. »Die Sintflut« (1908), »Auferstehung« (1908/9), »Kreuzigung Christi« (1909) waren alles Themen aus der Bibel. Über den »Untergang von Messina«, 1909, eine Katastrophe der Gegenwart in biblischen Dimensionen, informierte er sich detailliert. Die gigantischen Dramen, egal ob die biblische Kreuzigung oder die zeitgenössische Schiffskatastrophe wie der »Untergang der Titanic« (1912), waren seine Präferenz. Chaos und Kampf, Vernichtung und Untergang. Nicht sehr kunstzeitgemäß. Aber das machte ihn noch selbstsicherer.

      Und wenn er nicht malen konnte, dann schuf er Bilder in Wörtern. So schreibt er von der Front an seine Frau Minna: »Draußen das wunderbar großartige Geräusch der Stadt. Ich ging hinaus durch die Scharen verwundeter und maroder Soldaten, die vom Schlachtfeld kamen und hörte diese eigenartige schaurig großartige Musik. Wie wenn die Tore zur Ewigkeit aufgerissen werden ist es, wenn so eine große Salve herüberklingt. Alles suggeriert einem den Raum, die Ferne, die Unendlichkeit. Ich möchte, ich könnte dieses Geräusch malen.«16

      Was andererseits die Texte betrifft, so kann man sagen: Nie war Pathos knapper als bei Max Beckmann. Und dadurch besonders intensiv. Von Anfang an. Seine Sätze sind meist kurz und kategorisch. Signale. Ausrufe. Behauptungen. Spruchbänder. Seine frühen Bilder zwischen 1905 und 1913 signierte er mit den Buchstaben MBSL oder HBSL, »Max / Herr Beckmann seiner Liebsten«, Widmungen für seine erste Frau Minna Beckmann-Tube. Max und Minna, oder »Maken« und »Minken«, blieben über die Scheidung, Beckmanns zweite Ehe und seine Emigration hinaus ein Leben lang miteinander verbunden.

      Manchmal, und gerade wenn es um sehr essentielle, aber auch sehr private Dinge ging, gibt es hier nur ein Kürzel oder auch einen Hauch von Ironie. So schreibt Beckmann am 19. April 1949 an sein »liebes Minnachen«, das er mit Care-Paketen versorgte, wie er sich darüber freue, dass sie ein Bild, das er vor langer Zeit von ihr gemalt hatte, wieder aufgehängt hat. Und fügt hinzu: »Schönes Bild. Denke auch manchmal gern ans Original.«17

      Das siebte, 1945 vollendete Triptychon, eine Ansammlung von gedrängt vereinzelt agierenden Menschen, dazu Trommel, Harfe, Flöte und ein großer Wecker, ist unter dem Titel »Blindekuh« bekannt. Hatte aber vorher schon »Die große Bar«, »Cabaret« und »Ochsenfest« geheißen, Namenswechsel, die mit Beckmanns Lebensthemen zusammenhängen. Die aber auch seine Reaktion auf die letzten Wochen und Tage des Krieges widerspiegeln, die im Tagebuch mit knappsten Sätzen verfolgt werden, Ironie inclusive. Dienstag, 1. Mai 1945: »Lebensmittelpakete durch englische Flieger abgeworfen. In München, Oberammergau – Italien fertig … Mussolini erschossen – das ist wahr. Kämpfe im Anhalter Bahnhof. Nachmittag in drei Bars. Keine Peky.« Mittwoch, 2. Mai 1945: »Hitler offiziell gesneuveld.« Freitag, 11. Mai 1945: »Man sieht die Canadesen mit holländischen Meisjes, ausgewechselt gegen die Germans.« Sonntag, 20. Mai 1945: »Noch Knallsonne und Knall-Nationalismus. Deformierung Germany’s in bestem Gange.« Donnerstag, 31. Mai 1945: »Stubenarrest für die Germans das Mindeste …« Samstag, 9. Juni 1945: »Ein gewisser Gleichmut fängt an, sich herabzusenken. Schade nur, dass ich bis 1. November nicht rauchen will. Tja, man sitzt in Berlin und langsam formulieren sich die Bilder.«18

      Kurze Sätze. Die keinen Widerspruch dulden. Oft auch besonders dann, wenn es um sehr essentielle Dinge geht. Auch die Wörter stauchte Beckmann, ehe sie durch den inhaltlichen oder persönlichen Impetus übergewichtig werden konnten, gern auf Kurzformeln zusammen. Die Angina pectoris, Lebens- und Todeskrankheit, rückt in der Kurzform »Peky« verbal in die Nähe des Hundehaustiers, das mit Quappi in sein Leben kam und Butshy hieß. Die Apokalypse, mit deren Umsetzung in eine Folge von Radierungen er im Amsterdamer Exil beginnt, wird zur »Apo«. Am 13. November 1941 notiert er: »Apo-müde – déprimé – kalt«19, und am 27. Dezember: »Apo Endspurt«, einen Tag später: »Endgültig Apo – Gott sei Dank!«20

      In den späteren Jahren kam ihm auch die amerikanische Vorliebe für Kürzel sehr entgegen. Das auf ein »Tryptic« reduzierte Tryptichon hat Grünewald hinter sich gelassen. »Argo« sind die Argonauten, sein letztes Tryptichon, an dem er noch am 24. Dezember 1950 gearbeitet hat, drei Tage vor seinem Tod. Zuletzt nennt er es noch einmal mit vollem

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