Transkulturelle Kommunikation. Andreas Hepp
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Innerhalb dieser globalen Medienkommerzialisierung sind politische Mediensysteme aufgrund ihrer Staatsbezogenheit die bis heute am umfassendsten territorial bezogenen Gegenstandsbereiche (Hepp/Wessler 2009). Rücken jedoch stärker Fragen von (Medien-)Kultur ins Zentrum der Betrachtung, fällt auf, dass einzelne kulturelle Verdichtungen nach wie vor staatsbezogen sind (bspw. nationale politische Diskurskulturen), andere – und für Zeiten der Globalisierung von Medienkommunikation besonders Charakteristische – jedoch über Staatsgrenzen hinweg erkennbar werden. Beispiele für solche kulturellen Verdichtungen sind Diasporagemeinschaften, populärkulturelle Gemeinschaften wie beispielsweise Jugend- und Freizeitkulturen, politische Vergemeinschaftungen von sozialen Bewegungen oder Religionsgemeinschaften. Die Artikulation solcher Vergemeinschaftungen verweist letztlich auf deterritorial bestehende, transmediale kommunikative Räume (siehe dazu im Detail die Darstellung in Kap. 6.3).
Auf komparativer Ebene versucht eine transkulturelle Perspektive damit, eine einfache Inter-Vergleichssemantik zu überwinden, ohne den Staat bzw. die Nationalkultur als eine mögliche Referenzgröße auszuschließen. Konkret bedeutet dies, dass eine transkulturelle Vergleichssemantik nicht mit der Vorstellung von in Bezug auf Staaten abgeschlossenen Medienkulturen, Medienmärkten und Mediensystemen operiert, sondern mit der Vorstellung der Verdichtung solcher Phänomene im Rahmen übergreifender[37] kommunikativer Konnektivitäten. Eine solche Vergleichssemantik versucht, die Spezifik dieser Verdichtungen ebenso zu berücksichtigen wie die vielschichtigen Beziehungen zwischen ihnen. Letztlich zielt in einem solchen methodologischen Blickwinkel das vorliegende Buch also darauf, einen konzeptionellen Rahmen für ein vielschichtiges vergleichendes Vorgehen zu entwickeln.
2.4 | Integrative Analysen |
Ausgangspunkt dieses Kapitels war die Überlegung, dass sich im Ansatz der transkulturellen Kommunikation drei sich überlappende, gleichwohl sinnvoll zu unterscheidende Diskursfelder treffen: Erstens das der Auseinandersetzung mit transkultureller Kommunikation als Folge der Globalisierung, zweitens das der Betrachtung transkultureller Kommunikation als Teilaspekt der postkolonialen Kritik und drittens eine Konzeptionalisierung von transkultureller Kommunikation als methodologischer Reflexion. Betrachtet man diese drei Diskursfelder zusammenfassend, stellt man fest, dass diese – auch wenn ihre Referenzautoren jeweils unterschiedlich verortet sind – argumentativ in einer Beziehung zueinander stehen: So wird aus der Zunahme von kulturübergreifenden Kommunikationsbeziehungen mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation gefolgert, dass transkulturelle Kommunikationsprozesse auf alltagsweltlicher Ebene zunehmen (können), und dabei unterstellt, dass damit verschiedene Hybridisierungsprozesse ein Alltagsphänomen geworden sind. Gerade vor diesem Hintergrund erscheinen Inter-Vergleichssemantiken nicht hinreichend, und man benötigt für eine komparative Forschung komplexere Designs. Diese sollten Nationalstaaten und Nationalkulturen als Referenzgrößen nicht ausschließen, aber vermeiden, Letztere unproblematisiert zum containerhaften Ausgangspunkt von Forschung zu machen. Entsprechend kann man die unterschiedenen Diskursfelder wie folgt systematisieren:
Tabelle 1: Diskursfelder transkultureller Kommunikation
Diskursfeld | Forschungsfokus | Forschungsagenda |
Folgen der Globalisierung | transkulturelle Konnektivität | Kommunikationsbeziehungen |
Postkoloniale Kritik | Transkulturalisierung | Hybridisierungsprozesse |
methodologische Reflexion | transkultureller Vergleich | Mehrebenen-Untersuchungen |
Quelle: eigene Darstellung
Sieht man eine transkulturelle Kommunikationsforschung in einem solchen Gesamtrahmen, wird deutlich, dass es sich hier um einen Ansatz handelt, der die Analyse der [38]Komplexität von Kommunikationsbeziehungen, ihrer Grenzüberschreitungen und Grenzziehungen in einer globalisierten Welt einfordert. Doch wie ist ein solches Unterfangen praktisch zu realisieren?
Geht man von den Kernpunkten der bisherigen Argumentation aus, sollte eine Antwort auf diese Frage eine Systematisierung der in der obenstehenden Tabelle gefassten drei Forschungsfoki und -agenden leisten: Sie sollte eine Vorgehensweise umreißen, die in der Lage ist, die Komplexität von Kommunikationsbeziehungen in durch die Globalisierung gekennzeichneten, mediatisierten Welten zu fassen. Gleichzeitig sollte diese Vorgehensweise die hiermit einhergehende Hybridisierung verschiedenster Phänomene kritisch beschreiben können. Und sie sollte dies in vielschichtigen Mehrebenen-Untersuchungen realisieren. Genau dies leistet das Konzept der »kommunikativen Figuration« (Hepp 2013a: 84–90; Hepp/Hasebrink 2014), wie es im Weiteren als heuristischer Ansatzpunkt für eine transkulturelle Medien- und Kommunikationsforschung beschrieben werden soll.
Der Begriff der Figuration ist in den Sozialwissenschaften durchaus etabliert, häufig allerdings ohne weitere begriffliche Ausarbeitung. So spricht beispielsweise die Soziologin Saskia Sassen (2008: 29) in ihrer breit angelegten Untersuchung zur politischen »Etablierung« und »Demontage« des Nationalstaates davon, dass hierzu die Analyse »bestimmter historischer Konfigurationen« notwendig wäre. Hiermit betont sie, dass es nicht um die Betrachtung von Einzelphänomenen geht, sondern um deren Interaktionsgefüge. Der Wissens- und Techniksoziologe Bruno Latour spricht von der »Figuration« (Latour 2007: 93 f.) im Sinne einer konkreten sozialen Gestalt, die Bezugspunkt sozialwissenschaftlicher Erklärungen sein sollte. Es finden sich aber auch Verwendungsweisen des Konzepts der Figuration in der Kommunikations- und Medienforschung. Ein Beispiel hierfür wären die »Figurationen des Klatsches« (Leach 1997), in denen sich feministischer Gegendiskurs konkretisiere. Allgemein wird daneben von »kommunikativen Figurationen« gesprochen, die es historisch kontextualisierend zu erfassen gilt (Burkhardt/Werkstetter 2005: 430). Trotz ihrer je unterschiedlichen Akzentsetzungen treffen sich solche verschiedenen Verwendungsweisen des Ausdrucks »Figuration« darin, dass sie die Notwendigkeit der Analyse von Gesamtkonstellationen betonen: Beschreibung, Erklärung und Kritik soziokultureller Phänomene werden dann möglich, wenn man diese in dem ihnen jeweils spezifischen Gesamtzusammenhang erfasst.
Über eine solche allgemeine Verwendungsweise hinaus wurde der Begriff Figuration insbesondere vom Soziologen Norbert Elias theoretisiert (siehe Textbox 2). Dessen Begriff der Figuration durchschreitet die häufig statischen Analyseebenen von Mikro, Meso und Makro, indem man ihn »auf relativ kleine Gruppen ebenso wie auf Gesellschaften« (Elias 1993: 143) beziehen kann. Folgt man der Argumentation von Elias, sind Figurationen »Netzwerke von Individuen« (Elias 1993: 12), die in wechselseitiger Interaktion – wie beispielsweise