Transkulturelle Kommunikation. Andreas Hepp

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Transkulturelle Kommunikation - Andreas Hepp страница 12

Автор:
Серия:
Издательство:
Transkulturelle Kommunikation - Andreas  Hepp

Скачать книгу

der Staat oder die Gesellschaft: In all diesen Fällen lassen sich solche sozialen Gebilde als unterschiedlich komplexe Netzwerke von Individuen beschreiben. Mit diesem Zugang möchte Elias die Vorstellung vermeiden, »dass die ›Gesellschaft‹ aus Gebilden außerhalb des »Ichs«, des einzelnen Individuums bestehe und dass das einzelne Individuum zugleich von der Gesellschaft umgeben und von ihr durch eine unsichtbare Wand getrennt« (Elias 1993: 11 f.) sei. Für Elias gehören »Individuum« und »Gesellschaft« eng zusammen und können nicht voneinander separiert werden. Sie fassen eher zwei Aspekte eines Gesamts, das er mit dem Begriff der Figuration zu bezeichnen sucht. Figuration ist damit »ein einfaches begriffliches Werkzeug« (Elias 1993: 141), um soziokulturelle Phänomene in einem »Verflechtungsmodell« (Elias 1993: 141) interdependenter Handlungen zu fassen. Es geht – wenn man das Spiel als Beispiel für eine Figuration nimmt – darum, »das sich wandelnde Muster, das die Spieler als Ganzes miteinander bilden« (Elias 1993: 142), insgesamt zu beschreiben. Hierbei ist der Begriff der Figuration skalierbar, d. h., auf sehr unterschiedlichen Ebenen operationalisierbar. Der Begriff der Figuration zielt demnach darauf ab, soziale Entitäten als prozesshafte Verflechtungszusammenhänge einer empirischen Analyse zugänglich zu machen. Dabei geht es auch darum, zu klären, »was Menschen eigentlich in Figurationen zusammenbindet« (Elias 1993: 144).

      Textbox 2: Norbert Elias zum Konzept der Figuration

      »Der Begriff der ›Figuration‹ dient dazu, ein einfaches begriffliches Werkzeug zu schaffen, mit dessen Hilfe man den gesellschaftlichen Zwang, so zu sprechen und zu denken, als ob ›Individuum‹ und ›Gesellschaft‹ zwei verschiedene und überdies auch noch antagonistische Figuren seien, zu lockern. […] Man kann ihn auf relativ kleine Gruppen ebenso wie auf Gesellschaften, die Tausende oder Millionen interdependenter Menschen miteinander bilden, beziehen. Lehrer und Schüler in einer Klasse, Arzt und Patienten in einer therapeutischen Gruppe, Wirtshausgäste am Stammtisch, Kinder im Kindergarten, sie alle bilden relativ überschaubare Figurationen miteinander, aber Figurationen bilden auch Bewohner eines Dorfes, einer Großstadt oder einer Nation, obgleich in diesem Fall die Figuration deswegen nicht direkt wahrnehmbar ist, weil die Interdependenzketten, die die Menschen hier aneinander binden, sehr viel länger und differenzierter sind. Man versucht dann, die Eigentümlichkeiten solcher komplexer Figurationen indirekt, durch die Analyse der Interdependenzketten, dem eigenen Verständnis näherzubringen.« (Elias 1993: 141; 143)

      Auf Grundlage solcher Überlegungen sind kommunikative Figurationen musterhafte (transmediale) Interdependenzgeflechte von Kommunikation. Um einige Beispiele zu nennen: Familien bilden auch eine kommunikative Figuration, für die – gerade in ihrer translokalen Zerstreuung – Kommunikation mittels (Mobil-)Telefon ebenso[40] zentral ist wie das Social Web, (digitale) Fotoalben, Briefe, Postkarten oder das gemeinsame Fernsehen. Begreift man (nationale oder transnationale) Öffentlichkeiten als normativ spezifisch aufgeladene kommunikative Figurationen, so bestehen diese ebenfalls über unterschiedliche Medien, deren Produktion und Aneignung hinweg. Dies betrifft nicht nur klassische Medien der Massenkommunikation, sondern mit WIKILEAKS, TWITTER und Blogs ebenso Medien des Social Webs. Wir haben es aber auch mit kommunikativen Figurationen von global agierenden sozialen Bewegungen zu tun, die sich über das Internet und Mobiltelefon organisieren und gleichzeitig traditionelle Massenmedien zu nutzen wissen, um zum Beispiel ihre politischen Ziele als Teil globaler Medienevents zu inszenieren.

      Mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation sind gegenwärtige kommunikative Figurationen in hohem Maße vielfältig. Manche – wie beispielsweise die kommunikativen Figurationen, die eine nationale Medienöffentlichkeit ausmachen – sind territorial bezogen. Sie bewegen sich nicht einfach nur (weitgehend) in den Grenzen von Nationalstaaten, sondern artikulieren diese mit. Andere kommunikative Figurationen wiederum sind konstitutiv für Phänomene, die gerade nicht in einem solchen Rahmen fassbar sind: kommunikative Figurationen der bereits erwähnten Diasporas, populärkulturellen Vergemeinschaftungen, sozialen Bewegungen usw. Zu denken ist in diesem Zusammenhang aber auch an die kommunikativen Figurationen, die für einzelne Orte kennzeichnend sind wie beispielsweise den der globalisierten Stadt. Hier werden weitere kulturelle Bezüglichkeiten geschaffen, wie auch kulturelle Hybridisierungen entstehen, die empirisch durch zum Teil sehr eigene Spezifika gekennzeichnet sind.

      Solche Beispiele machen deutlich, dass sich das Konzept der kommunikativen Figuration in hohem Maße eignet, die in diesem Aufsatz für die betrachteten drei Diskursfelder umrissenen Forschungsfoki und -agenden der transkulturellen Kommunikation in eine praktische Kommunikations- und Medienforschung umzusetzen. Bezogen auf die in Tabelle 1 (S. 37) dargestellten Punkte lässt sich dies wie folgt zuspitzen:

       Transkulturelle Konnektivität und Kommunikationsbeziehungen: Das Konzept der kommunikativen Figuration bezieht sich nicht auf Fragen einzelner Medien, sondern setzt seinen Akzent auf die (medienvermittelte) kommunikative Artikulation verschiedener soziokultureller Entitäten. Hierdurch eignet es sich in hohem Maße zum Erfassen vielschichtiger kulturspezifischer wie transkultureller Konnektivitäten bzw. Kommunikationsbeziehungen sowie von deren Relevanz für die kommunikative Konstruktion von Wirklichkeit.

       Transkulturalisierung und Hybridisierungsprozesse: Das Konzept der kommunikativen Figuration eignet sich dazu, Hybridisierungsprozesse auf handhabbarer Ebene zu erfassen. Auch »dritte Räume« und »Kontaktzonen« konstituieren sich in bestimmbaren kommunikativen Figurationen, ebenso wie Prozesse der »Transkulturation« in kommunikativen Figurationen greifbar werden.

       [41]Transkulturelle Vergleiche und Mehrebenen-Untersuchungen: Das Konzept der kommunikativen Figuration ist skalierbar, d. h., auf Phänomene sehr unterschiedlicher Ebenen beziehbar, und liegt damit jenseits eines in der transkulturellen Medienund Kommunikationsforschung immer wieder kritisierten impliziten Ansatzpunkts national-territorialer Vergleiche und Bezugsgrößen. Hierdurch eignet es sich auch für komplexe vergleichende Mehrebenen-Untersuchungen.

      Durch eine Betrachtung von kommunikativen Figurationen erreicht man also eine weitere empirische Konkretisierung des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation, nämlich im Hinblick auf die Analyse der Gesamtheit von für die kommunikative Artikulation einer Entität (Familie, Diaspora, Öffentlichkeit usw.) relevanten Muster von Kommunikation, die es in einer vergleichenden Analyse zu erfassen gilt. In der Erhebungs- und Auswertungsmethode kann eine Analyse kommunikativer Figurationen sehr unterschiedlich angelegt sein, je nachdem, um welche Art von Entität es sich handelt. Um hier nochmals die genannten Beispiele zu verwenden: Für die Analyse der kommunikativen Figuration einer Öffentlichkeit bietet sich beispielsweise die Kombination von Inhaltsanalysen, Befragungen von Medienschaffenden und Rezipierenden an, für die Analyse der kommunikativen Beziehungen einer Diaspora bieten sich Kommunikationsnetzwerkanalysen an oder für die Auseinandersetzung mit den kommunikativen Figurationen von Familien (virtuelle) Ethnografie und teilnehmende Beobachtung. Der Kernpunkt einer Figurationsanalyse ist also nicht das Erhebungs- und Auswertungsinstrument, sondern die Erschließung der grundlegenden Muster dieser kommunikativen Artikulation in ihrer Gesamtheit. Zu einer transkulturellen Medien- und Kommunikationsforschung wird eine solche Figurationsanalyse dann, wenn sie die Dialektik der kulturellen Grenzüberschreitungen und Grenzziehungen auf spezifische Weise erfassbar macht.

      An dieser Stelle ist es gleichwohl wichtig, im Blick zu haben, dass kulturelle Phänomene Mehrebenen-Phänomene sind. Eindrücklich zeigt sich dies in Kreislaufvorstellungen von Kultur, wie sie sich mit den Cultural Studies in der kulturanalytischen Medien- und Kommunikationsforschung verbreitet haben. Wichtig war hierbei das Encoding/Decoding-Modell von Stuart Hall (1980; 1994b; 1999), mit dem dieser – u. a. angeregt durch den Kreislauf des Warenkapitals von Karl Marx – das Phänomen des Fernsehens im Spannungsverhältnis von Encoding und Decoding verortet. Weiter ausdifferenziert wurde eine solche Perspektive dann durch Richard Johnson (1986), der den Kreislauf der Kultur durch vier Instanzen vermittelt sah: erstens die Produktion einzelner Kulturprodukte, zweitens diese selbst als Texte betrachtet, drittens deren Interpretation und viertens schließlich die Kultur als Lebensweise. In ganz ähnlichem Sinne haben auch Paul du Gay et al. (1997: 3) Kultur im Rahmen eines Kreislaufs beschrieben. Als zentrale

Скачать книгу