Politische Ideengeschichte. Ralph Weber

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Politische Ideengeschichte - Ralph Weber

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noch die Rezeption (Legende) mit einbeziehen, und müsste die Interpretation auf das beschränken, was tatsächlich im Text, bzw. den Texten (dem Dialogo und der Widerrufserklärung) steht. Als das „letzte Wort“ Galileis zum kopernikanischen Weltbild müsste dementsprechend die Aussage der Widerrufserklärung gewertet werden: „Die Erde bewegt sich nicht“.

      Die willentliche Außerachtlassung des historischen Kontexts und das Desinteresse an den eigentlichen Intentionen des Autors kann selbst für die richtige Erfassung der Argumente eines Texts ein Hindernis darstellen.12 Dies zeigt sich besonders deutlich im Hinblick auf den Schritt der Klärung von Begriffen, die im Text selbst nicht eindeutig definiert werden. Wenn Begriffe textimmanent unterbestimmt sind, dann verleitet der analytische Ansatz aufgrund des Verzichts auf kontextualistische Analysestrategien dazu, sich bei deren Verständnis an heutigen Wortverwendungen zu orientieren. Da der Begriff „Parteien“ im Federalist Paper Nr. 10 nicht näher bestimmt ist, wird man dem analytischen Ansatz folgend nicht davor geschützt, sie im heute dominanten Sinn als verfassungskonforme Instrumente des demokratischen Systems zu verstehen, die von partikulären Interessensverbänden unterschieden sind (die deutsche Parteienrechtskommission hielt so z. B. 1957 fest, dass die „Tätigkeit der Parteien … dem Wohle des ganzen Volkes [dient]“13). Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Begriff der Partei hingegen beinahe entgegengesetzt als Verschwörung gegen das öffentliche Wohl verwendet. Es darf als wahrscheinlich gelten, dass Madison eher von diesem als dem heutigen Verständnis von Parteien ausging.

      Der Verzicht auf methodische Mittel, die historische Bedeutung eines Texts zu verstehen, spricht noch nicht gegen den analytischen Interpretationsansatz, da es seinen Anwendern ja um eher philosophische als historische Einsichten beschaffen sein kann. Insofern es um die Bergung von theoretischen Werkzeugen geht, spielt es eigentlich keine Rolle, ob der Autor eines Texts wirklich dieses und nicht eigentlich ein ganz anderes Werkzeug entwickeln wollte. Unerfreulich ist eher, dass die theoretischen Werkzeuge, die die Autoren in ihrem historischen Kontext eigentlich entwickelten, für uns heute spannender sein könnten. Auch mag die Gefahr der fälschlichen Zuschreibung von Aussagen und Argumenten gegen analytische Ansätze vorgebracht werden. (Eine kontextuelle Interpretation könnte unter Umständen zeigen, dass das Argument X gar nicht aus dem Text des Autors Y stammt, sondern erstmals im Kommentar des Interpreten Z vorgebracht wurde.) Schließlich muss eingeräumt werden, dass eine Untersuchung mit dem analytischen Ansatz ihrem Anspruch nicht völlig gerecht werden kann, da eine vollkommen textimmanente Interpretation stets unmöglich bleiben muss. Abgesehen davon, dass für eine textimmanente Interpretation die Kenntnis der Sprache, in der der Text vorliegt, nötig ist, werden Interpreten immer eine Reihe von weiteren Vorkenntnissen über den historischen Kontext mitbringen, die bewusst oder unbewusst die Interpretation des Texts beeinflussen werden.

      1 Das philosophische Methodenbuch von Damschen und Schönecker stellt eine der wenigen Einführungen dar, die den analytischen Interpretationsansatz immerhin zu rekonstruieren ermöglichen. Sie selbst erachten den analytischen Interpretationsansatz allerdings nicht als tragfähig und empfehlen bei der Interpretation von Texten in synkretistischer Manier auf text-, autor-, adressaten- und selbst leserzentrierte Interpretationsstrategien zurückzugreifen. Siehe: Damschen, Gregor und Schönecker, Dieter. 2012. Selbst Philosophieren. Ein Methodenbuch. Berlin: De Gruyter.

      2 Zentrale Figuren waren dabei unter anderem Thomas D. Weldon, Margaret Macdonald, John Plamenatz und Anthony Quinton. Für einen Einblick in die anfänglichen Debatten, die zur Ausprägung des analytischen Ansatzes führten, siehe: Miller, David. 1983. „Linguistic Philosophy and Political Theory“. In: derselbe und Larry Siedentop (Hg.). The Nature of Political Theory. Oxford: Clarendon Press, S. 35–52.

      3 Quinton, Anthony. 1982. Thoughts and Thinkers. London: Duckworth, S. ix. Vgl. Plamenatz, John. 1938. Consent, Freedom and Political Obligation. London: Oxford University Press, S. x; Plamenatz, John 1963. Man and Society. A Critical Examination of Some Important Social and Political Theories from Machiavelli to Marx. Bd. 1. London: Longmans, S. xvii.

      4 Lovejoy, Arthur O. 1993. Die große Kette der Wesen: Geschichte eines Gedankens. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

      5 Plamenatz, 1963. Man and Society, S. ix, xvi. Vgl. auch Russell, Bertrand. 1900. Critical Exposition of the Philosophy of Leibniz. Cambridge: Cambridge University Press, S. vi: „Ohne auf Daten oder Einflüsse zu achten, streben wir einfach danach, die großen Arten von möglichen Philosophien zu entdecken. Orientierung finden wir bei unserer Suche, indem wir die Systeme der großen Philosophen der Vergangenheit studieren.“

      6 Eine von vielen brauchbaren Einführungen in die Argumentationstheorie und unterschiedliche Typen von Argumenten ist: Weimar, Wolfgang. 2005. Logisches Argumentieren. Stuttgart: Reclam.

      7 Die zitierten Textausschnitte orientieren sich an der deutschen Übersetzung von Barbara Zehnpfennig: Hamilton, Alexander, Madison, James und John Jay. 1993. Die Federalist Papers. Übersetzt und eingeleitet von Barbara Zehnpfennig. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, S. 93–100, „Federalist Paper Nr. 10“. Die Verweise beziehen sich auf die sich durchnummeriert vorzustellenden Paragrafen (P) des Texts.

      8 Die Bezeichnung „Gleichschaltung“ ist wesentlich mit der Erfahrung des Totalitarismus im 20. Jahrhundert verbunden. Aus historisch kontextualistischer Sicht stellt diese Umschreibung für einen Gedanken eines im 18. Jahrhundert geschriebenen Text somit einen Anachronismus dar. Insofern mit dem analytischen Ansatz aber das Federalist Paper Nr. 10 als Beitrag zum überzeitlichen Gespräch über Politik gewertet wird, ist „Gleichschaltung“ eine legitime Zusammenfassung des Gedankens von Madison, dass man Faktionen durch die Angleichung der Meinungen, Leidenschaften und Interessen der Bürger unterbindet.

      9 Für eine Analyse der Rhetorik des Federalist Paper Nr. 10, siehe: Ashin, Mark. 1953. „The Argument of Madison’s Federalist No. 10“, College English 15/1, S. 37–45.

      10 Hamilton, Madison und Jay, 1993, S. 58.

      11 Beard, Charles. 1913. An Economic Interpretation of the Constitution of the United States. New York: Macmillan.

      12 Vgl. Skinner, Quentin, Dasgupta, Partha, Geuss, Raymond, Lane, Melissa, Laslett, Peter, O’Neill, Onara, Runciman, W.G., und Andrew Kuper. 2002. „Political Philosophy. The View from Cambridge“, The Journal of Political Philosophy 10/1, S. 1–19, hier S. 2 f.

      13 Parteienrechtskommission. 1957. Rechtliche Ordnung des Parteiwesens. Probleme eines Parteiengesetzes. Bericht der vom Bundesminister des Innern eingesetzten Parteienrechtskommission. Frankfurt a.M.: Metzner Verlag, S. 73.

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