Internationale Beziehungen. Christian Tuschhoff

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Internationale Beziehungen - Christian Tuschhoff utb basics

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      Glaubwürdigkeit von Drohung

      Ein zweites Interaktionsproblem ist, dass die Akteure nie ganz sicher sein können, wie ernst die Botschaften der anderen Seite zu nehmen sind, die in Verhandlungen ausgetauscht werden. Fehlkalkulationen können also nicht nur wie oben dargestellt eine Folge von Fehlern bei der Abschätzung der Entschlossenheit und Risikobereitschaft sein, sondern auch eine Folge mangelnder oder zweideutiger Kommunikation. Wenn eine Seite z. B. ein Ultimatum aufstellt und/oder mit Krieg droht, meint sie das dann ernst? Ist sie bereit, diese Drohung wahr zu machen, oder ist sie ein Bluff? Im Fall einer ernst gemeinten Drohung sollte die andere Seite eine Konzession machen, im Fall eines Bluffs sollte sie standhaft bleiben. Um der anderen Seite die Aufgabe der Kalkulation zu vereinfachen und dadurch Fehlkalkulation zu vermeiden, sollte ein Akteur deshalb möglichst unzweideutige Botschaften aussenden.

      Akteure müssen also die Glaubwürdigkeit von in Verhandlungen ausgesprochenen Drohungen einschätzen und nutzen dazu die genannten Maßstäbe (image Information kompakt). Aber deren Anwendung schützt nicht vollständig vor einer Fehleinschätzung. Im genannten Beispiel des Golfkrieges hat der große und für jedermann im Fernsehen sichtbare militärische Aufmarsch der alliierten Koalition Saddam Hussein nicht davon überzeugen können, das Ultimatum ernst zu nehmen und die Besetzung Kuwaits zu beenden. Offenbar hielt er die Drohung mit Krieg für einen Bluff. Derartige Fehleinschätzungen sind eine wichtige Kriegsursache (Frieden/Lake/Schultz 2012: 99–105).

       Wie beurteilen Akteure die Glaubwürdigkeit von Drohungen?

      Auf der Grundlage von Erfahrungen haben Akteure die folgenden Maßstäbe herausgebildet, um zu beurteilen, ob die Gegenseite droht oder blufft:

      imageWird eine Drohung nur verbal geäußert oder durch konkrete und kostenintensive Maßnahmen unterstrichen? Steigern diese Maßnahmen die Fähigkeit, die Drohung wahrzumachen oder nicht?

      imageIn welchem Maß verliert die drohende Seite die Möglichkeit, den weiteren Verlauf einer Krise zu steuern, wenn sie eine Drohung ausstößt?

      imageIn welchem Maß würde die drohende Seite innenpolitisch ihr Gesicht verlieren, wenn die Drohung sich nur als Bluff herausstellt? In welchem Maß bindet sich die drohende Seite also selbst? Man spricht hier von Selbstfesselung.

      Selbstfesselung

      Das dritte Interaktionsproblem entsteht dadurch, dass in Verhandlungen gemachte Drohungen nicht ohne Gesichtsverlust zurückgenommen werden können. Vielmehr fesseln sie die Hände der drohenden Seite. Auf diese Weise verringern Drohungen auch die Möglichkeit, den Konflikt auf friedliche Weise zu beenden, denn es werden Erwartungen auch im eigenen Lager geweckt. So kann es sein, dass man die Geister, die man rief, nicht mehr loswird. In diesem Fall spricht man von einem unbeabsichtigten Krieg, weil er aus einer oder sogar einer Serie von Interaktionen heraus entstand, deren Ergebnis — Krieg — nicht beabsichtigt war. Als Beispiel für einen solchen unbeabsichtigten Krieg wird zumeist der Erste Weltkrieg genannt (Clark 2013; Münkler 2013). Aber auch im hier benutzten Beispiel Golfkrieg wird deutlich, dass diese Interaktionsdynamik wirksam war. Denn schon früh hatten sich die britische Premierministerin Margret Thatcher und der amerikanische Präsident George H. Bush öffentlich darauf festgelegt, dass Iraks Besetzung von Kuwait »keinen Bestand haben werde«. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien wurden dadurch erhebliche Erwartungen geweckt, dass beide Länder Kuwait militärisch befreien würden, sollte Irak nicht friedlich abziehen. Der Spielraum für einen auszuhandelnden Kompromiss war sehr beschränkt. Zusätzlich stand auch die Glaubwürdigkeit der USA und Großbritanniens in anderen Ländern auf dem Spiel. Wäre die Drohung nur ein Bluff gewesen, wer hätte spätere Drohungen dieser beiden Länder noch ernst genommen?

      Bestand von Friedensabkommen

      Das vierte Interaktionsproblem entsteht aus der Unsicherheit, ob alle Beteiligten sich an eine ausgehandelte Verhandlungslösung halten werden oder nicht. Denn nur dann können diese Kriege wirksam verhindern. Allein schon die Befürchtung, dass eine Seite eine Vereinbarung mit dem Hintergedanken schließen könnte, sich nicht daran zu halten, verringert die Möglichkeit, dass eine Übereinkunft überhaupt zustande kommt. Die beteiligten Akteure versuchen also einschätzen, ob alle Seiten sich an eine getroffene Vereinbarung halten werden oder nicht. Wenn sie zu dem Schluss kommen, dass eine oder mehr Seiten dies nicht tun werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es statt zu einer friedlichen Lösung zu Krieg kommt (Frieden/Lake/Schultz 2012: 105; Levy 2013: 592).

      Nicht-Einhaltung

      Das fünfte und letzte Interaktionsproblem entspringt der Möglichkeit, dass die Konfliktparteien zwar ein Abkommen zur friedlichen Konfliktlösung schließen, aber zumindest eine Seite das Abkommen nicht erfüllt oder einhält. Wenn es nicht gelingt, die Einhaltung geschlossener Abkommen sicherzustellen, steigt die Wahrscheinlichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung. Die Nicht-Einhaltung internationaler Vereinbarungen selbst kann auf unterschiedlichen Ursachen beruhen (image Information kompakt).

       Unter welchen Umständen werden Vereinbarungen nicht eingehalten?

      imageDie Vereinbarung beeinträchtigt die militärischen Fähigkeiten der Beteiligten asymmetrisch. In diesem Fall ist der Anreiz zum Bruch hoch.

      imageDie Vereinbarung ist fragil, wenn sie selbst oder die absehbaren Entwicklungen eine Seite begünstigt, z. B. wenn sie einer Seite die Beschaffung militärischer Fähigkeiten ermöglicht, gegen die die Gegenseite sich nicht wirksam schützen kann. Dieser »Schatten der Zukunft« kann destabilisierend wirken, schafft Anreize, die Vereinbarung später zu brechen.

      imageDie Vereinbarung ist fragil, wenn durch sie erlaubte Technologie einen starken Anreiz zu einem militärischen Erstschlag setzt. Wenn zugelassene Waffensysteme einem Angreifer entscheidende Vorteile gegenüber dem Verteidiger verschaffen, sinkt der Anreiz für beide Seiten, einen verabredeten Frieden oder Waffenstillstand einzuhalten.

      imageDie Vereinbarung ist in der Umsetzung kompliziert und überfordert die Möglichkeiten einer Konfliktpartei.

      imageEiner Konfliktpartei ist es nicht möglich, alle nachgeordneten Akteure wirksam zu kontrollieren und die Einhaltung intern durchzusetzen.

       Zwischenfazit

       Interaktionsprobleme als Kriegsursachen

      Die folgenden Interaktionsprobleme können zu Krieg führen:

      

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