Internationale Beziehungen. Christian Tuschhoff

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Internationale Beziehungen - Christian Tuschhoff utb basics

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      In der Fachliteratur ist die Frage, welche Vorteile im Sinne von Siegchancen offensive Waffensysteme und Militärstrategien im Verhältnis zu defensiven Waffensystemen und Militärstrategien haben, ausführlich erörtert worden. Während des Kalten Krieges, in dem sich Ost und West militärisch hochgerüstet gegenüberstanden, wurde stark darauf geachtet, dass keine Seite sich durch einen Angriff einen entscheidenden Vorteil verschaffen konnte. Zu diesem Zweck entwickelten z. B. Kernwaffenstaaten die sogenannte Zweitschlagsfähigkeit. Sie bedeutete, dass eine Seite nie in der Lage war, mit einem Angriff das gesamte Kernwaffenarsenal der anderen Seite wirksam zu vernichten. Vielmehr verblieben der verteidigenden Seite nach einem Angriff immer genügend Waffensysteme, um Vergeltung zu üben. Somit verhinderte die Zweitschlagsfähigkeit, dass ein nuklearer Präemptivkrieg einer Seite entscheidende Vorteile verschaffte.

      Kriseninstabilität

      Politische Krisen geraten dann schnell außer Kontrolle, wenn eine Seite vor der Entscheidung steht, ihre Waffen entweder einzusetzen oder diese durch den Angriff der Gegenseite zu verlieren. In dieser Situation besteht ein hoher Anreiz, einen Präemptivkrieg zu führen. Man bezeichnet diese Situation auch als Kriseninstabilität. Die empirische Forschung hat allerdings ergeben, dass die Zahl der Präemptivkriege gering ist. Seit 1816 können nur drei Kriege diesem Typ zugeordnet werden: Der Erste Weltkrieg, die chinesische Intervention in den Koreakrieg sowie der schon genannte Sechstagekrieg Israels gegen seine Nachbarstaaten (Reiter 1995).

       Zwischenfazit

       Glaubwürdigkeitsprobleme, Nichteinhaltung und Offensivanreize als Kriegsursache

      Kriege können dadurch entstehen, dass Akteure befürchten, sie würden durch die friedliche Lösung eines Konfliktes in der Zukunft benachteiligt, weil sie nicht mehr in der Lage sein werden, die Gegenseite zur Einhaltung der Vereinbarung zu bringen, nachdem sie ihren Teil erfüllt haben. Weiterhin besteht ein Anreiz zur Kriegführung, wenn die wirtschaftliche und/ oder technologische Entwicklung eine Seite längerfristig begünstigt. Die angreifende Seite verspürt dann einen hohen Anreiz zum Präventivkrieg. Schließlich kann eine Konfliktpartei sich zum Krieg entschließen, wenn sie sich im Zuge eines sich zuspitzenden Konfliktes einen entscheidenden militärischen Vorteil vom Angriff verspricht. In diesem Fall spricht man von Präemptivkrieg.

      Die räumliche Verteilung von Kriegen auf die einzelnen Kontinente ist sehr unausgewogen. Dies geht aus Abbildung 3.2 hervor.

      Zwischen 1946 und 2008 fanden die meisten Kriege in Asien und Afrika statt. An dritter Stelle liegt der Mittlere Osten. Die Zahlen kriegerischer Konflikte in Nord- und Südamerika sowie in Europa sind dagegen vergleichsweise gering. In Amerika war ein signifikanter Anstieg von 1970 bis 1990 zu verzeichnen, seither hat die Zahl der Konflikte jedoch stetig abgenommen. In Europa bewirkte das Ende des Kalten Krieges einen erheblichen Anstieg der Kriegstätigkeit in den 1990er Jahren. Doch seither ist auch hier die Anzahl der Kriege erheblich zurückgegangen.

      Zusammenwirken von Faktoren

      Die Forschung hat ergeben, dass in Asien und (Sub-Sahara-)Afrika mehrere Faktoren zusammenwirken, die zu einer erhöhten Kriegsgefahr führen. Staatliche Institutionen sind schwach ausgeprägt; es gibt große wirtschaftliche und soziale Ungleichheit; die Gesellschaften sind häufig ethnisch und/oder religiös fragmentiert und die gute Verfügbarkeit großer Mengen leicht abbaubarer Rohstoffe ermöglicht die Finanzierung militärischer Gewalt (Rittberger/Kruck/Romund 2010: 377).

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       Quelle: eigene Darstellung nach Gleditsch et al. (2002); Uppsala Conflict Data Program (UCDP)/ International Peace Research Institute Oslo (PRIO) (2009); Harbom (2009).

      Abschreckung

      Wenn man die Ursachen für Kriege kennt, kann man ihnen entgegenwirken und auf diese Weise die friedliche Beilegung von Konflikten begünstigen. Wenn Krieg kein Selbstzweck ist, sondern einem übergeordneten Ziel dient und zugleich nur eine Alternative zu einer friedlichen Streitbeilegung durch Verhandlungen darstellt, werden die Konfliktparteien Kosten und Nutzen sorgfältig abwägen. Konfliktparteien können dann dadurch von einem Krieg abgeschreckt werden, dass man dessen Kosten möglichst weit hochschraubt (Frieden/Lake/Schultz 2012: 118). Denn so erscheinen Kompromisse durch Verhandlungen weit attraktiver als Krieg.

      Zweitschlagsfähigkeit

      Langer Friede

      Während des Kalten Krieges wurde ausgehend von dieser Überlegung den Kernwaffen eine pazifizierende Wirkung zugeschrieben. Die Drohung mit der sogenannten gegenseitigen gesicherten Zerstörung, die durch die Zweitschlagfähigkeit sichergestellt wurde, veranlasste die Entscheidungsträger in Ost und West (Bundy 1988) zu extrem vorsichtigem Verhalten in dem anhaltenden Konflikt (Gaddis 2005; Link 1988). John L. Gaddis argumentierte, dass der sogenannte lange Frieden maßgeblich darauf beruht habe, dass ein Krieg zwischen den beiden Supermächten Sowjetunion und USA auf beiden Seiten inakzeptable Kosten verursacht hätte (Gaddis 1986; 1987). Diese Einsicht sei dem Kristallkugeleffekt von Kernwaffen entsprungen: Wie beim Blick in der Kristallkugel könne unzweideutig festgestellt werden, welch zerstörerische Wirkung von diesen Waffen ausgehe (Carnesale et al. 1983).

       Definition

       Abschreckung

      Die grundsätzliche Überlegung, die Kosten eines Krieges so hoch und seinen Nutzen so gering wie möglich zu machen, wird als Abschreckung bezeichnet. Beruht die Steigerung der Kosten auf Kernwaffen, spricht man von nuklearer Abschreckung.

      Internationale Verflechtung

      Die Veränderung der Kosten-Nutzen-Kalkulation zugunsten einer friedlichen Streitbeilegung ist jedoch nicht nur durch die drastischen Maßnahmen militärischer Abschreckung möglich, die zudem das Risiko in sich birgt, dass — wie im Ersten Weltkrieg — die handelnden Entscheidungsträger die Kontrolle über die Ereignisse verlieren (Clark 2013; Münkler 2013). Vielmehr kann die arbeitsteilig organisierte Weltwirtschaft eine erhebliche Rolle in der Konfliktvermeidung spielen (image Kap. 5). Durch sie ist es möglich, den Nutzen der friedlichen Streitbeilegung so weit hoch zu schrauben, dass die Kosten-Nutzen-Kalkulation der Konfliktparteien eindeutig gegen Krieg spricht. Die dank wirtschaftlicher Spezialisierung und Arbeitsteilung stark miteinander verflochtenen Akteure können ihren Wohlstand und Lebensstandard nur dann bewahren, wenn sie diese wechselseitige Abhängigkeit nicht durch einen Krieg zerstören. Entsprechend ist der Anreiz für sie hoch, Kriege zu vermeiden (Levy 2013: 591–592).

      Liberaler Friede

      Aus diesem Grund werden Freihandel und freier Kapitalverkehr (image Kap. 5, Kap. 6) als friedensfördernde Maßnahmen verstanden. In dem Maße wie internationale Abkommen z. B. über Freihandelszonen

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