Die NATO. Falk Ostermann

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Raketen und strategische U-Boote mit Nuklearraketen entwickelt wurden. Heute besitzt Frankreich keine Boden-Boden-Raketen mehr, sondern nur noch ca. 300 luftgestützte und seegestützte AtomwaffenAtomwaffen auf strategischen U-Booten (Kristensen und Korda 2019). Strategische Unterseeboote haben eine zentrale Rolle in der Sicherung der ZweitschlZweitschlagsfähigkeitagsfähigkeit, da sie nur schwer auffindbar sind und die nuklearen KapazitätenKapazitäten (militärische) eines Landes somit verteilen und vor Angriffen schützen (Brodie 1959, 218, 285). Dadurch wird das zweite Prinzip der AbschreckungAbschreckung (nuklear) implementiert: Glaubwürdigkeit der ZweitschlZweitschlagsfähigkeitagsfähigkeit (ibid., 273ff.). Die Entwicklung und der Erhalt eigener AtomwaffenAtomwaffen sind bis heute für beide Länder ein Zeichen ihres MachtMachtstatus in der internationalen Politik, von grandeurgrandeur (Frankreich) und empireempire (GB) (Grosser 1986; Schrafstetter 2010, 27, 37f.; Tertrais 2007, 76). Neben der AbschreckungAbschreckung (nuklear)skomponente gegenüber Gegnern sind sie aber vor allem auch ein Unterpfand der eigenen, nationalen Unabhängigkeit. Durch die SuezSuez(krise)krise mussten sowohl Frankreich als auch Großbritannien lernen, dass ihr eigener MachtMachtstatus nicht mehr dem früherer Kolonialzeiten entsprach. Die NuklearwaffenAtomwaffen sollten deshalb die ultimative souveräne Entscheidungsfähigkeit der Nation in sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen herstellen (Schrafstetter 2010, 33f.; Vaïsse 2009b, 79ff.; Yost 1984, 49f., 54f.). Neben anderen Problemen war die nukleare Unabhängigkeit ein Grund für das französische Verlassen der integrierten Militärstruktur der NATO in den Jahren 1966/67 – eine Entscheidung für eine Sonderstellung, die Frankreich bis 2009 beibehielt (Irondelle 2009).

      3.4.2 Konflikte: Kubakrise und die Debatte um flexible response

      Das Gleichgewicht des SchreckensGleichgewicht des Schreckens sollte nichtKuba(krise) dazu führenflexible response, dass es keine Konflikte mehr zwischen den Nuklearmächten gab. Im Herbst 1962 stand die Welt am Rand eines nuklearen Abgrunds, als die Sowjetunion damit begann, nukleare taktische Sprengkörper und MarschflugkörperMarschflugkörper (cruise missilescruise missilesMarschflugkörper)1 sowie IRBMIRBM (Nuklearwaffe)s im sozialistischen Bruderstaat in der Karibik zu stationieren (Münger 2003, Kap. 6). Die IRBMIRBM (Nuklearwaffe)s hätten die meisten US-Städte südlich einer Kreislinie von San Francisco nach Seattle treffen können, die näheren davon nur mit einer sehr geringen Vorwarnzeit (George 2013, 182). Sie stellten für die USA eine unmittelbare Gefahr und fundamentale Verletzung der Monroe-DoktrinMonroe-Doktrin dar, post mortem benannt nach dem 5. Präsidenten der USA, James MonroeMonroe, James (1758-1831, Präsident 1817-1825), nach der kein anderer (europäischer) Staat in der nord- und südamerikanischen Hemisphäre in der Lage sein sollte, die Führungsposition der USA infrage zu stellen oder Besitzansprüche zu erheben. Die Handlungen der USA und der Sowjetunion im Verlauf der KubaKuba(krise)krise (Cuban Missile Crisis) waren extrem konfrontativ und bewegten sich an der Schwelle zu offenem Krieg und nuklearer Eskalation, bevor sie Ende Oktober 1962 nach ein paar heißen Wochen zu Ende gingen (George 2013; Görtemaker 1979, 42ff.). Es ging der Sowjetunion in der Krise zweifelsohne darum, PrestigePrestige, Status gegenüber den USA zu erlangen, ihre atomare Schlagfähigkeit gegenüber dem Gegner, die technologisch noch nicht so weit entwickelt war, massiv zu erhöhen und den Erzfeind der USA, Fidel CastroCastro, Fidel, in seinem kommunistischKommunismusen Kampf zu unterstützen. Die Ereignisse in KubaKuba(krise) standen zudem nach heutiger Auffassung in Zusammenhang mit der Berlin-KriseBerlin-Krise (Münger 2003, 202ff.). Der amerikanische und westliche Widerstand gegen ChruschtschowChruschtschow, Nikitas Drohung der Isolation der Hauptstadt und einer einseitigen Veränderung des Status quo wurde von der sowjetischen Führung als vehement und kompromisslos wahrgenommen, sodass eine graduelle Eskalation auf KubaKuba(krise) in Kombination der o. g. Gründe als gute Lösung erschien (Combs 2012, 267ff.; Wettig 2005). Knorr (1990, 223) erörtert, dass KubaKuba(krise) ein „‚Drucktest‘“ der Sowjetunion für den neuen, jungen Präsidenten KennedyKennedy, John F. sein sollte.

      Auch innerhalb der Allianz gab es zunehmende Uneinigkeit über nukleare Fragen (Görtemaker 1979, 56ff.). Seit 1960 holte die Sowjetunion technologisch in der Raketentechnik2 auf und war dadurch in der Lage, mögliche nukleare Angriffe auf ihr Territorium zu kontern (Kahn 1960, 24). Westdeutschland sah wegen seiner Rolle als Frontlinienstaat eine Abschwächung der nuklearen Drohung mit Argwohn, weil dies eine Verlagerung konventioneller Gefechte auf bundesdeutsches Territorium zur Folge gehabt hätte, musste aber die Konsequenzen eines möglichen nuklearen Kriegs auf eigenem Territorium bedenken (Hellmann 2007, 608; Küntzel 1992, 54ff.). Gleichzeitig begannen nach chinesischChinaen Nukleartests (1964) 1965 die UN-Verhandlungen zum AtomwaffenAtomwaffensperrvertrag (NPTAtomwaffensperrvertrag (NPT), s. dazu nächster Abschnitt), sodass insgesamt Unsicherheit entstand, wie ernst es die USA mit der nuklearen Garantie meinten (Bockenförde 2013, 40f.; Snyder 1961, 7). Charles de Gaullede Gaulle, Charless Bonmot, dass „Kein US-Präsident bereit sein wird, Chicago für Lyon einzutauschen“ (Pedlow 1997, XXI), drückte die Stimmung vieler aus (Yost 1984, 29ff.; Kahn 1960, 15ff.). Durch die Entwicklung der Wasserstoffbombe hatte sich die Zerstörungskraft von AtomwaffenAtomwaffen vervielfacht, sodass eine thermonukleare Antwort auf kleinere Auseinandersetzungen nicht mehr adäquat erschien. Gerade mit Blick auf die Situation in Berlin nach dem Bau der Mauer 1961 wurde über die richtige Staffelung einer Eskalation mit der Sowjetunion nachgedacht, z. B. durch den Einsatz kleinerer, taktischer NuklearwaffenAtomwaffen (Brodie 1959, 261ff., 337ff.). Der amerikanische Verteidigungsminister Robert McNamaraMcNamara, Robert, ein wichtiger Akteur in der KubaKuba(krise)krise, stellte aber heraus, dass KubaKuba(krise) gezeigt habe, dass NuklearwaffenAtomwaffen zwar wichtig seien, sie letztlich aber im Hintergrund von Auseinandersetzungen verblieben, in denen konventionelle Kräfte zunächst über Erfolg oder Misserfolg entscheiden würden (Pedlow 1997, XXII; s. auch Görtemaker 1979, 71f.; Snyder 1961, 63ff.). Gleichzeitig baute die Sowjetunion jedoch konsequent ein auf Europa zielendes, nukleares Drohungs- und Kriegspotentials auf (u. a. mit den SS-20-SS-20-RaketeRaketen, die zum NATO-DoppelbeschlussNATO-Doppelbeschluss führten, s. Exkurs). Somit trat die Nuklearfrage für die alliierte Verteidigungsstrategie für Europa nicht vollends in den Hintergrund, zumal die NATO seit Mitte der 1960er Jahre kaum vergleichbare nukleare KapazitätenKapazitäten (militärische) in Europa positionierte (Heuser 1995; Nuti et al. 2015; Yost 1984, 33ff., 87ff.).

      Auf Basis dieser verschiedenen Überlegungen und Szenarien entstand ab 1962 die neue Doktrin der flexible responseflexible response. Nach dieser Nukleardoktrin wurde ein Atomangriff durch die NATO zwar nicht mehr ausgeschlossen, aber die IdeeIdeen (Konzept) war nun, dass „ein Angriff nun zunächst auf demselben Niveau beantwortet werden sollte, auf dem der Gegner angegriffen hatte“ (Bockenförde 2013, 40). Diese Strategie trug der neuen Situation Rechnung, dass im Falle eines alliierten Erstschlags ab den 1960er Jahren auch mit einer massiven nuklearen Antwort der Sowjetunion gerechnet werden musste, die ihre Raketenentwicklung vorangetrieben hatte.3 Außer Frankreich, das von der Strategie der massiven Vergeltungmassive Vergeltung nicht abweichen wollte, weil die durch flexible responseflexible response erhöhte Einsatzschwelle von NuklearwaffenAtomwaffen unvereinbar mit der eigenen AbschreckungAbschreckung (nuklear)sdoktrin gegenüber der UdSSR war (Kugler 1991, 57f.; Rühl 1997; Yost 1984, 54ff., 154f.), schlossen sich nach und nach alle Alliierten dieser Sichtweise an. Sie wurde jedoch erst nach dem französischen Austritt aus der integrierten Militärstruktur im Jahr 1967 offizielle Doktrin (Kugler 1991, 59; Combs 2012, 270f.). Letztlich verletzt flexible responseflexible response nicht die AbschreckungAbschreckung (nuklear)sprinzipien, weil in Anbetracht des engen und hochbevölkerten potentiellen europäischen Schlachtfelds auch ein begrenzter Einsatz von NuklearwaffenAtomwaffen schnell dieselben entgrenzten Folgen hätte haben können wie ein totaler Atomkrieg. Somit verschoben sich die Gefahren, genauso wie die Handlungsoptionen, wieder deutlicher in den konventionellen Bereich (Brodie 1959, 341). Auch das neue Strategische Konzept der Allianz aus dem Januar 1968 (MCMilitärkomitee 14/3, NATO 1968) trug dieser größeren Flexibilität in der militärischen Strategie der NATO Rechnung und formulierte wieder stärker konventionelle Antworten auf die Sicherheitsherausforderung durch die UdSSR. Durch die Einrichtung der Nuklearen Planungsgruppe im Dezember 1966 innerhalb der NATO-Militärstruktur wurde zudem ein neues Forum geschaffen, in dem Nuklearfragen auch unter Teilhabe der zwölf nichtnuklearen Mitglieder (und ohne Frankreich) besprochen werden konnten (Kugler 1991, 61f.,

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