Geologie der Alpen. O. Adrian Pfiffner
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Geologie der Alpen - O. Adrian Pfiffner страница 16
Aufgrund einer Korrelation der vielen Vorkommen von Quarzphylliten konnten Neubauer & Sassi (1993) folgende generellen Aussagen machen:
Eine mächtige klastische Sequenz wurde im Ordovizium in einem „Backarc“ -Becken zum pan-afrikanischen Plattenrand abgelagert. Einsetzendes Rifting im Silur bewirkte lithologische Unterschiede in den jüngeren „Quarzphylliten“ (konglomeratisch-sandig im Süden, tonig im Norden). Rifting ist angedeutet durch die Art des Vulkanismus und die Aktivität von synsedimentären Brüchen. Das Becken füllte sich im späten Silur bis frühen Devon mit Klastika von Schuttfächern und Karbonat-Tempestiten. Die Reife der Klastika deutet auf einen langen Transportweg und ein kontinentales Liefergebiet hin. Ab dem mittleren Devon bis ins frühe Karbon etablierte sich eine Karbonatplattform, möglicherweise auf einer Schwelle innerhalb des Beckens. Ab dem frühen Karbon wurde das Becken durch die variszische Gebirgsbildung geschlossen.
2.7 Das variszische Gebirge im ausklingenden Paläozoikum
Wie in den vorangehenden Abschnitten erwähnt, sind in den Alpen und deren Vorland an mehreren Stellen spät- und post-variszische Intrusiva in die älteren Gesteine des kristallinen Grundgebirges eingedrungen bzw. jungpaläozoische Vulkanoklastika lagerten sich darüber ab. Besonders eindrücklich kann dies in den Externmassiven der Alpen beobachtet werden (vgl. Abb. 2-3 bis 2-8). An anderen Stellen wurden im gleichen Zeitraum unterschiedliche Sedimente abgelagert. Im Bereich der Alpen sind solche Sedimentabfolgen namentlich im Ostalpin und Südalpin aufgeschlossen (vgl. Abb. 2-14 bis 2-16). Beim Vergleich und bei der Gegenüberstellung dieser Gesteinsverbände wird man aber unweigerlich mit dem Problem konfrontiert, dass diese Vorkommen mehrheitlich von jüngeren Gesteinen bedeckt sind und damit nur isoliert in einzelnen Schollen aufgeschlossen sind. Zudem sind diese Schollen im Verlaufe des Mesozoikums beim Zerbrechen von Pangäa und anlässlich der späteren, alpinen Gebirgsbildung in unterschiedlichen Richtungen über größere Distanzen gegeneinander verschoben und überschoben worden. Wie können nun diese Schollen mit ihren verschiedenartigen Gesteinsverbänden zu einem Bild eines variszischen Gebirges zusammengefügt werden?
Um eine Gesamtschau dieser lokalen Verhältnisse zu erhalten, wurde eine sogenannte paläogeografische Karte für das ausklingende Paläozoikum konstruiert. Hierzu mussten die verschiedenen Schollen und Blöcke von Grundgebirge zuerst in ihre ursprüngliche gegenseitige Lage vor der alpinen Gebirgsbildung zurückgeschoben werden. Da wir die Richtungen und Transportweiten der alpinen Bewegungen aber nur lückenhaft kennen, ist die Rekonstruktion mit etlichen Unsicherheiten behaftet. Nach den alpinen Deckenbewegungen mussten anschließend auch die Plattenbewegungen beim Zerbrechen von Pangäa rückgängig gemacht werden. Damit wurde der Spielraum der Interpretation noch größer. Die resultierende paläogeografische Karte in Abb. 2-17 ist deshalb zwar im Detail mit einigen Unsicherheiten behaftet, aber was die größeren Zusammenhänge betrifft, sind einigermaßen gesicherte Aussagen möglich. Die Darstellung basiert teilweise auf den Kompilationen von Pfiffner (1993a), de Graciansky (1993) und Ratschbacher & Frisch (1993), wurde aber ergänzt.
|Seite 67|
2-16 Die paläozoische Gesteinsabfolge der Innsbruck-Quarzphyllite (Ostalpen), zusammengefasst nach Neubauer & Sassi (1993).
|Seite 68|
Auf der paläogeografischen Karte sind die Schollen von prä-triadischem Grundgebirge in ihren Umrissen, wie sie auf einer heutigen geologischen Karte erscheinen, dargestellt. Angegeben ist auch ihre „künftige“ Zugehörigkeit zu den mesozoischen Faziesräumen bzw. den alpinen Deckenkomplexen (Helvetikum, Penninikum, Ostalpin und Südalpin). Man erkennt unzweifelhaft, dass die Vorkommen von paläozoischen Sedimenten (Ordovizium bis Devon) eindeutig auf den Südosten des Ostalpins und das Südalpin beschränkt sind, während die zentralen Teile der künftigen Alpen (nordwestliches Ostalpin, Penninikum und Helvetikum) vorwiegend aus kristallinen Gesteinen bestehen. In diesen kristallinen Teilen ist vielerorts eine devonische bis frühkarbone Metamorphose zu beobachten (vgl. Kompilation von von Raumer & Neubauer 1993b). Offenbar stellen diese Teile den Kern des variszischen Gebirges dar, in dem der exhumierte kristalline Kern des Orogens entblößt war. Einschränkend ist zu sagen, dass der variszische Metamorphosegrad im zentralen Teil, insbesondere im Bereich des künftigen Penninikums, alpinmetamorph derart stark überprägt wurde, dass Aussagen über den variszischen Zustand sehr schwierig sind. Immerhin kann geschlossen werden, dass zwischen diesem kristallinen Kern des Orogens und den auf gleicher Höhe gelegenen paläozoischen Sedimenten im Südosten davon eine größere Überschiebung anzunehmen ist, wie sie in Abb. 2-17 skizziert ist. Analoge Überschiebungen sind zwischen dem Kristallin von Saualpe–Koralpe und dem Paläozoikum der Gurktal-Scholle bzw. Ötztal und Südalpin anzunehmen. Infolge der Unsicherheit, die der Rekonstruktion der paläogeografischen Karte inneliegt, sollten aber keine Schlüsse den genaueren Verlauf dieser Überschiebungen betreffend gezogen werden. Im nordalpinen Vorland (Schwarzwald und Vogesen) sind ebenfalls kleinere Vorkommen spät-devonischer bis früh-karboner Sedimente aufgeschlossen (beispielsweise in der Badenweiler-Lenzkirch-Zone südlich der Todtnau-Überschiebung in Abb. 2-2). Im Falle der Todtnau-Überschiebung ist aufgrund strukturgeologischer Befunde von SE-vergenter Deckenbewegung auszugehen (Eisbacher et al. 1989). Bei den paläozoischen Einheiten im Ost- und Südalpin ist anzunehmen, dass der ordovizisch-devonische Teil des Paläozoikums von Graz und der Gurktal-Decke den passiven Kontinentalrand des Gondwana-Kontinents darstellt, die Grauwacken-Zone und die Quarzphyllite demgegenüber einen mehr externen durch Dehnungstektonik charakterisierten Ablagerungsraum. Vulkanische Aktivität begleitete die Füllung des Beckens zu verschiedenen Zeiten. Ab dem mittleren Devon etablierte sich auch in der Zone der Quarzphyllite eine Karbonatplattform.
|Seite 69|
Der Beckencharakter änderte sich im frühen Karbon. Mit der variszischen Gebirgsbildung wurde aus dem passiven Kontinentalrand eine synorogene Vorlandsenke mit lokaler Emersion und Verkarstung (Kalkbrekzien in der Grauwackenzone) und flyschartigen Ablagerungen (Hochwipfel-Formation in den Karnischen Alpen). Die Quarzphyllite wurden vielerorts im frühen Karbon (im Zeitintervall zwischen 350 und 320 Millionen Jahren) metamorph überprägt. Das Becken war offensichtlich geschlossen, die Beckenfüllung in den Deckenstapel des variszischen Gebirges einverleibt.
In der paläogeografischen Karte sind auch die granitoiden Körper innerhalb der Kristallinschollen ausgeschieden, gemäß ihrem karbonen oder permischen Alter getrennt. Die granitoiden Intrusiva im kristallinen Kern des variszischen Orogens sind im Nordwesten tendenziell älter. Es ist ein Granitgürtel mit spätkarbonen Intrusionsaltern im Vorland (Schwarzwald) und den Externmassiven auszumachen. Die meisten dieser Intrusionen sind postvariszisch, da sie eindeutig variszische Strukturen schneiden. Ausnahmen gibt es etwa im Schwarzwald (vgl. Abb. 2-2). Eine jüngere, permische Gruppe von Intrusiva konzentriert sich hauptsächlich in einem südlichen Gürtel (südwestliches und südöstliches Ostalpin sowie Südalpin). Im zentralen Bereich, aber auch im Aar- und Gotthard-Massiv, treten gemischte Intrusionen von spätkarbonem und permischem Alter auf. Wie am Beispiel des östlichen Aar-Massivs ausgeführt (vgl. Abb. 2-6), sind die post-variszischen Intrusionen häufig an die Vorkommen von karbonen Grabenstrukturen gebunden. Das Zusammenspiel von Intrusion und Einsenkung von Gräben mit klastischer und vulkanoklastischer Füllung deutet auf eine tief greifende Reorganisation der tektonischen Vorgänge mit einem Wechsel von Kollision zu Dehnungstektonik. Die Dehnung war mit großräumigen Seitenverschiebungen gekoppelt, hervorgerufen durch die Ostdrift von Eurasien relativ zu Gondwana. In Segmenten mit Transtension war dadurch möglicherweise der Magmaaufstieg erleichtert.
Die Bildung von Grabenstrukturen setzte sich im Perm fort und wird im nächsten Abschnitt näher behandelt. Die bekannten permischen Tröge