Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer
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Zu den Induktionsleistungen des PR-Systems (in Richtung auf das journalistische System) gehört die Themensetzung bzw. Themengenerierung (Issue Building, Agenda Building), die Bestimmung über den Zeitpunkt der Information (Timing), aber auch die Bewertung von Sachverhalten, Personen, Ereignissen etc. Zu den Adaptionen des PR-Systems gehören Anpassungen an zeitliche, sachliche [144]und soziale (z. B. redaktionelle) Regeln und Routinen des Journalismus (wie Anpassungen an die Zeiten des Redaktionsschlusses). Vonseiten des Journalismus sind Induktionsleistungen v. a. durch die Selektion der Informationsangebote, in der Entscheidung über Platzierung und Gewichtung der Information, in der journalistischen Bewertung der Information, in der Veränderung sowie in der journalistischen Informationsgenerierung vorhanden. Journalistische Adaptionsprozesse finden statt durch die Orientierung an organisatorischen, sachlich-thematischen und zeitlichen Vorgaben des PR-Systems. Das Intereffikationsmodell will also v. a. einen Beitrag zum Verständnis des komplexen Prozesses der Themengenerierung und Themengestaltung auf Kommunikatorseite leisten (vgl. Bentele et al., ebd.). Beide Systeme, das der Public Relations und das des Journalismus, können sich weder dem Einfluss noch der Abhängigkeit vom jeweils anderen entziehen. Auch muss es nicht zu einem »Nullsummenspiel« zwischen beiden kommen; vielmehr sind auch »Win-Win-Situationen« (vgl. Szyszka 1997, S. 222) denkbar. So ist Journalismus (nicht zuletzt unter ökonomischen Zwängen) darauf angewiesen, Öffentlichkeitsarbeit als leicht zugängliche Quelle zu nutzen. Die Public Relations wieder müssen daran interessiert sein, dass ihre Informationen von funktionierenden journalistischen Medien geprüft und einer Weitervermittlung für wert befunden werden, denn: Journalistische Information gilt in den Augen des Publikums als glaubwürdiger als erkennbar partikulare Organisationsmeinung einer PR-Abteilung (vgl. Szyszka 1997, S. 223). Das Beziehungsgeflecht zwischen Journalismus und Public Relations wird auch von Merten (vgl. Merten 1999, S. 256–292) dargestellt.
Allgemeine Theorieansätze sowie spezielle Ansätze mittlerer Reichweite zu Public Relations, dies sei hier ergänzt, sind dem »Handbuch der Public Relations« zu entnehmen (Bentele et al. 2005), darunter u. a. systemtheoretisch-gesellschaftsorientierte, konstruktivistische, kritische Ansätze oder etwa über verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit. Das Handbuch enthält weiters disziplinäre Perspektiven (u. a. kommunikationswissenschaftliche, organisationssoziologische, sozialpsychgologische, wirtschaftswissenschaftliche und politikwissenschaftliche), Definitionen und Praktikertheorien, Schlüsselbegriffe und Bezugsgrößen, Ausführungen über Öffentlichkeitsarbeit und berufliches Handeln, Beiträge über Berufsrollen in und Berufsfelder der PR, über Kommunikationshandeln in den PR sowie nicht zuletzt auch über normative Grundlagen rechtlicher und ethischer Natur. Ein Band über »Journalismus und Public Relations: ein Theorieentwurf der Intersystembeziehungen in sozialen Konflikten« stammt von Olaf Hoffjann (2007). Mit »strategischem Framing« als PR-Strategie, also mit der Platzierung von »Situationsdeutungen bzw. Frames in den Medien, um darüber Sichtweisen der Rezipienten zu beeinflussen«, befasste sich Tabea Böcking (2009, hier S. 92). Am Beispiel der Diskussion über embryonale Stammzellforschung in Deutschland untersuchte sie den Einfluss gesellschaftlicher Akteure (wie DFG, BMBF, Wissenschaftler, Ärzteorganisationen und gemeinwohlorientierte Gruppen wie die beiden christlichen Kirchen) auf die mediale Debatte mittels PR-Materialien in den beiden überregional verbreiteten, weltanschaulich unterschiedlich positionierten Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung. Einschlägige empirische Studien zum Beruf Public Relations liegen vor von Romy Fröhlich et al. (2005) sowie Peter Szyszka et al. (2009). »Das Bild der Public Relations in der Qualitätspresse« (so der Titel) haben Romy Fröhlich und Katharina Kerl (2012) ermittelt.
4.1.3 Weitere Themen der Kommunikator-/Journalismusforschung
Wie in anderen Feldern der Kommunikationswissenschaft auch, gibt es ebenso in der Kommunikator- bzw. Journalismusforschung Themenkontinuität und Themenwandel. Der Wandel in den Forschungsperspektiven ergibt sich nicht zuletzt dadurch, dass auch das Mediensystem permanent einem [145]Wandel unterliegt. Besonders deutlich wird dies z. B. an jenen Veränderungen, denen weite Bereiche des Journalismus durch Multimedia und Onlinekommunikation unterliegen. Es ist dies eines jener Themen, die nachfolgend neben anderen abgehandelt werden sollen wie etwa die Thematik Qualität im Journalismus, Ethik im Journalismus, redaktionelles Marketing sowie Boulevardjournalismus, also das, was man im Fach auch »Populären Journalismus« nennt.
4.1.3.1 Qualität im Journalismus
Das Thema Qualität in Journalismus und Massenmedien ist, wie ein Blick in die kommunikationswissenschaftlichen Forschungstraditionen zeigt, nicht neu, verliert sich dann jedoch immer wieder (vgl. Arnold 2009, S. 24–79). Angesichts der Tatsache, dass beträchtliche Teile des Journalismus und der Massenmedien in immer noch zunehmendem Maße ökonomischen Zwängen unterliegen, stellt sich sowohl für kritisch reflektierende Medienpraktiker wie auch für die Kommunikationswissenschaft mehr denn je die Frage, was journalistische Qualität ist und wie Qualität im Journalismus gesichert werden kann. Dabei ist wichtig zu erkennen, »dass das Bemühen um Qualität und Qualitätssicherung im Journalismus nicht nur als eine Frage der individuellen Verantwortung (des Journalisten – Ergänzung H. P.) zu betrachten ist, sondern die vielfältigen Einflüsse gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, des Mediensystems, der Medienunternehmen etc. jeweils zu berücksichtigen sind« (Fabris 1997, S. 71). So wird denn auch die Diskussion über journalistische Qualität »von ganz unterschiedlichen Akteurskategorien mit unterschiedlichen Interessen am Journalismus und aus unterschiedlichen Perspektiven bestritten« (Bonfadelli/Wyss 1998, S. 39).
Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei journalistischen Produkten – abgesehen von deren technisch-materieller Qualität – vorwiegend um geistig-kulturelle Güter handelt. Deren Qualität ist bekanntlich schwerer zu bestimmen als etwa jene rein materieller Güter. Auch hängt das Qualitätsurteil vielfach vom subjektiven Gesichtspunkt des Betrachters bzw. der Anspruchsträger ab: So wird ein leidenschaftlicher und ausschließlicher Leser der Bild-Zeitung etwas anderes unter journalistischer Qualität verstehen als etwa ein langjähriger Abonnent der Süddeutschen Zeitung oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. (Deren Wirtschaftsteile sind z. B. für Geschäftsleute und Manager äußerst wichtig und qualitativ gehaltvoll, können aber wegen ihrer oftmals sehr speziellen Themen und ihrer relativ unverständlichen Fachsprache für den Normalverbraucher möglicherweise irrelevant und wertlos sein). Und auch der Werbekunde, der auf das redaktionelle Umfeld seiner Anzeige sowie v. a. auch auf deren Druckqualität achtet, wird mit Qualität anderes verbinden als etwa ein Linguist, für den die gute Verständlichkeit der Texte einer Zeitung ein besonderes Qualitätsmerkmal darstellt – vom Juristen ganz zu schweigen, für den Qualität im Journalismus nicht zuletzt darin besteht, dass er inhaltlich nicht gegen Gesetze verstößt. Die Zahl der Beispiele ließe sich fortsetzen, und der Berliner Journalismusforscher Stephan Ruß-Mohl meinte Anfang der 1990er-Jahre nicht ganz zu Unrecht, Qualität im Journalismus definieren zu wollen gleiche »dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln« (Ruß-Mohl 1992, S. 85).
Gleichwohl ist es Ruß-Mohl im deutschen Sprachraum als einem der Ersten gelungen, Mehrdimensionalität und Multiperspektivität von Qualität im Journalismus aufgezeigt zu haben. Er definierte Qualität als abhängige Variable und machte deutlich, dass Qualitätsmaßstäbe abhängig sind vom jeweiligen Medium, seiner Periodizität, dem einzelnen journalistischen Genre, der angestrebten Zielgruppe und der erwarteten Funktion des Mediums sowie vom Selbstverständnis der Medienschaffenden (vgl Ruß-Mohl 1992, S. 85). Weiter verweist Ruß-Mohl auf innerredaktionelle und außerredaktionelle Infrastrukturen (sog. »I-Faktor«), die für Qualität im Journalismus relevant sind (Ruß-Mohl 1994a). An anderen Versuchen, journalistische Qualität zu bestimmen, hat es [146]nicht gefehlt (vgl. z. B. Rosengren et al. 1991; McQuail 1992;