Transkulturelle Kommunikation. Michèle Kaiser-Cooke

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Transkulturelle Kommunikation - Michèle Kaiser-Cooke Studieren, aber richtig

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von allen solchen Bezeichnungen generell hinweisen. Menschengruppen wie „Frauen“, „Männer“, „Übersetzerinnen“, „Deutsche“, „Europäer*innen“ etc. sind nicht „einfach so“ in der Welt „natürlich“ vorhanden. Stattdessen werden sie immer wieder aufs Neue als Gruppe konstruiert und gefestigt, unter anderem auch durch die automatisierte Verwendung ihrer Bezeichnungen. (Mehr zum Begriff Diskurs und seinen Wechselwirkungen mit Gesellschaft und Macht werden wir in den folgenden Kapiteln besprechen.) Der Asterisk soll also auch als Erinnerung daran dienen, dass unsere Sprache Realität schafft, diese aber nie die einzig mögliche oder einzig gültige Art ist, die Welt zu verstehen. Dies gilt nicht nur in der Transkulturellen Kommunikation, sondern in jeder Form der Sprachverwendung.

      Quellennachweis

      BELTING, Hans (2008): Florenz und Bagdad. Eine westöstliche Geschichte des Blicks. München: C. H. Beck.

      I Kommunikation

      1 Was ist Kommunikation?

      Abb. 9:

      Frauen im Gespräch (Foto: Carol Mitchell, flickr.com, CC-BY-ND 2.0)

      Die Frauen in diesem Bild tun etwas, das wir alle tun können: Sie sehen einander an, lächeln, nehmen einander als Menschen wahr. Manche sprechen auch miteinander. Wenn wir uns das Bild ansehen, erkennen wir, dass hier Menschen zu sehen sind, und ziehen bestimmte Schlüsse aus der Art und Weise, wie sie gruppiert sind, wie nah sie nebeneinander sitzen, was sie mit den Händen tun und auch, wie sie aussehen.

      Wir nehmen zum Beispiel an, dass die weißhaarige Frau älter ist als die anderen. Die Frau, die etwas abseits von den anderen sitzenden Frauen sitzt, scheint das Gespräch zu führen. Das schließen wir aus der Körperhaltung der drei Frauen, die sich zu ihr drehen und ihr anscheinend zuhören. Eine Frau hebt die Hand, vielleicht in Ablehnung? Oder Zustimmung? Jedenfalls wirkt sie aufgeregter als die anderen zwei.

      Die Frau zur linken Seite scheint aber mehr mit ihrer Kopfbedeckung beschäftigt zu sein als mit der Unterhaltung der restlichen vier Frauen. Oder denkt sie über die Unterhaltung nach? All das und vieles mehr entnehmen wir dem Bild auf einen Blick.

      Was diese Frauen miteinander – und auch mit uns durch das Bild – verbindet, heißt Kommunikation. Durch ihre bloße Anwesenheit und gegenseitige Wahrnehmung teilen sie einander (und auch uns) etwas mit: Ich höre dir zu; ich bin nicht damit einverstanden; mich interessiert es nicht, was du zu sagen hast … Je nachdem, wie sie zueinander stehen, werden sie das jeweilige körperliche und sprachliche Verhalten anders interpretieren.

      Auch wir, wenn wir Schlüsse ziehen wie „Die Frau links ist desinteressiert“ oder „Sie denkt nach“, interpretieren, was sie tut, wie sie steht, ihren Gesichtsausdruck und vieles mehr.

      Das tun wir alle „automatisch“ – manche würden sagen „instinktiv“ –, ohne es in der Schule gelernt zu haben, auch ohne viel darüber nachdenken zu müssen.

      Alle Menschen können kommunizieren. Jede*r kommuniziert auf eine ganz eigene Art und Weise. Wir erkennen die Stimme und sogar den Schritt einer uns bekannten Person unter den vielen hunderten Personen, denen wir im Laufe eines Lebens begegnet sind. Dabei muss die Person uns nicht unbedingt nahestehen. Den Schritt der Lehrerin, die uns seit der ersten Klasse begleitet hat, oder der Arbeitskollegin, die seit fünf Jahren im Nebenzimmer sitzt, werden wir vermutlich so schnell identifizieren wie den Schritt unserer Eltern oder unserer besten Freund*innen.

      Warum kommunizieren wir?

      So einzigartig aber jedes Kommunikationsverhalten sein mag, die Fähigkeit zu kommunizieren ist uns allen gegeben. Mehr noch: Wir können gar nicht anders.

      Nicht nur können wir alle kommunizieren – wir müssen. Sobald wir auf die Welt kommen (manche meinen, bereits vor der Geburt), werden wir von mindestens einem Menschen wahrgenommen, gehalten, angesehen. Und auch Säuglinge kommunizieren, ohne es zu wissen, weil sie es einfach müssen: Der erste Schrei kommuniziert, dass das Kind atmet, am Leben ist. Weitere Schreie signalisieren Hunger oder das Bedürfnis nach Körpernähe oder Wärme. Die Pflegepersonen lernen langsam, diese Signale des Kindes zu interpretieren und durch einen Prozess von Versuch und Irrtum dem Kind (meistens!) das zu geben, was es braucht. Auch das Kind lernt allmählich, dass sein Schreien oder Lächeln bestimmte Auswirkungen darauf hat, wie die Menschen in seiner Umgebung reagieren. Es lernt eben, dass sein Verhalten einen Einfluss auf das Verhalten anderer Personen ausüben kann. So lernen wir alle, mit unseren Mitmenschen zu interagieren.

      Ohne die zwischenmenschliche Interaktion, die wir Kommunikation nennen, wären wir nicht nur sehr einsam. Wir würden nicht überleben.

      Die Gegenwart anderer Menschen ist unvermeidlich mit dem Leben verbunden. Sogar ein*e Einsiedler*in kann sich nur so bezeichnen, weil er*sie sich bewusst den Menschen entzogen hat. So lange aber die Möglichkeit besteht, zur Gemeinschaft zurückzukehren, bleibt auch der Entzug ein Akt der Kommunikation. Wer „ich will nicht“ sagt, sagt noch immer jemandem etwas.

      Das Kommunikationspotenzial ist immer vorhanden. In diesem Sinne ist der wohlbekannte Satz von Paul Watzlawick zu verstehen: Man kann nicht nicht kommunizieren.

      Die Umkehrung dieses Grundsatzes der Kommunikationslehre lautet: Wir sind alle zur Kommunikation gezwungen.

      Das ist auch der Grund, warum wir alle kommunizieren können.

      Wie kommunizieren wir?

      Manche Menschen (darunter auch manche Wissenschaftler*innen) vertreten die Meinung, Kommunikation sei nur das, was wir bewusst mitteilen wollen. Mit anderen Worten, der Ausdruck Kommunikation bezeichne nur eine intentional (beabsichtigt) gesetzte Handlung, die einen bestimmten Zweck erfüllen soll. Wir gehen aber hier davon aus, dass Kommunikation alles umfasst, was Menschen einander mitteilen, bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt. Mehr noch: Wir vertreten die Ansicht, dass alles, was wir anderen Menschen mitteilen, ob in der gesprochenen oder geschriebenen Sprache, ob ohne ein Wort oder gar ohne etwas zu „tun“, als Kommunikation gilt.

      Wir könnten also sagen: Kommunikation ist jede Art von menschlichem Verhalten, das von (einem) anderen Menschen wahrgenommen wird. Wir können also das Prinzip „Man kann nicht nicht kommunizieren“ um eine Einsicht ergänzen: Wir können uns nicht nicht verhalten.

      Kommunikation und Verstehen

      An unserer Reaktion auf das obige Bild haben wir festgestellt, dass das Bild uns „etwas sagt“, ohne dass wir ein Wort gehört oder eine Bewegung gesehen hätten. Wir sehen Menschen und „denken uns etwas“. Sie teilen uns etwas mit, weil es uns Menschen nicht möglich ist, etwas zu sehen (oder zu hören oder zu spüren oder …), ohne wissen zu wollen, was es ist. Wir wollen uns auskennen. Wir wollen uns orientieren können. Vor allem bei anderen Menschen. Wir könnten auch sagen: Wir wollen verstehen.

      Genau wie das Kommunizieren-Müssen ist auch das Verstehen-Wollen ein Grundbedürfnis des Menschseins. Eigentlich handelt es sich um ein Grundbedürfnis aller Organismen: Jedes Lebewesen muss sich in seinem Weltteil (in seiner Nische) auskennen, um sich zurechtzufinden. Es muss wissen, wer oder was freundlich oder feindlich gesinnt ist, was ihm guttut und was gefährlich ist, etc.

      Ebenso geht es uns Menschen. Wir sind auf das Verstehen angewiesen. Niemand hat es gerne, wenn er*sie

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