Ökologie der Wirbeltiere. Werner Suter
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Die äußere Isolationsschicht ist bei Vögeln (Federn) weit aufwendiger als bei Säugetieren (Haare) beschaffen. Deren jährliche Erneuerung – Mauser respektive Haarwechsel – greift deshalb bei Vögeln viel nachhaltiger als bei Säugetieren in den Jahreszyklus ein, denn die energetischen Kosten bedingen eine genaue zeitliche Einpassung zwischen Fortpflanzung und Zug, die beide ebenfalls kostenintensiv sind. Der letzte Teil dieses Kapitels ist daher der Mauser der Vögel gewidmet.
1.1 Diversität der Vögel und Säugetiere
Wenn wir zu Beginn unserer Beschäftigung mit der Ökologie der Vögel und Säugetiere zunächst wissen wollen, wie viele Vogel- und Säugetierarten es überhaupt gibt oder, korrekter ausgedrückt, wie viele wissenschaftlich beschrieben sind, so ist die Antwort einfach: Die Artenzahl der «höheren» Wirbeltiere ist im Gegensatz zu jener der Pflanzen und wirbellosen Tieren einigermaßen überschaubar. Gemäß der Zusammenstellung durch die Weltnaturschutzorganisation IUCN («The World Conservation Union»: International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) sind es gegenwärtig gut 10 400 Vogelarten und 5 500 Säugetierarten. Die Zahlen für Reptilien (in der traditionellen Klassifikation; Kap. 1.2) und Amphibien liegen mit 10 400 respektive gut 7 500 Arten in derselben Größenordnung. Diesen stehen aber über 33 000 Fischarten, 1,3 Mio. Arten von Wirbellosen und über 310 000 Pflanzenarten gegenüber (http://www.iucnredlist.org/about/summary-statistics).
Auch die Zahl der jährlichen Neuentdeckungen von Vögeln und Säugetieren hält sich in Grenzen. Seit dem Jahr 2000 wurden jährlich 3–8 Vogelarten neu entdeckt sowie etwa 24 Säugerarten neu beschrieben (Reeder et al. 2007). Die letztere Zahl enthält auch taxonomische Revisionen – das heißt, die Zahl bekannter Arten steigt auch dadurch, dass bereits beschriebene Formen oder Unterarten neu in den Artrang erhoben werden. Der Anstieg der Zahl der Vogelarten in den vergangenen 30 Jahren von etwa 9 000 auf den heutigen Wert ist größtenteils auf solche Revisionen zurückzuführen. Diese gründen einerseits darauf, dass mit besseren Daten vermehrt relevante biologische Unterschiede zwischen vordergründig ähnlichen Taxa aufgedeckt werden («taxonomic progress»; Sangster 2009), andererseits aber auch darauf, dass unabhängig vom favorisierten Artkonzept (Box 1.1) vermehrte Bereitschaft herrscht, solche Unterschiede stärker zur Artabgrenzung zu gewichten (de Queiroz 2007).
Box 1.1 Artkonzepte
Wenn wir von einer Art (species) sprechen, wie das auch in diesem Buch auf praktisch jeder Seite mehrfach geschieht, machen wir uns in der Regel keine Gedanken zur Definition des Konzepts «Art». Gerade bei Vögeln und Säugetieren sind viele der Arten, mit denen wir im wissenschaftlichen oder im praktischen Tagesgeschäft zu tun haben, als biologische Einheit genügend stark von verwandten Formen abgegrenzt, sodass keine Schwierigkeiten bei deren Einordnung als eigene Art auftreten. Manchmal ist die Differenzierung zwischen verwandten Formen aber undeutlich. Dann stellt sich die Frage, welche Kriterien verwendet werden sollen und wie stark sie zu gewichten sind, um einer Form Artrang zuzugestehen oder sie allenfalls als Unterart (subspecies) einer anderen Art zu führen. Teilweise ist dieser Vorgang abhängig davon, welche Definition der Art man anwendet. Eine stringente Definition, die allen Resultaten evolutionärer Prozesse gerecht wird, gibt es nicht, und so sind im Lauf der Zeit über 20 verschiedene Artkonzepte entwickelt worden. Diese lassen sich in drei Gruppen einteilen (Kunz 2012):
1. Das morphologische (phenetische) Artkonzept beruht lediglich auf dem numerischen Vergleich gemeinsamer Merkmale; eine Art umfasst die Individuen mit größter Kovariation zwischen vorhandenen und fehlenden Merkmalen. Im Vergleich zu den folgenden beiden Konzeptgruppen stützt sich dieses Konzept nicht auf die biologischen Prozesse, die zur Artbildung beigetragen haben. Die Taxonomie fossiler Arten muss notgedrungen auf diesem Konzept basieren.
2. Das biologische Artkonzept (in erweiterter Form das Genfluss-Konzept) definiert eine Art als eine Gruppe natürlicher Populationen, die sich untereinander kreuzen können und von anderen Gruppen reproduktiv isoliert sind; die Isolationsmechanismen sind in der Biologie der Organismen (und nicht der Geografie) begründet. Das biologische Artkonzept wurde vom deutsch-amerikanischen Zoologen Ernst Mayr begründet (Mayr 1942, 1963) und ist in einer etwas weiter entwickelten Form, zumindest bei der Beschäftigung mit Wirbeltieren, das verbreitetste Konzept.
3. Das phylogenetische (kladistische) Artkonzept ist explizit evolutiv ausgerichtet: Eine Art besteht aus einer Gruppe von Organismen, die alle denselben gemeinsamen direkten Vorfahren besitzen.
Die phylogenetische Systematik ist bezüglich der Klassifizierung aller höheren Einheiten unangefochten; in ihr ist das Kladogramm (Abb. 1.1) die einzige Grundlage des Systems (Systematik) und der Klassifikation. Die Identifizierung der Verzweigungspunkte ist aber, wie Abbildung 1.1 zeigt, selbst bei höheren Einheiten nicht immer eindeutig möglich; bei der Artabgrenzung kann es dann schnell eine Frage des subjektiven Empfindens sein, wo die letzte Verzweigung angesetzt wird. Im Vergleich dazu ist das Kriterium des Genflusses des biologischen Artkonzepts wesentlich eindeutiger (Lee 2003). Deshalb funktioniert das biologische Artkonzept auf der lokalen Ebene recht gut, weil sympatrische (das heißt zusammen vorkommende) Arten in der Regel morphologisch und verhaltensbiologisch recht gut differenziert sind. Probleme ergeben sich hingegen bei der Betrachtung in größeren Räumen, wo geografische Variation zu spielen beginnt und sich graduell reproduktive Isolation zwischen allopatrischen (das heißt räumlich getrennten) Populationen einstellt. Wo also soll die Trennlinie gezogen werden, die zwei Arten definiert? Man hat deshalb am Beispiel der Vögel versucht, basierend auf einem biologischen Artkonzept, hierzu quantitative Kriterien festzulegen (Tobias et al. 2010). Das zunehmend akzeptierte System (del Hoyo & Collar 2014) beruht darauf, dass die Differenzierung zwischen sympatrischen Arten anhand verschiedener Merkmale quantifiziert wird, womit sich dann Schwellenwerte für die Artabgrenzung bei allopatrischen und parapatrischen (räumlich sich anschließenden) Formen kalibrieren lassen (Tobias et al. 2010).
1.2 Vögel und Säugetiere – die endothermen Wirbeltiere
In der klassischen, lange gültigen Systematik bildeten Vögel (Klasse Aves) und Säugetiere (Klasse Mammalia) zusammen mit den Reptilien, Amphibien, Knochen- und Knorpelfischen den Unterstamm Kiefertiere innerhalb des Stamms der Chordatiere. Nach heutigem Stand des Wissens ist die hierarchische Ordnung, welche die Stammesgeschichte repräsentieren soll, wesentlich differenzierter; in einigen Fällen besteht Uneinigkeit (Abb. 1.1).
Vögel sind näher mit den Krokodilen als den übrigen Reptilien verwandt und leiten sich aus einer Gruppe der Dinosaurier (Theropoda) ab; man kann sie auch direkt als Dinosaurier bezeichnen (Padian & de Ricqlès 2009). Säugetiere können fossil etwas weiter zurückverfolgt werden als echte Vögel; frühe Formen existierten bereits neben den (nicht vogelartigen) Dinosauriern in bemerkenswerter Diversität. Sowohl Vögel als auch Säugetiere sind nach gegenwärtigem Wissensstand monophyletisch, das heißt, sie gehen je auf einen einzigen Vorfahren zurück. Die traditionelle Gruppierung «Reptilien» ohne die Vögel ist – phylogenetisch gesehen – eine paraphyletische Einheit, weil sie unter den Vorfahren und einige, aber (mit dem Ausschluss der Vögel) nicht alle Nachfahren enthält.
Auch wenn Vögel mit den Säugetieren weniger nahe verwandt sind als mit anderen Reptilientaxa, haben sie mit den Säugetieren ein Merkmal