Wirtschaftsgeographie. Harald Bathelt

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Wirtschaftsgeographie - Harald Bathelt

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1997; Belussi und Pilotti 2002). Es ist dies der Fall, wenn das Wissen vor der Anwendung an die spezifischen Bedingungen der Produktion vor Ort angepasst werden muss, also um kontextspezifische Komponenten angereichert und somit lokalisiert wird. Die Formen kodifizierten und nicht-kodifizierten Wissens lassen sich auf eine Unterscheidung von menschlichen Bewusstseinsebenen übertragen, wie sie Giddens (1995, Kap. 1 und 2) vorschlägt. Kodifiziertes Wissen ist im diskursiven Bewusstsein verortet. Es befähigt den Akteur, sein Denken und Handeln zu explizieren. Stilles, nicht-kodifiziertes Wissen hingegen, das sich als Erfahrungswissen in Routinen befindet, ist dem praktischen Bewusstsein zuzuordnen. Menschen wenden fortwährend etablierte Routinen an, die sie wie im Beispiel des Anlagen- und des Autofahrers nicht mehr reflektieren und auch nicht mehr explizit erläutern können.

      Technischer Fortschritt entsteht, wenn neues Wissen problembezogen angewendet wird und zur Verbesserung bestehender bzw. zur Schaffung neuer Produkte und Prozesse eingesetzt wird. Dies ist besonders dann wichtig, wenn es gelingt, dieses Wissen etwa in Form neuer Maschinen oder Organisationsformen, die eine effizientere Produktion ermöglichen, kommerziell umzusetzen. Die Entstehung technischen Fortschritts kann einerseits entlang eines bekannten technologischen Entwicklungspfads erfolgen, wobei bestimmte Heuristiken und Lösungsprinzipien, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, weiter fortgeschrieben werden (Dosi 1982; 1988). Ein Beispiel für eine derartige Entwicklung technischen Fortschritts ist die Miniaturisierung in der Computer- und Halbleiterindustrie. Alternativ kann technischer Fortschritt auch durch einen Wechsel zu einem anderen neuartigen Entwicklungspfad oder durch einen fundamentalen Wechsel des zugrunde liegenden technologischen Paradigmas entstehen (→ Kap. 14.3) wie etwa beim Übergang von der Transistor- zur Halbleitertechnik (Bathelt 1991 b, Kap. 2). Die Erkenntnis, dass Wissen im Wirtschaftsprozess offensichtlich eine immer zentralere Rolle spielt, kommt darin zum Ausdruck, dass zunehmend von einer knowledge-based economy (OECD 1996; Powell und Snellman 2004) und von knowledge-based industries gesprochen wird (z. B. Strambach 1995; Park 2000).

      (3) Soziales Kapital. Das Konzept des sozialen Kapitals thematisiert eine Ressource, die im Gegensatz zu Sach- und Humankapital nicht in der Verfügungsgewalt eines Akteurs oder einer Organisation liegt, sondern in der Beziehung zwischen Akteuren besteht und somit nur in Abhängigkeit von Partnern mobilisiert werden kann (→ Kap. 7.3). Soziales Kapital beschreibt das Potenzial an Chancen und Gelegenheiten, die ein Akteur oder eine Organisation durch die Beziehungen zu anderen realisieren kann (Burt 1997; Jansen 1999, Kap. 9). So stellen z. B. soziale Netzwerke zwischen Akteuren eine Form sozialen Kapitals dar, da sie die Unsicherheit der Interaktion auf der Grundlage von Vertrauen reduzieren und dadurch die Möglichkeit der Kooperation bei gemeinsamen Zielen eröffnen. Ebenso ist es möglich, durch die Realisierung sozialen Kapitals Humankapital (Coleman 1988) oder Sachkapital zu erwerben. Der Unterschied zu Human- und Sachkapital kann an folgendem Beispiel illustriert werden: Eine Fußballmannschaft mag für ein Spiel favorisiert sein, weil sie die besseren Spieler mit den größeren spielerischen Fähigkeiten, man könnte sagen das qualifiziertere Humankapital, besitzt. Dennoch aber kann sie von einer scheinbar schwächeren Mannschaft geschlagen werden, wenn diese durch gutes Zusammenspiel und eine geschlossene Mannschaftsleistung ihr soziales Kapital mobilisiert. Ein anderes Beispiel sind Netzwerke zwischen Händlern derselben ethnischen Gruppe, in denen aufgrund sozialen Kapitals eine hohe Effizienz erreicht wird (Bebbington und Perreault 1999).

      Es stellt sich nun die Frage, wie Menschen die Fähigkeit bzw. Kompetenz erwerben können, soziales Kapital aufzubauen, wenn es sich hierbei doch um eine Ressource handelt, die nicht im Besitz einer einzelnen Person liegt. Diese Frage lässt sich wohl nicht allgemeingültig beantworten. Sicherlich ist der Erwerb von sozialem Kapital erfahrungsabhängig und geschieht in verschiedenen Gesellschaften aufgrund unterschiedlicher Prozesse. Für die deutsche Gesellschaft kann man sich vorstellen, wenn man das Beispiel der Fußballmannschaft aufgreift, dass insbesondere Erfahrungen im Mannschaftssport für den Aufbau von sozialer Kompetenz von Bedeutung sein könnten. Bastian (2000, Kap. III.2) argumentiert, dass Musikerziehung in diesem Zusammenhang ebenfalls eine wichtige Rolle spielt und belegt dies anhand von Langzeitstudien an Berliner Schulen. Durch Musizieren im Ensemble lernen Kinder und Jugendliche fast spielerisch, miteinander zu kooperieren, aufeinander zuzugehen und gemeinsam Verantwortung zu tragen. Damit erfahren sie, so Bastian (2000, Kap. III.2), wie bedeutsam es sein kann, eigene Leistungen in das gelingende Gesamtergebnis einzubringen.

      Der Einsatz von Produktionsfaktoren allein kann nicht die große Heterogenität von Strategien und technologischen Entwicklungen von Unternehmen in räumlich differenzierten Produktionskontexten erklären. Strategische Differenzierung, Innovativität, Organisation und letztlich der Erfolg von Unternehmen wird weniger von den Produktionsfaktoren per se bestimmt, sondern vielmehr von der kreativen Verwendung und Kombination dieser Faktoren. Daher steht in einer relationalen Perspektive nicht die Ressource als unteilbarer Faktor im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern die Möglichkeit, sie unterschiedlichen Verwendungen zuzuführen (Glückler und Bathelt 2003). Eine Ressource ist mit Penrose (1959) definiert als Bündel potenzieller Verwendungen. Die Unterscheidung zwischen Ressourcen und ihren Verwendungen ist erforderlich, denn Ressourcen können zwar unabhängig von ihrer Verwendung beschrieben und erworben werden, aber es sind erst die spezifischen Verwendungen, die als eigentliche Inputs in den Produktionsprozess eingehen, den Wert der Ressource ausmachen und zur Basis der Wettbewerbsfähigkeit werden.

      So ist Erdöl zwar weltweit der wichtigste Rohstoff zur Primärenergiegewinnung, jedoch fließen nur etwa 80 % des Erdöls in die energetische Nutzung für Wärme und Kraftstoff. Der restliche Teil wird zur Herstellung unterschiedlichster Erzeugnisse speziell in der Petrochemie oder der pharmazeutischen Industrie genutzt. Etwa 90 % der Produktion organischer Chemikalien basieren auf Kohlenwasserstoffen, die aus Erdöl gewonnen werden. So dient Erdöl zur Herstellung von Kunststoffen, Lösungs-, Schmier- und Waschmitteln, Medikamenten und Farben. Schließlich wird Erdöl auch als Baustoff zur Herstellung von Asphalt, Dachpappen oder Schutzanstrichen benutzt (Amecke 1987; Chapman 1991; MWV 1996). Unternehmen nutzen spezifisches Wissen, Marktgelegenheiten und zusätzliche Ressourcen, um die Ressource Erdöl in eine ertragreiche Verwendung zu übertragen. Ohne diese Verwendung lässt sich wenig über die Wettbewerbsfähigkeit oder den Profit eines Unternehmens aussagen (Glückler und Bathelt 2003). Penrose (1997, S. 31) wählt den Begriff der Ressource vor allem deshalb, weil der klassische Begriff des Produktionsfaktors keine Unterscheidung trifft zwischen der Ressource und dem produktiven Dienst, der durch diese Ressource erzielt wird: „Strictly speaking, it is never resources themselves that are ‘inputs’ in the production process, but only the services that the resources can render“.

      In relationaler Perspektive werden neben den klassischen Produktionsfaktoren auch andere Ressourcen betrachtet, die in interaktiven, häufig unternehmensübergreifenden Prozessen erzeugt, bewertet und spezifischen Verwendungen zugeführt werden. Die Ressourcen selbst determinieren somit keine spezifische Verwertung, sondern sie bilden hinsichtlich ihrer Nutzung die Grundlage für kontextualisierte und kontingente Entscheidungen. Um etwa die Wettbewerbsfähigkeit oder strategische Optionen zu bestimmen, muss der Blick nicht auf die Ressourcen selbst, sondern auf den sozialen und institutionellen Kontext der möglichen Verwendungen gelenkt werden (Penrose 1959). Einige Ressourcen sind dahingehend relational, dass keine individuellen Eigentums- oder Verfügungsrechte für sie bestehen oder erworben werden können. Nicht die Ressourcen selbst, sondern nur ihre potenziellen Erträge können einzelnen Personen oder Unternehmen zugerechnet werden, wie die Beispiele von Sozialkapital (→ Kap. 7.3), Wissen und Macht (→ Kap. 8 und 11.3) deutlich machen. Die Erträge sind wiederum abhängig vom Handeln der beteiligten Akteure und dem jeweiligen institutionellen Kontext.

      Diese relationale Sichtweise hat Konsequenzen für das Unternehmensverständnis, wie das Beispiel materieller Ressourcen zeigt. So werden Unternehmen traditionell über Outputs, d. h. über ihre Produkte, definiert. In einer ressourcenorientierten Perspektive (resource-based view) werden hingegen gerade die Inputs betrachtet. Unternehmen werden hierbei als Bündel von Ressourcen aufgefasst und über ihr jeweils spezifisches Ressourcenprofil beschrieben (Mahoney und Pandian 1992).

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