Wirtschaftsgeographie. Harald Bathelt
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In seiner Analyse der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft stellte Marx (1890, Kap. XIII) fest, dass der Übergang zu großen, massenproduzierenden Industrieunternehmen zunächst eine strukturelle Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse bewirkte. Nicht nur führte der systematische Einsatz von Maschinen zur Freisetzung von Arbeitern. Da Maschinen insbesondere auch Muskelkraft entbehrlich machten, sank der Preis für ungelernte Arbeitskräfte. Zunehmend wurden Frauen und Kinder in der Produktion eingesetzt, weil man sie geringer vergüten konnte. Die hohen Kosten für die Anschaffung der Maschinen machten die Unternehmen durch lange Maschinenlaufzeiten und verlängerte Arbeitszeiten wett. Als später die Länge des Arbeitstags gesetzlich begrenzt wurde, beschleunigten die Unternehmen ihre Arbeitsabläufe durch höhere Maschinengeschwindigkeiten und steigerten die Arbeitsintensität. Diese Prozesse bewirkten erhöhte Gesundheitsbelastungen und -probleme der Arbeiter, eine Entfremdung der Arbeit, einen Anstieg der Gefahren am Arbeitsplatz und eine Schwächung der Fähigkeit der Arbeiter zum Widerstand. Nach Marx (1890, Kap. XIII) sind derartige Arbeitspraktiken letztlich Ausdruck des fundamentalen Widerspruchs zwischen Arbeit und Kapital. Die Produktionsverhältnisse änderten sich erst im 20. Jahrhundert mit der Erweiterung und Vertiefung nationalstaatlicher Regulierungen und dem kontinuierlichen Einkommenszuwachs der Beschäftigten, der zumindest in einigen Industrieländern zu einem breiten Wohlstandsanstieg führte.
Anknüpfend an die genannten Arbeiten werden im Folgenden drei Arten der Arbeitsteilung voneinander unterschieden:
(1) Unternehmensinterne Arbeitsteilung. Sie bezeichnet die konkrete Art der Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine am Arbeitsplatz bzw. die Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Produktionsstufen in einer Betriebsstätte, einem Betrieb oder einem Unternehmen.
(2) Unternehmensübergreifende Arbeitsteilung. Sie beschreibt die Arbeitsteilung zwischen Unternehmen, insbesondere zwischen Zulieferern, Produzenten und Abnehmern. Hierbei lassen sich verschiedene Erscheinungsformen der Arbeitsteilung unterscheiden, die auf Kooperations- oder Marktprinzipien beruhen können. Da in der unternehmensübergreifenden Arbeitsteilung Interaktionen zwischen den betreffenden Akteuren und Akteursgruppen eine zentrale Rolle spielen, wird im Englischen der Begriff der social division of labor verwendet (Scott 1988; 1998, Kap. 5). Vor allem an den Schnittstellen der Produktion zwischen verschiedenen Produktionsstufen kann sich die Arbeitsteilung verändern, was dann zu Veränderungen in den Kommunikations- und Abstimmungsprozessen zwischen Unternehmen führt. Dies kann durch die Auslagerung einzelner Arbeitsschritte an andere Hersteller und den Übergang zu Fremdfertigung geschehen.
(3) Räumliche Arbeitsteilung. Sie ist eine Projektion der unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Arbeitsteilung in räumlicher Perspektive. Hierbei interessiert beispielsweise, welchen Einfluss räumliche Nähe auf Zuliefer- und Absatzbeziehungen hat. Die räumliche Arbeitsteilung ist auch ein Spiegelbild räumlicher Disparitäten. So ballen sich in einigen Regionen besonders viele Zulieferer, während andere Regionen spezialisierte Abnehmer beherbergen. Folge derartiger Strukturen sind Verflechtungsbeziehungen zwischen den Unternehmen verschiedener Regionen, die sich als räumliche Arbeitsteilung niederschlagen.
Durch die Dynamik der modernen Industriegesellschaft, Reflexivität im Verhalten ökonomischer Akteure sowie durch Lern- und Innovationsprozesse ist die Arbeitsteilung in einer Volkswirtschaft fortlaufenden Umstrukturierungen unterworfen. Solche Umstrukturierungen haben zur Folge, dass alte Arbeitsplätze wegfallen und neue Arbeitsplätze mit neuen Technologien und neuen Organisationsprinzipien entstehen. Die Arbeitsteilung ist somit einem ständigen Wandel unterworfen.
3.3.3Produktionsfaktor Kapital
Kapital wird oft als abgeleiteter Produktionsfaktor bezeichnet, der erst vom Menschen geschaffen werden muss. Er entsteht aus der Kombination von natürlichen Ressourcen und Arbeitskraft. Kapital ist ein Produktionsfaktor, der verschiedene Zwecke erfüllt. Er dient der effizienten Allokation (Aufteilung) der ursprünglichen Produktionsmittel Arbeit und Boden, der intertemporalen Allokation (d.h. über einen längeren Zeitraum hinweg) der Ressourcen durch Sparen und dem Durchsetzen von Innovationen durch technischen Fortschritt. Zugleich steuert er als Vermögensfaktor die Einkommensverteilung (Männer 1988). In der Ökonomie wird Kapitalbildung einerseits durch Konsumverzicht und Sparen, andererseits durch Investitionen erklärt. Konzeptionell lässt sich zwischen Sachkapital (Maschinen und Anlagen) und Humankapital (Wissen und technischer Fortschritt) unterscheiden. Angeregt durch die wirtschaftssoziologische Debatte kann ferner soziales Kapital unterschieden werden, das aus Chancen und Gelegenheiten durch soziale Beziehungen entsteht (Bourdieu 1986).
(1) Sachkapital. Als Sachkapital gelten die materiellen Ressourcen, die zur Realisierung der Produktion notwendig sind. Vor allem die industrielle Produktion von Gütern für Massenmärkte bedarf eines hohen Sachkapitalvolumens. Große und zunehmend automatisierte maschinelle Anlagen ebenso wie industrielle Vorprodukte bilden den zentralen Kapitalbestand zur Transformation von Gütern in Zwischen- und Endprodukte. Auch Dienstleistungsunternehmen haben mitunter einen hohen Aufwand an Sachkapital. So repräsentieren z. B. Transportfahrzeuge den Sachkapitalbestand von Speditions- und Transportunternehmen.
(2) Humankapital. Das von Menschen erworbene, mitgeführte und in ihnen akkumulierte Humankapital, das eine große Rolle für Arbeitseinsatz und Arbeitsteilung in der Produktion und für die Entlohnung spielt, lässt sich gut über den Wissensbegriff erschließen. Naturwissenschaftlich-technisches Wissen kann einerseits aus der Grundlagenforschung resultieren oder andererseits aus Lernprozessen in der Produktion, wie z. B. durch trial and error. Wissen ist ein immaterielles Gut, für das es allerdings keinen echten Markt und damit auch keinen Marktpreis gibt. Die Nachfrage nach und das Angebot an Wissen sind nicht genau spezifizierbar. Um den Wert von neuem Wissen genau taxieren und einen Preis festzulegen zu können, würde ein potenzieller Käufer Informationen darüber benötigen, wie er dieses neue Wissen verwenden kann. Er müsste also Kenntnisse über dieses Wissen haben. Sobald er diese Kenntnisse aber besitzt, müsste er dieses Wissen nicht mehr kaufen. In dieser Überlegung zeigt sich ein fundamentales Problem bei der Bestimmung eines Marktpreises sowohl für Informationen als auch für Wissen (Arrow 1962 b).
Bezüglich der Arten von Wissen kann zwischen explizitem, kodifiziertem Wissen (explicit, codified knowledge) und implizitem, stillem Wissen (implicit, tacit knowledge), das nicht-kodifiziert oder gar nicht-kodifizierbar ist, unterschieden werden (Nonaka 1994; Nooteboom 2000 b; Gertler 2003). Kodifiziertes Wissen ist Wissen, das z. B. in Form von Regeln oder Formeln niedergeschrieben ist. Es kann leicht weitergegeben werden und ist im Prinzip an jedem Ort erhältlich. Stilles Wissen ist demgegenüber an Personen gebunden und lässt sich nach Polanyi (1967, S. 4) daraus erklären, „that we know more than we can tell“. Polanyi (1967, Kap. 1) führt die Entstehung von tacit knowledge (genau genommen spricht er von tacit knowing) darauf zurück, dass Menschen ihre Aufmerksamkeit vollständig auf ein Ereignis lenken und dadurch den eigentlichen Ereignisauslöser nicht bewusst erleben. Beispielsweise konzentriert sich ein Anlagenfahrer in einem Industrieunternehmen ganz auf den störungsfreien Prozessverlauf und dessen Parameter und führt die konkreten Steuerungseingriffe wie beim Autofahren nicht bewusst aus. Die hierzu notwendigen Fähigkeiten können nicht erklärt, sie müssen erlernt werden. Deshalb ist der Erwerb dieses Wissens an zeitaufwendige Lernprozesse geknüpft, die andauernde Praxis vor Ort bzw. ko-präsentes Interagieren von Akteuren erfordern. Das Wissen wird laufend verändert, wenn neue Erkenntnisse vorliegen und Konventionen über neue Produkte verändert werden müssen. Es ist dadurch lokalisiert, dass Akteure als die Träger des Wissens an bestimmte Standorte gebunden sind, und kann nicht ohne Weiteres an andere Orte transferiert werden (Maskell und Malmberg 1999 a; 1999 b). Aber auch kodifiziertes Wissen kann durch Kontextualisierung in eine Form gebracht