Tatort Nordsee. Sandra Dünschede

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Tatort Nordsee - Sandra Dünschede

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am Tisch sitzen und den vor Eigenlob strotzenden Geschichten des Vaters und des großen Bruders zuhören konnte. Sie priesen die Schönheit der neu geweißten Kälberställe, nicht ohne zu betonen, wie viel Arbeit das gewesen sei und sie nur wegen der fehlenden Pausen so weit gekommen wären.

      »Ich habe euch aber lange Tee trinken sehen, und Wiard war auch da«, rief Karina dazwischen.

      »Na, höchstens eine halbe Stunde«, warf August ein.

      »Wiard war da?«, fragte Henrike.

      »Ja, sagte ich doch. Er ist im Moment ein bisschen hinter einer Sache her – deshalb will ich mit dir ja auch mal sprechen.«

      »Worum geht’s denn?«, fragte Freerk, der sich ansonsten herzlich wenig um die Probleme anderer kümmerte. Meistens sah er nur seine eigenen.

      »Ach, um einen Job, den er bei der Firma hatte, während des Sommers, als sie hier den Deichschluss bauten.« August hatte diese Frage von seinem Sohn nicht erwartet.

      »Was ist ein Deichschluss?«, fragte Karina.

      »Wenn der Deich von der einen Seite und von der anderen kommt und dann dazwischen auch fertig gebaut wird«, antwortete Freerk und ergänzte: »Die Lücke wird eben geschlossen«, denn seine Erklärung für die kleine Schwester hatte ihm selbst nicht besonders gefallen, er merkte aber auch, dass er momentan keine wirklich bessere parat hatte.

      »Was für eine Lücke?«, wollte nun Wienke wissen.

      »Die Deichlücke eben«, antwortete Freerk patzig, »das Stück, was noch fehlt«, fügte er hinzu; und nuschelte noch »Frag nicht so blöd« in den mit dem ersten Fläumchen sprießenden Bart, als August ihn mit tiefer Stimme und fast buchstabierend ermahnte: »Fre-herk!« Freerk lachte seinen kleinen Bruder Gero an, der lachte voller Bewunderung zurück, während Wienke erneut zu heulen begann.

      »Mann, Wienke, stell dich nicht so an!«, fuhr Karina sie an, und Henrike bestätigte, das habe sie auch gerade sagen wollen. Wienke habe diesen Nachmittag schon genug geheult: »Und immer wegen irgendwelcher dusseliger Kleinigkeiten.«

      »Wenn ihr mich immer ärgert«, schnaufte Wienke.

      »Das war doch kein Ärgern, es war die Wahrheit«, stellte Freerk fest, was für einen neuen Tränenausbruch vollkommen ausreichte.

      »Wenn ich dir an den Kopf werfe, dass du blöd bist, was würdest du sagen?«, fragte August, der nicht wusste, ob er etwas lauter um ordentliches Benehmen am Tisch bitten oder Wienke nachlaufen sollte, die inzwischen ihren Stuhl verlassen und weinend in ihr Zimmer gerannt war.

      »Ich würde nicht heulen, bin ja kein Mädchen«, sagte Gero.

      »Ich habe dich aber heute auch schon heulen sehen«, warf Henrike ein.

      August ergänzte: »Jungen, sogar Männer heulen auch manchmal«, und dachte, sich mit dieser Aussage pädagogisch klug verhalten zu haben.

      »Nee, heulen tun immer nur Mädchen«, war Gero überzeugt, womit die Diskussion vorerst beendet war und August nun doch entschied, seine Jüngste wieder zum Abendbrottisch zu holen. Schließlich hatte sie noch nichts gegessen und würde wahrscheinlich bald so müde, dass ihr, egal wo, die Augen zufallen würden. Nachts geweckt zu werden und noch ein Butterbrot schmieren zu müssen, wollte August auf jeden Fall vermeiden und war sich der Solidarität Henrikes in dieser Frage absolut sicher.

      Schließlich waren die Kinder im Bett, und August und Henrike blieb noch ein wenig Zeit, sich über Wiards Geschichte vom Deich zu unterhalten.

      Nachdem August ihr Wiards Schilderungen erläutert hatte – er hatte auch den Steinwurf, das zerborstene Fenster und damit den wahren Grund für Wiards Kopfverletzung erwähnt –, dachte Henrike, ins Leere schauend, einen Augenblick nach. Sie schien nicht genau zu wissen, was sie sagen sollte. In ihren Augen sah man große Beunruhigung.

      »Ich bin ein bisschen geschockt, August. Ich kann das gar nicht glauben, dass so etwas hier bei uns passieren kann. Außerdem, wenn dieser Verrückte Wiard kennt, dann kennt er vielleicht auch uns, und … wenn er weiß, dass Wiard recherchiert, und dass du oft mit Wiard zusammen bist …, ich mag gar nicht dran denken.«

      »Mir macht das auch zu schaffen.«

      »Was können wir tun?«

      »Das wollte ich eigentlich dich fragen. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Erst hatte ich ein wenig das Gefühl, dass das mal wieder eine von Wiards Geschichten ist, so alles Mögliche zusammengereimt. Aber durch diesen Anschlag und die Kopien, die er mir vorgelegt hat, kam ich ins Schwanken, ach, es ist eindeutig. Mir geht die ganze Angelegenheit nicht mehr aus dem Kopf. Andererseits habe ich immer noch eine Stimme im Hinterkopf, die mir sagt: ›Nein, so was kann doch gar nicht passieren.‹ Es klingt alles zu sehr nach einem schlechten Film. Nehmen wir mal an, Wiard hat recht – was dann mit dem Polder geschehen kann und mit unserem Hof, oh Mann!« August hielt inne und blickte aus dem Fenster in die Dunkelheit.

      »Wir müssen versuchen, sachlich zu bleiben. Obwohl mir das jetzt gerade sehr schwerfällt. August, wir haben vier Kinder, die müssen wir schützen. Auf jeden Fall muss die Polizei her. Lass uns mal überlegen. Wir kennen doch Wiard schon lange. Klar, manchmal muss man aufpassen bei dem, was er so sagt. Aber wie er jetzt so verbissen hinter einer Sache her ist, dann ist da auch was dran. Und die Warnung, die er bekommen hat, ist Beweis genug, finde ich. Es hat jemand definitiv etwas dagegen, wenn Wiard sich weiter um den Deich kümmert – und das kann auch dich betreffen, August. Wiard hat den richtigen Riecher. Denk mal an die Geschichte bei der Feuerwehr vor Jahren – da war wirklich was im Busch gewesen, bei dem Einsatz auf Eilert Onkens Hof, weißt du noch?«

      »Ja, sicher, klar. Onken hat ihn natürlich selbst angesteckt. Dem stand das Wasser bis zum Hals – da hat er nur noch die Möglichkeit gesehen, den Hof einfach abzufackeln. Die Entschädigung der Versicherung war ja nicht gerade üppig, aber hat ihm geholfen, noch mal von vorne anzufangen. Und er hat’s gut gemacht, schließlich hat keiner was gemerkt.«

      »Keiner hat’s nachweisen können, sagen wir mal so. Und ich bin noch immer davon überzeugt, dass Wiard das Ganze hätte aufdecken können, aber die beiden spielen bis heute Skat zusammen – außerdem ist niemand zu Schaden gekommen, was soll’s, ich gönne es Eilert.«

      Eilert Onken hatte einen Schweinezuchtbetrieb etwa fünf Kilometer vom Saathoff’schen Hof entfernt, und eine Zeit lang war er ein wenig aus der Bahn geraten (»De is van’t Pad off«). Seine Frau hatte sich von ihm getrennt, er hatte daraufhin mehrere Monate gesoffen wie zehn und es mit dem Betrieb auch nicht mehr so genau genommen. Das aber hat in jedem landwirtschaftlichen Betrieb, ganz besonders aber in der Schweinezucht, fatale Folgen. Er entwickelte neue Pläne, wollte den Hof aufgeben, dann wieder nicht, kaufte ein kleines Häuschen nahe der Kreisstadt (»Wat sall de Blödsinn nu weer?«, hatte man im Polder gefragt). Jedenfalls war er recht schnell in eine finanziell bedrohliche Lage gekommen. August erinnerte sich, dass er noch mit Eilert geredet hatte. Er konnte zwei Monate seine Kreditraten nicht abzahlen, und schon stand die Bank auf der Matte: »Herr Onken, bislang waren wir ja sehr nachsichtig. Sie waren lange ein guter Kunde, aber jetzt, Herr Onken, geht es so nicht mehr weiter …«

      »Dass man so schnell am Ende sein kann, ich habe den Betrieb doch zehn Jahre lang gut geführt, und nun strauchelt man mal ein kleines bisschen …«, hatte Eilert gezweifelt und August um Hilfe gebeten. August sah damals kaum Möglichkeiten, ihm zu helfen, er hatte gerade die Verträge für den neuen Laufstall und den Melkstand unterschrieben und war finanziell bis an die Grenze gegangen (»Mann, der Kredit ist nun wirklich auf Kante genäht«, hatte er mehrfach

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