Die Invasion. Hans-Peter Vogt
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Invasion - Hans-Peter Vogt страница 3
Genau genommen ist diese Ansammlung von Zellen eine Art riesengroßes Gehirn, aber ohne Gliedmaßen und ohne Körper.
Das Wesen hat keinen Mund, keine Nase oder Ohren. Dennoch gibt es bei dieser Gattung eine Nahrungsaufnahme, die durch Berührung anderer Stoffe geschieht, aber es gibt keinen Magen und auch keinen Darm, der Reststoffe in fester Form von Kot wieder ausscheidet, weil dieses Wesen nur die Stoffe aufnimmt, die es wirklich zum Leben braucht. Ballaststoffe gehören nicht dazu.
Diese Gehirne sind ungeheuer effektiv. Sie haben die Eigenschaft, sich selbst perfekt zu regenerieren und diese Wesen haben deshalb einen Lebenszyklus, der ungleich länger ist, als beim Menschen auf unserer Erde.
Diese Gehirne stehen in ständigem Austausch zu anderen Organismen und Stoffen, und sie setzen sich nicht ungehemmt fort. Sie nehmen das, was sie zum Leben brauchen aus der Umgebung auf, und geben manchmal auch wieder Ausscheidungen ab, die in Form von Zellkulturen oder Energie direkt in Pflanzen oder Tiere zurückwandern.
Oh ja. Solche Tiere gibt es auf Cantara. Insekten, Wirbeltiere, Säuger, Vögel, Fische, Amöben und mikrobiologische Organismen.
Die Cantara haben zu all diesen Zellformen Kontakt. Das geht sogar soweit, dass diese Gehirne zur Photosynthese fähig sind, und ihren eigenen Sauerstoffbedarf selbst herstellen können, den sie zum Überleben brauchen. Dabei haben sie nicht einmal eine Lunge.
Sie können steuern, ob sich eine Art üppiger entwickelt als eine andere Art, ganz gleich ob Pflanze oder Tier.
Die Cantara brauchen keine Häuser, weil sie überall leben können. Angedockt an Bäume oder Tiere. Sie brauchen keine Autos und keine Flugzeuge, weil sie ihre Form selbständig verändern können, und dann so etwas ausbildeten wie Flügel, um durch die Luft zu segeln. Sie können sich problemlos in andere Stoffe verwandeln, in feste Materie oder in flüssige Stoffe. In gasförmiger Form können sie in die Luft steigen, wie eine Wolke. Sie sind manchmal reine Energie, die ihre äußere Form auflöst, und dann in Form elektrophysikalischer Impulse Besitz von Ihrer Umgebung ergreift.
Sie können sogar so etwas ausbilden, wie Hände und Füsse, Augen und Ohren, und sie können sogar Knochen, Gelenke und Schwimmflossen bilden, wenn sie das nur wollen. Auf diese Weise können sie problemlos das Aussehen von Tieren annehmen, oder auch von Baumstämmen, Blättern oder Wasser. Sie können sich natürlich auch in Pilze oder Flechten verwandeln, und dann den Zersetzungsprozess von totem Gehölz, oder den Schalen von herabgefallenen Früchten beschleunigen. Es ist eine Intelligenz, die werden kann, wie Sand oder Fels, und die sich sogar völlig entmaterialisieren kann. Durch solche Verwandlungen können sie für die Tiere sogar Treppen oder Brücken bilden, so dass die Tiere einen steilen Berg oder einen reißenden Fluss problemlos überqueren können. So haben sie dafür gesorgt, dass die Tiere einmal über Korridore die Meere überquert haben, um andere Kontinente auf Cantara zu besiedeln.
Die Cantara sind die Wächter all der Organismen auf diesem Planeten. Sie sorgen für einen gerechten Ausgleich unter den Arten.
Allerdings lieben die Cantara die Wärme, die ihnen von der Sonne gespendet wird. Sie können zwar in die kalten und dunklen Segmente ihres Planeten vordringen, aber das tun sie meist nur in Form reiner Energie. Immerhin haben sie gelernt, zum Schutz gegen extreme Kälte eine Art Panzer um sich zu legen. Der kann sogar den Temperaturen widerstehen, die im Weltraum herrschen, aber dann brauchen sie regelmäßige Zufuhr an fremder Energie, sonst sterben sie.
Es gibt auf diesem Planet keine Erzgruben und keine Fabriken. Es gibt keine Eisenbahnen, Straßen oder Computer. All das wird nicht gebraucht, weil die Cantara diese einzigartige Form gefunden haben, um mit sich und der Natur eins zu sein. Gewiss, sie beherrschen die Natur, und sie können Wachstumsprozesse in anderen Organismen steuern, aber sie brauchen weder Kleidung noch einen Regenschirm.
Wenn es regnet, dann regnet es eben, und der Regen perlt von den äußeren Zellen ab, und wird zum Teil auch aufgenommen, als Feuchtigkeit, welche die Zellteilung fördert, und die Prozesse innerhalb dieses Gehirns nährt.
Weil das so ist, wie es ist, leben die Cantara in einer Synthese mit ihrem Planeten. Die Cantara sind wie ein Medium, das zwischen verschiedenen Interessen und Parteien vermittelt, und Übereinstimmung herstellt.
Sie brauchen keine Bücher und keine Bibliotheken, weil diese Gehirne die Fähigkeit besitzen, alles zu speichern und das Wissen weiterzugeben, sogar über die Luft. Die Cantara haben auch einen eigenen Kalender, und sie sind wahre Rechenkünstler, Chemiker, Physiker und Biologen, um es einmal mit der Sprache der Menschen auf der Erde zu formulieren. Sie wissen, was ein Genstrang ist. Sie können ihn manipulieren. Sie können komplizierte Zellkerne knacken und Veränderungen evozieren, einfach durch Abspaltung eines Elements und Hinzufügung anderer Elemente. Es ist eine Intelligenz, die sich seit Tausenden von Jahren herausgebildet hat und das Wissen um die Vorgänge in ihrer Welt sind in den Erbinformationen aller Cantara gespeichert.
Da die Nachkommenschaft immer nur durch Zellteilung einiger frisch gewachsener Zellen besteht, tragen diese neuen Gebilde alle Erbinformationen der vergangenen Jahrtausende in sich.
Sie brauchen keine Waffen, denn auf diesem Planeten gibt es für die Cantara keine Feinde.
Da sich die Cantara über Zellteilung vermehren, wenn sie die Notwendigkeit dafür sehen, kennen sie so etwas wie körperliche Liebe nicht. Nun ja. Es gibt auf Cantara Tiere, die ein Leben lang zusammenbleiben, wenn sie sich einmal gefunden haben. Ewige Treue kann man ja mit Liebe assoziieren. Ansonsten haben Tiere einen Geschlechtstrieb, der sie antreibt, sich zu vermehren, und sie versuchen auch, sich zu gefallen. Sie reiben die Köpfe aneinander, gurren, oder schlagen mit den Flügeln. Auch das kann man mit Zuneigung beschreiben. Zumindest beim Menschen und bei den Tieren auf der Erde ist das so. Die Cantara sehen also durchaus, dass es so etwas gibt, wie Zuneigung oder Liebe.
Dafür ist ihnen Hass, Rache oder Gleichgültigkeit völlig fremd. Auf ihrem Planeten gibt es das nicht. Wenn ein Tier ein anderes auffrisst, geschieht das nicht aus Hass, sondern es entspringt einzig und allein der Notwendigkeit, zu überleben und sich zu vermehren, und wenn die Männchen miteinander kämpfen, um die stärksten Gene an die Weibchen weiterzugeben, dann ist das biologisch bestimmt. Mit Gefühlen hat das nichts zu tun. Die Funktion der Cantara, als Wächter des Lebens, ist also eine genetisch bestimmte Aufgabe, die der Gattung seit Tausenden von Jahren innewohnt. Auf der Erde würde man sagen, das ist angeboren, aber eine Geburt gibt es ja bei den Cantara auch nicht, außer, wenn man eine reine Zellteilung oder Zellabspaltung, wie bei einer simplen Amöbe, bereits als Geburt definieren würde. Insofern unterscheiden sich die Cantara auch von den Tieren auf ihrem Planeten, wo ein Junges wirklich geboren wird, sei es durch Lebendgeburt, wie bei den Säugern, oder durch das Schlüpfen aus der Eierschale, wie bei Lurchen, Fischen oder Vögeln. Das stellt die Cantara aber nicht auf eine geringer entwickelte Stufe, ganz im Gegenteil.
Das Volk der Cantara verteilt sich über den gesamten Planeten. Auch hier gibt es so etwas wie Anführer. Das sind besonders weise und alte Exemplare, auch wenn das Wissen der Cantara allen zur Verfügung steht. Sie haben so etwas, wie eine Führungsfunktion, sie sind aber auch so etwas wie das Gewissen der Cantara. Sie sprechen sich untereinander ab, und sie bestimmen in manchen Fällen, wohin der Weg gehen soll. Es geht hier aber nicht um Macht. Das Ansehen resultiert allein aus der Erfahrung, denn ein Tausendjähriger hat nun Mal ein anderes Spektrum an Erfahrungen, als ein Zweijähriger, auch wenn dem das gesamte Wissen der Welt der Cantara zur Verfügung steht. Es gibt keine Konkurrenz unter den Cantara. Es gibt auch kein Geld, keine “Herrensitze”, keinen Schmuck, keine Zepter und Kronen, keine Regierung, und auch keinen Präsidenten. Nur der Reichtum an Erfahrungen bestimmt, wer zu diesem “Ältestenrat” gehört.