Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Stefan Storr
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Hinweis:
Die Schutzbereichsbegrenzung bei Art. 12 GG durch das Tatbestandsmerkmal der objektiv-berufsregelnden Tendenz ist lediglich eine Frage der Grundrechtskonkurrenz[10], entscheidet also gerade nicht über die Frage des Eingriffs. Im vorliegenden Fall zeigt sich außerdem, dass es auch in seiner Reichweite problematisch ist, ließe sich doch die berufsregelnde Tendenz sehr wohl bejahen. Immerhin dienen die Bestimmungen über die Selbstverwaltung von Berufsgruppen gerade der Regelung des beruflichen Bereichs, die für das einzelne Mitglied gar mit (Partizipations)Vorteilen an der normativen Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für die Berufsbetätigung gegenüber der üblichen „Fremdverwaltung“ verbunden sein soll (vgl dazu sogleich). Daher lässt sich ein spezifischer Bezug zu Art. 12 Abs. 1 GG mit entsprechender Begründung sehr wohl bejahen.
b) Art. 9 Abs. 1 GG (Vereinigungsfreiheit)
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Daneben macht L aber auch eine Verletzung ihrer Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG geltend. Dieser schützt nicht nur die positive, sondern auch die negative Vereinigungsfreiheit, also die Freiheit, einer Vereinigung fern zu bleiben bzw aus ihr auszutreten[11]. Da L gemäß § 2 IHKG automatisch Mitglied der IHK geworden ist und sich dieser Mitgliedschaft auch nicht durch einen Austritt entziehen kann, könnte dieses Grundrecht tatsächlich betroffen sein. Fraglich ist allerdings, ob der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG öffentlich-rechtliche Vereinigungen überhaupt einschließt. Einerseits geht es auch in dieser Situation um die Abwehrdimension der Grundrechte und es macht aus der Sicht der Betroffenen keinen Unterschied, ob es sich um eine Pflichtmitgliedschaft in privat- oder in öffentlich-rechtlichen Organisationen handelt[12]. Andererseits schützt die positive Vereinigungsfreiheit nur privatrechtliche Zusammenschlüsse, nicht aber die Gründung einer staatlichen Vereinigung. Geht man (mit der hM) davon aus, dass die negative Vereinigungsfreiheit nicht weiter reichen kann als die positive[13], ist Art. 9 Abs. 1 GG nicht einschlägig[14].
c) Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit)
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Damit kommt allenfalls ein Eingriff in das Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit in Betracht. Bereits die Mitgliedschaft in einer Kammer als solche ist nicht nur rechtlich vorteilhaft und stellt einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG dar; entsprechendes gilt auch für die Beitragspflicht[15].
2. Persönlicher Schutzbereich: Grundrechtsberechtigung
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Voraussetzung ist allerdings, dass L sich auch auf dieses Grundrecht berufen kann. Da es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt, ist Maßstab insoweit Art. 19 Abs. 3 GG, der insbesondere verlangt, dass die juristische Person „inländisch“ zu sein hat. Für die Frage der Grundrechtsfähigkeit kommt es in Übereinstimmung mit der für das internationale Gesellschaftsrecht maßgeblichen Sitztheorie[16] darauf an, ob sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall, es handelt sich um eine ausländische juristische Person. Die Tatsache, dass sie über eine Zweigniederlassung in Deutschland verfügt, spielt also für Art. 19 Abs. 3 GG keine Rolle; allerdings ist nach der Rspr des BVerfG der Anwendungsbereich der Grundrechte auf juristische Personen aus dem EU-Ausland zu erstrecken (s. dazu bereits ausführlicher Fall 2)[17]. Im Ergebnis kann sich daher L auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen.
Hinweis:
Folgt man dem BVerfG kommt es auf die Frage, inwieweit sich L als juristische Person des EU-Auslands auch auf das „Deutschengrundrecht“ des Art. 12 GG berufen kann (dazu Fälle 2, 4, zudem näher unten Rn 86) nicht an.
3. Rechtfertigung
Der Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG kann allerdings gerechtfertigt sein, wenn er aufgrund eines formell und materiell mit der Verfassung im Einklang stehenden Gesetzes erfolgt[18].
a) Formelle Verfassungsmäßigkeit des § 2 IHKG
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Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zum Erlass des IHKG ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG iVm Art. 72 Abs. 2 GG. Fehler im Gesetzgebungsverfahren sind nicht ersichtlich.
b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des § 2 IHKG
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Damit das Gesetz materiell als verfassungsgemäß eingestuft werden kann, muss es insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranken-Schranke entsprechen. Hierzu ist erforderlich, dass die Kammer legitime öffentliche Aufgaben wahrnimmt und ihre Errichtung – gemessen an diesen Aufgaben – dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht[19]. Öffentliche Aufgaben sind dabei solche, „an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber weder allein im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engeren Sinn staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat selbst durch seine Behörden wahrnehmen muss“[20]. Die Aufgaben der IHK ergeben sich aus § 1 IHKG. Bei der IHK handelt es sich angesichts der in § 1 IHKG spezifierten Aufgaben weniger um „berufsständische Selbstverwaltung“ als um generelle Wirtschaftsförderung und Interessenvertretung[21]. Da es für die erforderliche Geeignetheit der Maßnahme aufgrund der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers genügt, wenn durch die Zwangsmitgliedschaft das angestrebte Ziel einer möglichst effektiven Aufgabenwahrnehmung zumindest gefördert werden kann, begegnet auch die Eignung keinen Bedenken. Die Übertragung der Aufgaben auf eine aus der Wirtschaft heraus gebildete und damit besonders „sachnahe“ Einrichtung stellt sich sogar in besonderer Weise als geeignet dar. Da sich andererseits dieses Ziel nur dann erreichen lässt, wenn die betroffenen Kreise möglichst umfassend repräsentiert werden, erscheint eine Pflichtmitgliedschaft auch als erforderlich. Die Maßnahme müsste schließlich auch angemessen sein (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn), dh die Intensität des Eingriffs darf nicht außer Verhältnis zur Wertigkeit des angestrebten Ziels stehen. Die Pflichtmitgliedschaft und die damit verbundene Beitragspflicht sind aufgrund der Koppelung an Art, Umfang und Leistungsfähigkeit des Gewerbebetriebs als relativ geringer Eingriff für die betroffenen Mitglieder zu werten. Vor allem ist auch zu berücksichtigen, dass die Pflichtmitgliedschaft nicht nur negative Folgen für den Betroffenen nach sich zieht, sondern auch die Möglichkeit zur Partizipation an staatlichen Entscheidungsprozessen eröffnet. Gerade dies ist aber bei der IHK anders, die angesichts ihrer heterogenen Mitgliederstruktur viel weniger gemeinsame Interessen vertritt als andere Kammern: Allerdings sieht § 1 Abs. 1 IHKG die besondere Aufgabe gerade im Ausgleich der Einzelinteressen. Aufgabe der IHK ist also nicht die Artikulation einer „einzigen Gesamtauffassung einer homogenen Gruppe“[22]. Außerdem besteht ihre Aufgabe in einer Beratung ihrer Mitglieder. Angesichts des weiten gesetzgeberischen Spielraums bei der Schaffung von Selbstverwaltungseinrichtungen bestehen daher keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Aufgabenzuweisung. Aus diesem Blickwinkel fördert