Churning. Manuel Lorenz
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![Churning - Manuel Lorenz Churning - Manuel Lorenz Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht](/cover_pre1014659.jpg)
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Nicht erst durch die erneute Etablierung des Handels mit Warentermingeschäften in Deutschland kamen aber unlautere Geschäftspraktiken unter Ausnutzung börsenunerfahrener Anleger auf. Auch zuvor war es Privatanlegern ja bereits möglich, Warentermingeschäfte an ausländischen Börsen zu tätigen. Eine speziell im Warenterminbereich verankerte Vorgehensweise unredlicher Finanzdienstleister und Broker war und ist es nach wie vor, unter Ausnutzung einer erteilten Vollmacht oder faktischen Kontrolle, das Depot eines Kunden objektiv exzessiv und wirtschaftlich sinnlos, entgegen den Anlagezielen und zu Lasten der Gewinnchancen des Anlegers ausschließlich zu dem Zweck umzuschichten, das Gebührenaufkommen zu steigern. Dieses Phänomen wird gemeinhin mit dem Begriff Churning[18] etikettiert. Phänomenologisch wichtig ist, dass von Churning nicht bereits bei Vornahme eines einzelnen – also auch nicht schon beim ersten – Geschäfts gesprochen werden kann. Vielmehr vermag erst eine Gesamtheit von Geschäften das Phänomen Churning zu bilden.[19]
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Das aus dem amerikanischen Kapitalanlagerecht stammende Lexem des Churning wird zumeist mit Provisionsschneider- oder -schinderei,[20] aber auch mit Ausplündern,[21] Kontoplünderung über Spesen,[22] Rein- und Rausschicken,[23] Drehen,[24] Wälzen,[25] Spesen- oder Gebührenreiterei,[26] Provisionsmanipulation[27] und Warenterminschwindel[28] frei übersetzt. Wörtlich übersetzt bedeutet Churning so viel wie „Buttern“[29]. Die Semasiologie entstammt der Butterherstellung, bei der die Milch so oft bewegt wird, dass die Butter abgeschöpft werden kann und ausschließlich die Magermilch zurückbleibt. In den Sinngehalt der Provisionsschinderei transferiert, steht das Ausgangsprodukt der Milch stellvertretend für das Depot des Anlegers, die entnommene Butter für die berechneten Provisionen und die letztlich verbleibende Magermilch für das reduzierte Depot.[30]
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Bekannt wurde Churning vor allem im Zusammenhang mit Geschäften an der Warenterminbörse, ist in Deutschland aber mittlerweile sowohl bei Finanztermingeschäften als auch im Wertpapierbereich verbreitet.[31] Praktisch am häufigsten ist Churning wohl bei der Verwaltung von Anlegerkonten, aber auch bei Fonds, Pools oder Sammelkonten auszumachen.[32] Beim Churning handelt es sich nicht etwa um einen neuen (Straf-)Tatbestand, sondern um die „rechtstatsächliche Erfassung eines rechtswidrigen Sachverhalts“[33]. Aufgrund des kapitalmarkttypischen Aspekts ist Churning dem Kapitalmarktstrafrecht zuzuordnen.[34]
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Entscheidende und später noch en détail aufzuzeigende, objektive Merkmale sind vor allem das Vorliegen einer Vollmacht oder faktischen Kontokontrolle, eine hohe Cost-to-Equity-Rate und Turn-Over-Rate (bei Kassageschäften) oder Commission-to-Equity-Rate (bei Termingeschäften) sowie ein hoher Prozentsatz von Day-Trades. Subjektiv ist erforderlich, dass der Täter die Spesen schindet, um sein Gebührenaufkommen und nicht das Anlagevermögen zu mehren.
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Strafgerichtlich wurde der Sachverhalt des Churning bis dato noch nicht aufbereitet. Zumindest lassen sich keine veröffentlichten Entscheidungen ausmachen. Gerichtliche Ausführungen finden sich allein im Rahmen zivilrechtlicher Fragestellungen und zwar im Hinblick auf Schadensersatzansprüche insbesondere aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 respektive § 266 StGB sowie § 31 WpHG oder § 826 BGB.[35] Das Gros der Literatur[36] äußerte sich in nämlicher Weise mit Ausnahme weniger, knapper Stellungnahmen[37] zur Strafbarkeit nach § 263 StGB und § 266 StGB sowie einer monografischen Veröffentlichung[38], die sich in Gänze der Strafbarkeit des Churning widmet. Ordnungswidrigkeitenrechtliche Auswirkungen fanden bislang allerdings noch keinerlei Erwähnung. Alle Erscheinungen lassen allerdings eine dezidierte, systematische Darstellung sämtlicher, entscheidungserheblicher Indizien vermissen. Zudem sind neue Erkenntnisse bezüglich einiger Indizien von Churning aufgekommen, die bislang noch nicht mit der Aufmerksamkeit wahrgenommen wurden, die ihnen im Hinblick auf deren Gewicht bei der Indizierung von Churning zukommen sollten. Aber auch die bisherige dogmatische Aufarbeitung einer etwaigen Einschlägigkeit der Phänomenologie der Spesenschinderei, insbesondere hinsichtlich des Untreue- aber auch des Betrugstatbestandes, ist wenig befriedigend.
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Die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Einordnung der Spesenschinderei soll im Rahmen dieser Arbeit in der Weise angegangen werden, dass zuvorderst der kapitalmarkt- und börsenrechtliche Hintergrund insbesondere von Termin- und Kassageschäften dargestellt wird (Teil 1. [Rn. 11 ff.]), bevor die Phänomenologie (Teil 2. A. [Rn. 48 ff.]) und mit Churning potentiell einhergehenden Verhaltensweisen (Teil 2. B. [Rn. 50 ff.]) beleuchtet werden. Anschließend wird der Nachweis von Churning anhand der einzelnen Indizien erörtert (Teil 3. [Rn. 63 ff.]). Im Anschluss wird in den Schwerpunkt der Arbeit, die vertiefte Prüfung der Straf- (Teil 4. [Rn. 117 ff.]) und Ahndbarkeit (Teil 5. [Rn. 390 ff.]) der Spesenschinderei eingestiegen. Sodann werden in einer Stellungnahme (Teil 6. [Rn. 438 ff.]) die Ergebnisse bewertet. Schlussendlich wird eine knappe Handlungsempfehlung für den Praktiker zur Vermeidung des Churning-Vorwurfs (Teil 7. [Rn. 442 ff.]) angeboten.
Anmerkungen
Heinrich Heine 1851, 1. Vers des Mottos, das dem 2. Buch »Lamentazionen« des Gedichtszyklus »Romanzero« vorangestellt ist. Vollständig abgedruckt in: Windfuhr (Hrsg.), Heinrich Heine, Historisch kritische Gesamtausgabe der Werke, Bd. 3/1 S. 78.
Ebner Kriminalistik 2007, 681; sehr instruktiv dazu Bröker S. 151 f.
Dannhoff DWiR 1992, 273.
Holl/Kessler RIW 1995, 983; Binder ZHR 169 (2005), 329 (332 f.); Schlüter Rn. 60.
Binder ZHR 169 (2005), 329 (332 f.).
Binder ZHR 169 (2005), 329 (333) m.w.N.
Binder ZHR 169 (2005), 329 (333).
Begr. RegE, BT-Drucks. 11/4177, S. 9.
Holl/Kessler RIW 1995, 983, zur Kritik dazu siehe die zahlreichen Nachweisen bei Binder ZHR 169 (2005),