Völkerrecht. Bernhard Kempen
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IV. Anerkennung von Regierungen
V. Anerkennung Internationaler Organisationen
Lit.:
R.L. Bindschedler, Die Anerkennung im Völkerrecht, AVR, 1951/52, 377; M. Breuer, Die Völkerrechtspersönlichkeit Internationaler Organisationen, AVR, 2011, 4; A. Hillgruber, Die Aufnahme neuer Staaten in die Völkerrechtsgemeinschaft, 1997; U. Saxer, Die internationale Steuerung der Selbstbestimmung und der Staatsentstehung, 2010; S. Talmon, Kollektive Nichtanerkennung illegaler Staaten, 2006.
I. Allgemeines
Dem Völkerrecht fehlt es aufgrund seines Charakters als dezentrale Rechtsordnung an einer zentralen Rechtsdurchsetzungsinstanz. Auch der → IGH, wiewohl Hauptrechtsprechungsorgan der → Vereinten Nationen (Art. 92 UN-Ch.), vermag aufgrund des Erfordernisses einer gesonderten Unterwerfung unter seine Gerichtsbarkeit (Art. 36 IGH-Statut) diese Rolle nicht auszufüllen. Sofern nicht auf völkervertraglicher Grundlage spezielle Rechtsdurchsetzungsmechanismen geschaffen worden sind, liegt die Durchsetzung von Rechtsansprüchen daher nach wie vor in den Händen der → Staaten selbst. In diesem Zusammenhang ist die Anerkennung ein wichtiges Instrument, da durch sie streitige oder zumindest unklare Rechtsverhältnisse außer Streit gestellt werden können. Hauptanwendungsfälle sind die Anerkennung von Staaten, von Regierungen und von → Internationalen Organisationen. Darüber hinaus können aber auch Grenzen, Ansprüche, Aufständische, Kriegführende usw. anerkannt werden.
II. Definition
Die Anerkennung ist eine einseitige, empfangsbedürftige (aber nicht annahmebedürftige) Willenserklärung (→ Rechtsgeschäft, einseitiges). Durch sie wird ein Tatbestand oder eine Rechtslage außer Streit gestellt; bei späterem Bestreiten verstieße der anerkennende Staat gegen das Verbot des venire contra factum proprium (Estoppel-Prinzip). Die Anerkennung kann zwar Teil eines bilateralen Vertrages sein, als einseitige Erklärung ist sie aber von dem reziproken Vertragsverhältnis zu unterscheiden.
Eine Anerkennung kann ausdrücklich oder stillschweigend (konkludent) erfolgen. Entscheidend ist der im konkludenten Verhalten zum Ausdruck kommende Wille des Staates (siehe auch Art. 4 S. 2 der Montevideo-Konvention über die Rechte und Pflichten der Staaten von 1933, 165 LNTS 19). Mit der vorgenannten Unterscheidung nicht zu verwechseln ist die Anerkennung de jure und de facto. Sowohl die De jure- als auch die De facto-Anerkennung kann ausdrücklich wie konkludent erklärt werden. Während die Anerkennung de jure eine vollständige Anerkennung bedeutet, bringt ein Staat mit der Anerkennung de facto zum Ausdruck, dass zwar eine gewisse faktische Verfestigung eingetreten ist, deren Dauerhaftigkeit aber noch offen ist. So kann beispielsweise ein Staat neben der offiziellen, de jure anerkannten Regierung eine Gruppe von Aufständischen, die über einen Teil des Staatsgebiets die effektive Kontrolle ausübt, als De facto-Regierung anerkennen. Selbst wenn die Dauerhaftigkeit einer bestimmten Situation nicht mehr in Zweifel zu ziehen ist, kann die De facto-Anerkennung als „minus“ zur Anerkennung de jure erfolgen, um eine politische Missbilligung zum Ausdruck zu bringen (z. B. bloße De facto-Anerkennung einer neuen Regierung nach einem Staatsstreich).
Nach h.M. ist die Anerkennung unwiderruflich mit Ausnahme der De facto-Anerkennung, bei der der nur provisorische Charakter bereits in der Anerkennungserklärung als solcher zum Ausdruck kommt. Widerrufbar ist darüber hinaus aber auch die Anerkennung von Regierungen. Einer de jure anerkannten Regierung, die von einer rivalisierenden Gruppe Aufständischer effektiv aus dem Amt gedrängt wurde, kann nämlich die Anerkennung entzogen werden. Im Gegensatz dazu ist die Anerkennung von Staaten in der Tat als unwiderruflich zu qualifizieren (vgl. auch Art. 6 Satz 2 der Montevideo-Konvention). Möglich ist hier lediglich, dass das Objekt der Anerkennung untergeht (z. B. durch Beitritt eines Staates zu einem anderen Staat). In diesem Falle verliert die ursprüngliche Erklärung mit dem Untergang des beitretenden Staates ihre Wirkung. Grund dafür ist aber nicht ein etwaiger Widerruf der Anerkennung – ein solcher ist nicht einmal erforderlich –, sondern vielmehr die Akzessorietät der Anerkennung: Eine Anerkennung entfaltet Wirkung nur, solange der anzuerkennende Gegenstand existiert.
Die Anerkennung ist grds. bedingungsfeindlich (vgl. Art. 6 Satz 2 der Montevideo-Konvention). Dennoch wird sie in der Staatenpraxis oftmals an Bedingungen geknüpft. Dabei handelt es sich allerdings regelmäßig nicht um Bedingungen im Rechtssinne. Intendiert ist mit der Formulierung von „Bedingungen“ vielmehr typischerweise die Statuierung von Auflagen, etwa dahingehend, dass sich der anerkannte Staat zur Fortführung der vom Vorgängerstaat geschlossenen → völkerrechtlichen Verträge, zum Schutz nationaler Minderheiten o.Ä. verpflichtet.
III. Anerkennung von Staaten
Nach der auf Georg Jellinek zurückgehenden Drei-Elemente-Lehre (→ Staat) ist die Staatsqualität eines sozialen Gebildes gekennzeichnet durch das Vorhandensein eines → Staatsgebiets, eines → Staatsvolks und einer hinreichend effektiven → Staatsgewalt. Fraglich ist, ob bereits das Vorliegen dieser drei Voraussetzungen allein einen Staat im Sinne des Völkerrechts ausmacht (deklaratorische Theorie), oder ob es zum „Eintritt“ in die Staatengemeinschaft als zusätzliches, viertes Kriterium noch der Anerkennung durch andere Staaten bedarf (konstitutive Theorie).
Die konstitutive Theorie ist vor allem vor dem Hintergrund der eurozentrierten Epoche des Völkerrechts im 19. Jh. (ius publicum europaeum) erklärlich, als mit der Anerkennung die Aufnahme in den numerus clausus der Staaten einherging. In die heutige Zeit des universell gültigen Völkerrechts passt sie nicht mehr. Zwar ist der konstitutiven Theorie zuzugeben, dass der Staat kein bloßes Faktum ist, das lediglich anerkannt (im Sinne eines „Zur-Kenntnis-Nehmens“) werden müsste. Der Staat als juristische Person ist vielmehr ein rechtliches Konstrukt, und gerade vom Standpunkt eines streng verstandenen Positivismus aus mag es geboten erscheinen, dass einem Staat nicht gegen seinen Willen ein anderes → Völkerrechtssubjekt „aufgedrängt“ werden darf. Andererseits knüpft die Anerkennung als Staat aber durchaus an gewisse faktische Gegebenheiten an: Nur wenn sich auf einem Territorium mit einem entsprechenden Volk eine hinreichend effektive Staatsgewalt