Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts. Anja Nöckel

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Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts - Anja Nöckel Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht

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noch eine der sonstigen, bisher zur Begründung des Strafrechts angeführten Argumentationen wirtschaftsstrafrechtliches Intervenieren umfassend begründen konnten, wird zur Legitimierung des Marktwirtschaftsstrafrechts das von Alwart eingeführte Regelmodell herangezogen. Zur Begründung der Strafwürdigkeit stellt dieses Regelmodell auf die der Sozialen Marktwirtschaft zugrunde liegende Chancenstruktur sowie das Gebot der Fairness im wirtschaftlichen Wettbewerb ab. Zur Verdeutlichung der Vorzüge dieses Strafwürdigkeitsmodells wird die Verknüpfung der marktwirtschaftlichen Regelstrukturen mit strafrechtlicher Dogmatik anhand exemplarisch gewählter Problemstellungen nachvollzogen. Gleichzeitig wird so gezeigt, dass die Zukunft des Wirtschaftsstrafrechts weder in den von Teilen der Literatur vorgebrachten Forderungen nach einer Reduzierung des Strafrechts auf einen Kernbereich, noch in einer dogmatisch nicht verwurzelten Ausrichtung an den Bedürfnissen der Praxis liegt. Die in einem Teilbereich des Wirtschaftsstrafrechts angestrebte Revision der wirtschaftsstrafrechtlichen Dogmatik soll durch einen neuen Blickwinkel eine bewusste Öffnung für die Wirtschaftsordnung und die durch sie gestellten Anforderungen ermöglichen. Es wird also nicht um vereinzelte Randkorrekturen oder die Abbildung exakter Grenzen der Strafwürdigkeit, sondern um grundlegende Fragen der Legitimations- und Steuerungsmöglichkeiten des Strafrechts gehen. Damit bietet die vorliegende Arbeit eine Grundlage für weitere Untersuchungen zum strafrechtlichen Umgang mit auf die Ausschaltung der ökonomischen Fairness gerichteten wirtschaftlichen Fehlverhalten.

      Teil 1 Einführung › III. Gang der Untersuchung

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      Die Untersuchung gliedert sich in fünf Teile. Im zweiten Teil wird der Begriff des Marktwirtschaftsstrafrechts entwickelt und inhaltlich präzisiert. Unter Berücksichtigung wirtschaftstheoretischer Grundlagen erfolgt dazu eine Auseinandersetzung mit der Rechtsgutslehre als Hemmnis des Wirtschaftsstrafrechts. Die dabei aufzuzeigenden Unvereinbarkeiten von strafrechtsdogmatischer Strenge und ökonomischer Offenheit münden in die Einführung der Regelverletzung als Kriterium der Strafwürdigkeit. Da sich auch wirtschaftliche Regeln nur aus einem bestimmten Zusammenhang erschließen, erfolgt der Entwurf eines Regelmodells unter besonderer Berücksichtigung des spezifischen ökonomischen Fairnessgedankens, welcher dem System der Sozialen Marktwirtschaft immanent ist. Der so inhaltlich angereicherte Begriff des Marktwirtschaftsstrafrechts soll anschließend in seiner Bedeutung geschärft und dazu vom sonstigen (Wirtschafts-)Strafrecht abgegrenzt werden. Auf diese Weise werden zugleich Fundament und Kontext für die nachfolgenden Darstellungen bereitet.

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      Der dritte Teil wird sich mit der Funktion des Marktwirtschaftsstrafrechts befassen. Hauptanliegen ist es dabei, die gesellschafts- und verhaltenssteuernde Wirkung des Strafrechts aufzuzeigen und hinsichtlich ihres Nutzens für das Marktwirtschaftsstrafrecht zu untersuchen. Einführende Erläuterungen zu den Grundzügen der Verhaltenssteuerung sowie den unterschiedlichen Ansichten zur Notwendigkeit (straf-)rechtlicher Regulierung in Recht und Wirtschaft sollen den Leser für die spezifischen Funktionen des Strafrechts in der Gesellschaft sensibilisieren. Darauf aufbauend steht im Mittelpunkt der weiteren Betrachtung die negativ-generalpräventive Wirkung strafgesetzlicher Normen, wobei die Theorie des psychologischen Zwangs von P.J.A. von Feuerbach besonderes Gewicht erhält. Neben Aufbau, Inhalt und Bedingungen der Theorie des psychologischen Zwangs ist über die bisher üblichen Analysen dieser Straftheorie hinausgehend der Rationalismus Feuerbachs Gegenstand der Untersuchung. Dazu wird es notwendig sein, die gewohnten Verständnisschemata der negativen Generalprävention zu verlassen und neue Sichtweisen auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen. Dabei soll verdeutlicht werden, dass die von Feuerbach angenommenen menschlichen Entscheidungsstrukturen rationale Handlungsmuster beschreiben, gleichwohl diese Annahme nicht abschließend naturwissenschaftlich oder psychologisch abgesichert werden kann. Im Anschluss daran erfolgt eine Aktualisierung der Theorie des psychologischen Zwangs für den Bereich des Wirtschaftsstrafrechts, wobei Feuerbachs Modell insofern als Grundlage für eine Aktualisierung dient, als sie veranschaulicht, dass das Strafrecht nicht allein die Herstellung von Gerechtigkeit verfolgt, sondern auch einen Faktor bei der Beeinflussung menschlichen Verhaltens darstellt. Unter dem Aspekt der Kalkulation von Kosten und Nutzen, welche ökonomischen Entscheidungen zugrunde liegt, wird es darum gehen, die Steuerungsfunktion des Marktwirtschaftsstrafrechts in der Setzung negativer Anreize und damit verbunden einer Steigerung der Straftatkosten zu verorten.

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      Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Begriff und Kriterien der Strafwürdigkeit ist Gegenstand des vierten Teils. Zunächst erfolgt eine kritische Analyse des Begriffs der Strafwürdigkeit, wobei überblicksartig bislang unter diesem Stichwort erfasste Verständnisansätze herausgearbeitet werden. Auf dieser Grundlage geht es im Weiteren darum, Kriterien zur Bestimmung der Strafwürdigkeit aufzuzeigen. Die Problematik der strafrechtlichen Erfassung wirtschaftlichen Fehlverhaltens soll dabei über die bereits in der Literatur entwickelten Anhaltspunkte hinaus auf Regelverstöße ausgedehnt werden. Mit dem Maßstab der Regelverletzung orientiert sich das Marktwirtschaftsstrafrecht begrifflich neu, erhält jedoch trotzdem einen Bezug zur bisherigen Strafrechtsdogmatik. Anknüpfend an die wirtschaftstheoretischen Ausführungen des zweiten Teils wird zur weiteren Präzisierung des Regelmodells im Folgenden das Regelgerüst der Sozialen Marktwirtschaft entfaltet. Dieses neue begriffliche Modell soll eine differenzierte Bestimmung der Strafwürdigkeit wirtschaftlichen Fehlverhaltens ermöglichen. Besonders Fälle, in denen es zur Ausschaltung der ökonomischen Fairness bzw. einer Beeinträchtigung der marktwirtschaftlichen Chancenstruktur kommt, denen also ein ethisches Fehlverhalten in erkennbarer Weise anhaftet, die aber keinen messbaren Schaden aufweisen, werden so mit strafrechtlichem Instrumentarium besser erfasst. Verdeutlicht wird dieser Vorzug des Marktwirtschaftsstrafrechts durch eine exemplarische Bestimmung der Strafwürdigkeit wirtschaftlichen Fehlverhaltens im Bereich der §§ 266, 299 StGB sowie des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Dabei wird § 266 StGB herangezogen, um anhand des Mannesmann-Falls besonders die Widersprüche übertriebener primärer strafrechtlicher Verhaltenssteuerung aufzuzeigen. Dazu erfolgt zunächst eine Bestandsaufnahme der vom Bundesgerichtshof sowie der Literatur vertretenen Ansichten über die Rechtmäßigkeit nachträglich vom Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft an den Vorstand gewährter Vermögenszuwendungen. Im Folgenden wird die Höhe der Zahlungen als eigentliche Ursache des Unmuts über die Vorgänge bei der Mannesmann-Übernahme identifiziert und die Wirtschaftsordnung auf Vergütungsregeln untersucht. Da die Soziale Marktwirtschaft keine festen Vergütungsregeln kennt, werden die das Wettbewerbsprinzip betreffenden Grundregeln der Wirtschaftsordnung Ausgangspunkt aller strafrechtlichen Betrachtungen. Auf der Grundlage dieses Argumentationsmusters wird anschließend gezeigt, dass Wirtschaftsakteure dort, wo weder Soziale Marktwirtschaft noch Rechtsordnung begrenzende Regeln vorgeben, die Möglichkeit haben müssen, frei von strafrechtlichen Risiken zu entscheiden. Ergänzt werden die exemplarischen Betrachtungen des Regelmodells durch die Untersuchung ausgewählter Aspekte des § 299 StGB. Zunächst wird auf die jüngsten Reformbestrebungen im Rahmen des § 299 StGB eingegangen, wobei der Nachzeichnung des Reformvorhabens eine kritische Auseinandersetzung mit seinen dogmatischen und praktischen Konsequenzen folgt. Anschließend wird anhand der Problematik entschleierter Schmiergelder aufgezeigt, dass allein die konkrete Differenzierung der Beziehungen aller am Fehlverhalten Beteiligten zueinander und zum Wettbewerb sowie die exakte Bestimmung des Regelbruchs innerhalb dieser Verhältnisse die Grundlage für eine angemessene strafrechtliche Reaktion bilden. Dabei kann die Bedeutung des konkreten Handlungssinns eines Fehlverhaltens zum maßgeblichen Kriterium bei der Feststellung der Strafwürdigkeit werden. Abschließend soll der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Gegenstand von Ausführungen zur Begrenzung des Erklärungspotentials des regelbasierten Strafwürdigkeitsmodells sein.

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      Im Anschluss daran werden im fünften Teil die Grenzen des Marktwirtschaftsstrafrechts den Gegenstand der Diskussion bilden. Als limitierend sind dabei interne und externe Faktoren anzusehen, die sich sowohl aus der

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