Verwandte Lügen. Dawn Brower
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Wenn er was Amethyst anging recht behielt, dann besaß Cooper alle nötigen Hilfsmittel, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Eine schöne Geistergeschichte würde sie auf einen Weg leiten. Einen Weg, der sie, wie Cooper wusste, geradewegs zu ihm zurückführen würde.
KAPITEL DREI
Amethyst schlenderte gedankenverloren den Fußweg entlang. Als sie aus der Pension gekommen war, hatte sie eine Brücke bemerkt, die zu einer Mole führte. Sie schlug diese Richtung ein, ohne lange zu überlegen, wohin genau sie gehen wollte, weil sie den beruhigenden Effekt des Sees brauchte. Aus unerfindlichen Gründen fühlte sie sich immer zu Gewässern hingezogen, wenn sie nachdenken wollte. Nach ihrem Zusammentreffen mit Cooper und Ben spürte sie, dass sie wirklich alles durchdenken musste.
Die Begegnung hatte sie verunsichert, normalerweise konnte sie ein solches Gefühl abschütteln. Ben Anderson sah wunderbar aus, er war von der Erscheinung her das Gegenteil seines Freundes. Cooper war eher der dunkle Typ, während Bens Teint heller, seine Haare blond und die Augen blau waren. Er hatte offenes Interesse an ihr gezeigt, sie brauchte es nur zu erwidern und das Angebot annehmen. Sie hatte jetzt zwei großartige Männer zur Auswahl und keine Ahnung, welchen sie lieber mochte.
Gerade, als sie die Stahldraht-Brücke am Sandstrand erreicht hatte, klingelte ihr Handy. Amethyst fischte es aus dem Beutel und schnitt eine Grimasse, als sie auf die Anruferkennung starrte. Lyoness Keane, ihre Mutter, versuchte, sie zu erreichen. Darüber freute sich Amethyst so gut wie nie. Ihre Mutter konnte so flatterhaft wie ein Taubenschwarm in der Luft sein. Ignorieren konnte man sie auch nicht, weil Lyoness Keane niemals aufgab. Sie würde einfach immer wieder anrufen, bis Amethyst mürbe war und antwortete. Das konnte sie auch gleich tun und herausfinden, was ihre Mutter wollte. Damit könnte sie das Gespräch so schnell wie möglich hinter sich bringen. Außerdem wurde es nicht einfacher, sich erst später mit ihr zu beschäftigen. Amethyst drückte die Annahme-Taste und hielt sich das Handy ans Ohr.
„Hallo, Mutter.“ Sie versuchte, die Gereiztheit in ihrer Stimme zu unterdrücken, was ihr misslang. Warum musste ein Gespräch mit Mutter so eine lästige Pflicht sein?
„Schatz, wo treibst du dich denn zurzeit herum?”, drang die schrille Stimme von Lyoness an ihr Ohr.
Was? Warum wollte sie ihren aktuellen Aufenthaltsort wissen? Das war schon wieder ein schlechtes Zeichen, wie sollte sie darauf reagieren? Hm … naja, sie konnte genauso gut ehrlich sein. Richtig? Was schadete es denn? Noch kein Grund zur Panik. Sie bekam Herzklopfen. Jetzt war es etwas zu spät für den Versuch, Ruhe zu bewahren, da ihr bereits alle möglichen Schreckensszenarien durch den Kopf wirbelten. „Ich bin in einem verschlafenen Dorf in Michigan, es heißt North Point.“ Sie versuchte, locker zu klingen und war sich nicht sicher, ob ihr das gelang. „Warum fragst du, Mutter?“
Lyoness ignorierte ihre Frage völlig und fragte: „Liegt das an einem See? Ich liebe die Großen Seen.“
Amethyst hatte Lust, zu schreien, aber sie ließ es sein. Wenn man es mit ihrer Mutter zu tun hatte, blieb man am besten so ruhig wie möglich. Stattdessen versuchte sie, das Thema zu wechseln und fragte ihre Mutter nach ihrer letzten Affäre.
„Wie geht’s Saul?“
Sie konnte fast bildlich sehen, wie ihre Mutter wegwerfende Handbewegungen machte, als sie erwiderte: „Ach, dieser Idiot. Wir haben letzte Woche Schluss gemacht. Zeit für eine Veränderung. Du weißt doch, wie das ist. Jetzt erzähl mir mal von diesem verschlafenen kleinen Dorf. An welchem See liegt es denn?“
Sie hätte sich denken können, dass Mutter und Saul Schluss gemacht hatten. Amethyst hätte nichts dagegen gehabt, wenn man die Liebhaber ihrer Mutter an einer Hand hätte abzählen können, aber das wäre gelogen. Nein, sie brauchte dazu wahrscheinlich einen Taschenrechner oder irgendeine Buchführungs-Software, um den Überblick zu behalten. Jawohl, so umfangreich und durchgeknallt war das. Ihre Mutter und Saul hatten Schluss gemacht. Es war lediglich überraschend, wie schnell es geendet hatte. Das war sogar für ihre Mutter ein Rekord.
Seufzend hielt sie das Handy von sich weg und sich selbst den Mund zu, damit sie nicht zu schreien anfing. Sie riss sich zusammen und erwiderte: „Am Michigansee.“
Amethyst hörte einen lauten, schrillen Freudenschrei am anderen Ende.
„Oh, das ist ja absolut perfekt. Wo bist du untergekommen? Ich bin morgen da. Wir können miteinander Zeit verbringen, nur wir Mädels unter uns. Arbeitest du an einer neuen Story? Ich bin sicher, die wird so toll wie alle anderen. Ich kann dir bei deinen Recherchen helfen. Das wird soooo ein Riesenspaß. Ich kann es kaum erwarten, bis ich bei dir bin, Schatz.“ Ihre Mutter plapperte weiter und gab Amethyst keine Chance, sie zu unterbrechen. Was sie sowieso nicht getan hätte. Sie hatte geistig abgeschaltet, sobald ihre Mutter sagte, dass sie herkommen würde.
Genau wie sie befürchtet hatte, wollte Mutter sie besuchen. Besser gesagt, sie zum Wahnsinn treiben. Es war völlig unmöglich, ihr diesen Besuch in North Point auszureden. Lyoness hatte bereits vor ihrem Anruf bei Amethyst Reisepläne geschmiedet. Lyoness Keane machte was sie wollte und wann immer sie wollte. Das einzige, was sie selber tun konnte war, zu grinsen und das Ganze zu ertragen. Bevor sie jedoch endgültig aufgab, versuchte Amethyst noch, ihre Mutter zu überreden, in Florida zu bleiben.
„Ich weiß nicht so recht, Mutter. Willst du dir wirklich die ganze Strecke zumuten? Es ist ziemlich weit weg vom Flughafen. Außerdem bist du in Miami. Da ist es doch wunderschön.“
„Ich habe Florida satt. Ich brauche mal etwas Anderes. Es ist Jahre her, seit ich in Michigan war. Ich glaube, es wird Zeit, dass ich wieder hinfahre. Wie heißt die Pension, in der du wohnst?“
Ein vergeblicher Versuch, sie hatte es gleich gewusst. Also biss sie die Zähne zusammen, bevor sie etwas sagte, was sie bereuen würde. Ihre Mutter konnte ab und zu so fordernd wie eine Zweijährige sein. Wenn sich Lyoness Keane etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte allein der Vorschlag, etwas anders zu machen in einen lautstarken Streit ausarten. Daher gab ihr Amethyst widerstrebend den Namen der Pension: „Trenton-Hill Inn.“
Jetzt hatte sie alle Informationen, was ja der Grund ihres Anrufs gewesen war. Lyoness rief noch euphorisch: „Prima, Liebling. Bis morgen dann. Küsschen!“, bevor sie das Gespräch abbrach.
Amethyst starrte verblüfft ihr Handy an; ihre Mutter hatte einfach aufgelegt. Nach ein paar Minuten platzierte sie es wieder in den Beutel, drehte sich um und wanderte ziellos in Richtung Pension. Es sah so aus, als müsste sie die morgige Ankunft ihrer Mutter vorbereiten. Sollte sie Cooper warnen? Es wäre ein Grund für ein Gespräch mit ihm. Unsicher, ob das eine gute Idee war, entschloss sie sich dagegen. Andererseits sollte sie die Pension informieren, dass ein zweiter Gast in ihrem Zimmer übernachten würde. Auf keinen Fall würde Mutter ein eigenes Zimmer buchen. Wahrscheinlich war sie kurz davor, völlig abgebrannt zu sein und sie hatte keinerlei persönliche Rücklagen. Das war einer der Gründe, warum sie sich nach dem Ende einer Beziehung bei Amethyst meldete. Die Liebhaber ihrer Mutter bezahlten stets ihre Ausgaben, und wenn eine Beziehung zu Ende war, saß sie auf dem Trockenen.
Sie blickte auf und merkte, dass sie wieder vor der Pension stand. Amethyst ging hinein, seufzte und fand sich mit der Situation ab. Im Stillen bedankte sie sich beim Schicksal, dass sie eine geräumige Suite mit Ausziehsofa hatte. Als sie in der Pension stand merkte sie, dass Cooper nicht mehr am Empfang war. Eine junge Frau mit kurzen schwarzen Haaren, violetten Augen und einem sonnigen Lächeln empfing sie. „Hallo, ich bin Olivia. Wie kann ich Ihnen helfen?“
Amethyst