Schreiben und Reflektieren. Monique Honegger

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Schreiben und Reflektieren - Monique Honegger Forum Hochschuldidaktik und Erw.Bildung

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erleben sie die Reflexion nur noch als Zwang.

      In der einführenden Diskussion über die Dimensionen von schriftlicher Reflexion gelangten wir beim Erörtern der diversen Themenbereiche und Konzepte wiederkehrend an die Dichotomie von Lust und Zwang, die beim schriftlichen Reflektieren erlebt wird. In der Folge gehen wir der Frage nach, welche Rolle Lust und Zwang beim schriftlichen Reflektieren spielen.

      In einem ersten Schritt klären wir die Rahmenbedingungen der Reflexionspraxis in Hochschulen und Erwachsenenbildung, in einem zweiten Schritt steht das spezifische Wechselspiel von Lust und Zwang beim schriftlichen Reflektieren im Zentrum.

      Lernen geht – auch im Studium und in der Weiterbildung – nicht ohne Reflexion. Damit Lernende Erwartungen mit Geschehenem vergleichen können und um ihnen bewusste Lernschritte zu ermöglichen, werden sie angehalten, etwa vor einem Praktikum oder einem Versuch, ihre Erwartungen zu formulieren und diese dann nach der Praxis mit dem Erlebten, den effektiven Ereignissen und Ergebnissen zu vergleichen.

      Häufig geschieht dies in Form eines Lernjournals (vgl. z.B. Bräuer 2003; Berning et al. 2008; Bräuer & Schindler 2011; vgl. auch den Beitrag von Studer & Jannuzzo in diesem Band). Eine weitere verbreitete Form, Reflektieren in schriftlicher Form darzustellen, ist das Portfolio. Das Portfolio (auch als digitales E-Portfolio) versammelt diverse Lernerlebnisse oder fachliche Teilberichte, verbindet diese mit theoretischen Konzepten und Modellen und hält die Schreibenden dazu an, ihr persönliches Lernen zu dokumentieren und zu kommentieren (vgl. Miskovic 2006; Saxalber & Esterl 2010; Bräuer 2003; 2014).

      Reflexion findet zudem häufig mündlich, in Diskussionen, auch online statt. Lernende werden aufgefordert, ihr Erleben in Gruppen- oder Partnerdiskussionen miteinander auszutauschen. Dabei spielen Irritationen und Überraschungen eine zentrale Rolle (vgl. den Beitrag von Honegger & Beglinger in diesem Band).

      Beschränken wir unsere Analyse auf Reflektieren und Schreiben, lassen sich folgende Formen des Zusammenspiels von Schreiben und Reflektieren festhalten:

      A.Reflektieren im Dialog mit anderen (vgl. dazu beispielsweise den Beitrag zu Onlineforen von Zimmermann & Rickert in diesem Band).

      B.Textsammlungen von Lernschritten oder Erlebnissen (vgl. hierzu beispielsweise Keller 2014; oder auch den Beitrag von Hermann & Furer in diesem Band).

      C.Berichte über das innere Lernerleben (vgl. Bräuer 2003, 12 f.).

      Seit der pragmatischen Wende in den 1980er-Jahren gehört die explizit als solche bezeichnete Reflexion zu den klassischen Schreibanlässen im Studium. Damit haben sich Portfolios und Lernjournale zu einer Textsorte entwickelt, die spezifisch und gleichzeitig halbmystifiziert funktioniert. So verlangen Leitfäden zu Lernjournalen die Verschriftlichung von inneren Prozessen, die im Gegensatz zu stofflichen Zusammenfassungen nicht wirklich einforderbar ist und stark an privates Schreiben erinnert (vgl. Bräuer 2003, 25). Anleitungen zum schriftlichen Reflektieren geben bisweilen eine rigide Struktur vor, in der die Lernenden ihre Lernwege dokumentieren, die vermeintlich oder tatsächlich stattgefunden haben (vgl. Beck, Guldimann & Zutavern 2000, und auch den Leitfaden zum Lernjournal der PH Zürich 2015).

      Die »Fingerübung« des Reflektierens ist aber nicht nur sinnlos. Schließlich gehört es zum späteren professionellen Alltag, das Erwartete und das Geschehene mit Fokus auf Optimierbares zu reflektieren und Schlüsse für die weitere Tätigkeit zu ziehen. Wir üben mit Kindern bereits in der Primarschule oder in der Grundschule das Reflektieren. Denn es gilt als Paradigma, dass es zum Lernen gehört, übers Lernen nachzudenken. Nach einer Übungsstunde im Mathematikunterricht sollen die Kinder notieren, was sie Neues gelernt haben, wo sie persönlich Fortschritte erleben oder wo sie noch anstehen oder einen »Knopf« haben. Ein elfjähriger Grundschüler äußert sich dazu folgendermaßen: »Ich kann ja nicht schreiben, was mir nicht gefallen hat oder was ich nicht ganz verstehe, sonst kriege ich eine schlechte Note.« (Vgl. dazu den Beitrag zum Festhalten an Reflexion als Schreibanlass und Lernritual in der Tertiärbildung von Honegger & Beglinger in diesem Band.)

      Reflexion beim Lernen bedeutet, dass sich Lernende bewusst werden und bewusst machen, was und wie sie lernen, dass sie etwas dazugelernt haben und was sie noch lernen werden. Wir können nicht etwas wissen, ohne es zu wissen oder zu kennen. Ebenso wenig können wir wissen, dass wir nichts oder (noch) zu wenig wissen, wenn wir es nicht wissen.

      Dennoch bleibt im formellen Lernkontext die Regel bestehen, dass wir Studierenden das Reflektieren zu beschreiben haben. So erklärt ein Leitfaden Studierenden den zu leistenden Reflexionsprozess folgendermaßen: »Reflexion über das eigene Lernen und Denken: Reflexive Lernprozesssteuerung. In einem nächsten Schritt thematisieren und reflektieren Sie auf einer Meta-Ebene Ihren persönlichen Lern- und Entwicklungsprozess. Sie beobachten und reflektieren, wie Sie Ihr Lernen im Studium und in Ihrem Umfeld organisieren und vollziehen« (Leitfaden zum Lernjournal 2015, 3).

      In diesem Sinne, im Leitfaden oben als »reflexive Lernprozesssteuerung« bezeichnet, ist Reflexion ein stark innerer Vorgang. Wie er dargestellt und gegenüber anderen kommuniziert wird, ist offen. Diesen Vorgang praktizieren alle – und alle Lernenden praktizieren ihn unterschiedlich.

      Blicken wir auf die Lernziele an Hochschulen, gibt es zwei Reflexionsinhalte:

      ▸Reflexion (und Einschätzung) der eigenen Kompetenz als zukünftige oder sich weiterbildende Fachperson, um festzustellen, wo und wie das Lernen weitergehen soll.

      ▸Reflexion als Reflexionstraining, um später weiterhin erfolgreich reflektieren zu können.

      Als Reflexionskanäle lassen sich kommunikationsspezifisch die folgenden unterscheiden:

      ▸Monolog; gedankliches oder verbalisiertes Selbstgespräch ohne Darstellung (z.B. unter der Dusche oder vor dem Einschlafen gedankliche Abläufe für sich selber artikulieren, »thinking aloud«),

      ▸Gespräch; vor Ort, online, in Gruppen mit Studierenden oder Nichtstudierenden (Dialog mit einem Gegenüber),

      ▸Schreiben; privat, nur für die reflektierende Person einsehbar oder (halb-)öffentlich (Tagebuch, »dialogic notebook«, Projektjournal, Lern- und Prozessportfolio, Reflexionsblog, geschlossenes und moderiertes Diskussionsforum im Netz (vgl. die Beiträge von Wyss & Ammann sowie Zimmermann & Rickert in diesem Band),

      ▸Nichtsprachlicher Ausdruck; bildnerisch oder musikalisch, kann möglicherweise in einem zweiten Schritt wieder versprachlicht werden (vgl. die Beiträge von Nyffenegger und Keller in diesem Band).

      Gemeinsam ist reflexiven schriftlichen Lernaufgaben, dass Leitfragen und sogenannte Prompts die Lernenden anleiten und Vorgaben in Bezug auf die Art der Reflexion machen. Sie fordern in erster Linie dazu auf, Diffuses zu konkretisieren und schriftlich oder mündlich zu formulieren,

      ▸welche Erwartungen vor dem eigenen Handeln bestanden,

      ▸inwiefern diese Erwartungen erfüllt wurden oder nicht,

      ▸ob es andere irritierende Aspekte im persönlichen Erleben gab

      ▸und in Bezug auf das weitere persönliche Lernen und berufliche Handeln zu

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