Schreiben und Reflektieren. Monique Honegger

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Schreiben und Reflektieren - Monique Honegger Forum Hochschuldidaktik und Erw.Bildung

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Modell der Reflexion (nach D. Ammann, T. Hermann und C. Wyss; Illustration C. Ammann)

      1. Rückschau

      In einem ersten Schritt wird aus der Erinnerung auf eine Aktivität zurückgeschaut, vielleicht unmittelbar im Anschluss daran, und diese in knapper Form geschildert. Im Sinne einer Bestandsaufnahme oder eines kurzen Tätigkeitsprotokolls wird das Ereignis in seinen wichtigsten Phasen vergegenwärtigt und dokumentiert. Was war der Anlass? Was ist in chronologischer Abfolge passiert? Welche Vorgaben, Handlungen, Materialien, Reaktionen oder Interventionen haben den Prozess mitbestimmt? Was ist dabei herausgekommen? Wie habe ich mich dabei gefühlt? In Ergänzung zur rein beschreibenden Rekapitulation kann hier bereits bewertend festgehalten werden, ob ein gesetztes Ziel erreicht wurde und wie der Prozess für die Teilnehmenden verlaufen ist.

      ▸Kontext: Unter diesem Stichwort werden Umstände und Voraussetzungen geklärt. Wie lautete der Auftrag, die konkrete Aufgabenstellung, wer waren die Beteiligten? Was habe ich mir persönlich vorgenommen (Ziele, Absichten)? In welchem weiteren Handlungszusammenhang steht die betrachtete Episode (z.B. Praktikumseinsatz, Übungslektion im Rahmen einer Unterrichtsreihe, Referat, Workshop)? Welches war dabei meine Rolle?

      ▸Verlauf: Was habe ich, was haben andere der Reihe nach gemacht? Wie ist es im Überblick gelaufen? Lässt sich die Gesamthandlung in einzelne (dramaturgische) Sequenzen oder Phasen unterteilen? Sind klare Höhe- und Tiefpunkte auszumachen? Gab es auffällige Reaktionen oder Rückmeldungen während der oder im Anschluss an die Veranstaltung?

      ▸Hintergrund: Für das weitere Verständnis dienen zusätzliche Hinweise auf Rahmenbedingungen, Vorüberlegungen (z.B. Konsequenzen aus früheren Reflexionen oder der Vorgeschichte), Rollenverteilung sowie Informationen zum Setting und zu den beteiligten Personen (zeitliche und inhaltliche Vorgaben, Diversität in der Klasse, Arbeitsklima, Vorwissen der Lernenden usw.). Welche Überzeugungen und Vorannahmen liegen meinem Handeln zugrunde? Auf welche Theorie stütze ich mich?

      In der Rückschau soll also vorwiegend abgebildet und beschrieben werden. In erster Linie gilt es, Fakten und Beobachtungen zu dokumentieren. Vor dem Hintergrund von Aufgabenstellung, Planungsskizze oder früheren Erfahrungen können hier erste Vergleiche angestellt oder persönliche Befindlichkeiten und Aha-Erlebnisse notiert werden. Wo bin ich vom ursprünglichen Fahrplan abgewichen? Was hat den Ausschlag dazu gegeben? Was ging mir bei einer unvorhergesehenen Situation durch den Kopf? Aus welchen Überlegungen oder Zwängen heraus habe ich so reagiert? Wie ist es mir dabei ergangen? Erkenne ich Parallelen zu früheren Episoden?

      2. Fokus

      In der Fokus-Phase wird ein Ausschnitt gewählt und unter der Lupe betrachtet. Nachdem in einem ersten Schritt ein Überblick und eine grobe Auslegeordnung entstanden ist, soll nun bewusst ein Schwerpunkt gesetzt, ein besonderer Aspekt herausgepickt, ein übergreifendes Thema oder eine bestimmte Episode genauer sondiert und interpretiert werden. Was sticht positiv oder negativ heraus? Welches Element hat überrascht, verstört oder zur Klärung beigetragen, vielleicht eine Entwicklung angestoßen und zu neuen Einsichten geführt?

      ▸Auswahl: Um die Reflexion nicht zu überfrachten, ist es wichtig, eine klare Eingrenzung vorzunehmen und das Augenmerk auf einen definierten Bereich zu richten, z.B.: Rollenverteilung, Gruppendynamik, Körpersprache, Auftrittskompetenz, Arbeitsformen, Aufträge, Lernendenfeedback, Informationsdichte, Medieneinsatz, Kompetenzstufen.

      ▸Analyse: Bei der Analyse hilft es, die eigene von anderen Positionen abzugrenzen, das Geschehen allenfalls aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wie beurteilen andere die Lage? Besteht eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung? Zu welchen Aspekten, Fragen, Behauptungen möchte ich von anderen ein Feedback?

      Es geht weder darum, einseitig auf Fehler zu achten und das eigene Scheitern darzustellen, noch soll das eigene Verhalten verklärt oder legitimiert werden. Am einfachsten gelingt die Balance, wenn der Prozess in einen größeren Zusammenhang gestellt wird und neben Misserfolgen auch Glanzlichter betrachtet werden. Welche Faktoren und Konstanten waren ausschlaggebend und handlungsleitend? Aus welchen Kontexten ist mir mein Verhalten bereits vertraut? So bietet es sich beispielsweise an, in den eigenen Aufzeichnungen (Lerntagebuch, Projektjournal, Rückmeldungen) nach verwandten Mustern oder nach Passagen zu suchen, in denen wichtige Schlüsselbegriffe vorkommen.

      ▸Bilanz: Ergebnisse und Einsichten der vorgängigen Detailbetrachtung werden mit Blick auf den Gegenstand der Rückschau zusammengetragen und ausgewertet. Die daraus gezogene Bilanz bereitet damit den Boden für die dritte und prospektive Phase der Reflexion. Vorher soll der Blick noch einmal geöffnet werden, um die gewonnenen Erkenntnisse in den Kontext der persönlichen Lernentwicklung zu stellen und mit theoretischen Ansätzen abzugleichen. Bezüge zur Fachliteratur, zu didaktischen Unterlagen und Empfehlungen oder bisherigen Erfahrungen, Reflexionstexten und Rückmeldungen aus der Lerngruppe runden die Bilanz ab.

      3. Ausblick

      Im letzten Teil der Reflexion geht es darum, den Blick nach vorne zu richten. Hierbei können Handlungsoptionen skizziert, Lösungsansätze diskutiert sowie konkrete Absichten und Planungsschritte formuliert werden. Worauf will ich beim nächsten Unterrichtseinsatz besonders achtgeben? Wie ließe sich eine bestimmte Empfehlung praktisch umsetzen? Was möchte ich Neues ausprobieren? Wie könnte ich reagieren, wenn etwas erneut schiefgeht oder die erhoffte Reaktion ausbleibt?

      Als Vorbereitung und Einstimmung auf diesen Textteil bieten sich beispielsweise Techniken wie das Brainstorming, das Clustering oder Übungen mit fokussiertem Freewriting an (vgl. auch den Beitrag von Lahm in diesem Band). Wird in der Mentoratsgruppe mit einem (teil-)öffentlichen Blog oder Forum gearbeitet, können an dieser Stelle ausgewählte Positionen zur Diskussion gestellt und mit gezielten Feedbackfragen Empfehlungen und Ratschläge von Peers und Experten eingeholt werden.

      ▸Alternative: Welche Handlungsoptionen gibt es mit Blick auf eine bestimmte Aufgabe oder ein zu lösendes Problem? Wie könnte ich mich in der zuvor analysierten Situation künftig verhalten? Welches Vorgehen verspricht am meisten Erfolg? Wie lassen sich die Bedingungen modifizieren, um bessere Voraussetzungen und Ergebnisse zu schaffen?

      ▸Absicht: Auch beim nächsten Mal kann ich nicht alles kontrollieren und richtig machen. Sinnvoll ist es deshalb, eine Absicht zu formulieren und festzulegen, wo ich ansetzen und welches Teilziel ich vorrangig anstreben möchte.

      ▸Planung: Die besten Vorsätze und Absichten helfen wenig, wenn die Umsetzung nicht sorgfältig geplant wird. Was muss ich dem Zufall überlassen, und wo kann ich durch gewissenhafte Vorbereitung das Geschehen in die richtigen Bahnen lenken? Wie kann ich mich vorbereiten oder gezielt Unterstützung holen? Wie sieht mein Worst-Case-Szenario aus? Habe ich einen Plan B, falls die Sache aus dem Ruder läuft? Möchte ich beim nächsten Mal zuerst Feedbacks einholen oder mit Rückfragen an den letzten Anlass anknüpfen?

      Für die Umsetzung von Reflexion sind verschiedene Formen möglich und sinnvoll. Die oben skizzierte Reflexionstriade kann in unterschiedlichen Settings eingesetzt werden und eignet sich sowohl für mündliche als auch für schriftliche Reflexionsarbeiten.

      In der Lehrerinnen- und Lehrerbildung werden Studierende oft zur mündlichen Reflexion aufgefordert. Die mündliche Umsetzung der Reflexion ist flexibel und weniger zeitaufwendig als die schriftliche, jedoch auch vergänglich, da weder vorbereitende Überlegungen noch die Ergebnisse der Reflexion festgehalten werden. Die mündliche Reflexion findet zumeist im Rahmen eines Gesprächs mit Peers, Dozierenden oder Praxislehrpersonen statt, die die Reflexion anleiten oder unterstützen können. Die beiden Aspekte machen für Emery den Vorteil der mündlichen Reflexion aus: »Oral dialogue may be preferable and equally effective for some teachers to the often time-consuming

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