Kommunikationswissenschaftliches Arbeiten. Petra Herczeg

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kommunikationswissenschaftliches Arbeiten - Petra Herczeg страница 10

Автор:
Серия:
Издательство:
Kommunikationswissenschaftliches Arbeiten - Petra Herczeg

Скачать книгу

die Erfahrung. Sinneserfahrung und Beobachtung gelten als Erkenntnisquelle. Im Rationalismus ist die „Ratio“, sind das Denken und die Vernunft die einzige oder wichtigste Erkenntnisquelle. Aus diesen Zugängen leiten sich auch die „klassischen Vorgänge“ für die Begründung und Überprüfung von Hypothesen/Theorien ab: die axiomatische Wissenschaft und die empirische Wissenschaft.

      Die axiomatische Wissenschaft folgt dem Konzept einer nicht-empirischen (erfahrungsunabhängigen) Begründung der wissenschaftlichen Erkenntnis (v. a. in Mathematik und Naturwissenschaft), die Erkenntnis folgt aus logischen Folgerungen, dies erfordert formale Logik. Der zentrale Begriff der formalen Logik ist dabei die logische Folgerung (Deduktion). In der axiomatischen Theorie gibt es eine Liste von Axiomen, das sind grundlegende Annahmen der Theorie über den jeweiligen Geltungsbereich. Aus diesen Axiomen können alle anderen Aussagen der Theorie als logische Deduktion abgeleitet werden. Diese Aussagen sind Theoreme. Die Gültigkeit der Theoreme ist sichergestellt, vorausgesetzt, die Axiome sind korrekt. Die Verifikation der Axiome erfolgt nicht durch formallogische Vorgänge, sondern durch die Berufung auf unmittelbare Evidenz oder auf Erfahrung und Experiment. Das (große) Problem dabei ist: Axiome sind letztlich Basissätze, die nur per Konsens, damit letztlich dogmatisch begründet werden (aber weder induktiv noch deduktiv). Die empirische Wissenschaft folgt dem Modell einer empirischen Begründung und Überprüfung von wissenschaftlichen Theorien. Die Zuschreibung von Wahrheitswerten zu den Axiomen einer wissenschaftlichen Theorie erfolgt auf empirischer Basis, also auf Grundlage von Beobachtungen, Messungen, Experimenten, die Axiome sollen durch Induktion begründet werden, also durch eine induktive Verallgemeinerung von empirischen Befunden (vgl. Lauth & Sareiter, 2005, S. 18–20).

      Beide Strömungen haben zahlreiche Befürworter und Kritiker gefunden, die Diskussion wurde im 20. Jahrhundert noch durch eine große Frage erweitert: Sind naturwissenschaftliche Methodenideale auf die Methoden der Sozialwissenschaften übertragbar? Können absolute, unbeeinflusste Fragen gestellt und derartige Aussagen getroffen werden? Dabei geht es im Kern um den Einfluss von Werten, [33] d. h. von persönlichen Meinungen, politischen Anschauungen etc., auf die wissenschaftliche Arbeit. Daraus entwickelten sich wirkungsmächtige Diskurse: der sog. Positivismusstreit und die Werturteilsproblematik.

      Der Positivismusstreit wird den beiden damals wie heute herausragenden Theoretikern Theodor W. Adorno und Karl Popper zugeschrieben, schreibt sich de facto aber bereits seit über hundert Jahren durch die sozialwissenschaftliche Debatte fort. In dieser Auseinandersetzung, die zwischen Karl Popper, Vertreter des Kritischen Rationalismus, und Theodor W. Adorno, Vertreter der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule, in den 1960er-Jahren ausgetragen wurde, ging es um die Zielsetzungen und das Methodenverständnis der Sozialwissenschaften. Für Popper hatte die Theorie zwar einen wichtigen Stellenwert, aber er war der Meinung, dass mit den Methoden der Naturwissenschaften gesellschaftliche Probleme untersucht werden können, um Problemlösungen zu finden. Adorno plädierte für die Veränderung der gesamten gesellschaftlichen Verhältnisse („Totalität der Gesellschaft“), denn jede Beobachtung der Gesellschaft sei von der Forscherperspektive beeinflusst. Auch Popper war klar, dass werturteilsfreie Wissenschaft nicht möglich ist, da Forscher nicht unvoreingenommen sind, aber durch das Falsifikationsprinzip könnten – so Popper – bestehende Ergebnisse immer wieder in Frage gestellt und es könnte somit die Wirklichkeit/Realität besser verstanden werden.

      Bei der Werturteilsproblematik, einer Diskussion, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland intensiv geführt wurde, ging es darum, inwieweit persönliche Wertvorstellungen und politische Einstellungen die wissenschaftliche Arbeit beeinflussen. Max Weber versuchte zwischen Tatsachen und Werturteilen zu unterscheiden, also zwischen Erfahrungswissen und Werturteil. Eine Tatsachenbehauptung „vermag niemanden zu lehren, was er soll, sondern nur, was er kann und – unter Umständen – was er will“ (Weber, 1968, S. 6) und ist in diesem Sinne objektiv und wertfrei. Werturteile sind Aussagen, sind Soll-Sätze, die objektiv nicht begründbar sind, wie bspw.: Eine Sozialwissenschaftlerin sollte sich nicht an Spekulationen beteiligen.

      In den Sozialwissenschaften werden zwei Positionen vertreten. Die eine, die mit Max Weber und auch Vertretern des Kritischen Rationalismus wie Karl Popper zu verbinden ist, tritt für das Postulat der Wertfreiheit ein. Die Vertreter der Kritischen Theorie, wie Theodor W. Adorno oder Jürgen Habermas, lehnen das Wertfreiheitspostulat ab, denn eine Kritik an der Gesellschaft sei ohne die Vermischung von Wert- und Sachaussagen grundsätzlich nicht möglich (vgl. Opp, 2014). Das Wertfreiheitspostulat [34] von Opp lautet, dass ein Wissenschaftler deutlich machen soll, „welche Äußerungen Wertungen und welche seiner Äußerungen objektsprachliche, d. h. Sachaussagen sind“ (Opp, 2014, S. 242). In der Frage der Werturteilsproblematik ist wesentlich – so wie auch Opp (2014) argumentiert –, dass Sachaussagen und Werturteile voneinander zu trennen sind und dass es natürlich nicht möglich ist, dass Wissenschaft völlig frei von Werten ist.

      Steininger und Hummel (2015, S. 38) systematisieren die Fragen der Wissenschaftstheorie in der Kommunikationswissenschaft und formulieren diesbezüglich folgende Einzelfragen, die leicht adaptiert so lauten:

      •Welche Ziele gibt es?

      •Wie wird Erkenntnis gewonnen?

      •Welche Methoden können angewandt werden?

      •Welche Merkmale und Voraussetzungen liegen vor?

      •Wie wird Erkenntnis überprüft?

      •Wie wird Erkenntnis systematisiert?

      Daraus ableitend folgern die beiden Autoren, dass es notwendig sei, sich mit der Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsforschung (Wissenschaftssoziologie) der Kommunikationswissenschaft zu befassen, und sie verweisen darauf, dass es eben „keine allumfassende wissenschaftstheoretische Theorie [gibt], die wir in Stellung bringen, es ist vielmehr ein Überblick über die Probleme des Erkennens und der Wissenschaft, der uns als Hintergrundfolie dient“ (Steininger & Hummel, 2015, S. 39–40).

      Dennoch ist einer der wissenschaftstheoretischen Zugänge, der sich in der Kommunikationswissenschaft vor allem etabliert hat, der Kritische Rationalismus. „Theorien dürfen im Kritischen Rationalismus durchaus spekulativ sein, aber sie müssen sich an der empirischen Wirklichkeit messen lassen und dürfen nicht einfach ohne methodisch systematische Empirie diskutiert werden, sollen sie einen wissenschaftlichen Wert haben und über ihren spekulativen Charakter hinausweisen (vgl. Popper, 1995, S. 120)“ (Scholl, 2016, S. 92). Der Kritische Rationalismus ist der Rationalität verpflichtet und die vorläufige Bewährung oder Falsifikation von theoriegeleiteten Annahmen ist durch die Methode bedingt. Karl Popper gilt als Begründer des Kritischen Rationalismus, der von dem Modell des Falsifikationismus ausgeht. Dieses Modell besagt, dass es nicht um eine „kontinuierliche Anhäufung von Tatsachen und Gesetzen [geht], sondern durch die [35] Ersetzung schlechter Hypothesen durch bessere nähern wir uns nach Poppers ‚Logik der Forschung‘ der Wahrheit“ (Fischer, 1995, S. 232) an.

      Poppers Logik der Forschung (1973) zählt zu den wichtigsten wissenschaftstheoretischen Arbeiten des 20. Jahrhunderts. Der Kritische Rationalismus lässt sich als eine Philosophie beschreiben, „die das menschliche Mitwissen betont, die Fehlbarkeit in der menschlichen Erkenntnis. […] Er [Popper] sah es als das Ziel der Wissenschaft an, zu immer besseren Theorien zu gelangen, die der Wahrheit immer näher kommen, die immer zutreffendere Darstellungen der objektiven Realität geben.“ (Gadenne, 2013, S. 125) Das Kernstück des Kritischen Rationalismus ist die Konzeption der Kritik. Ausgangspunkt jeglicher Forschung ist die problemorientierte Erkenntnissuche.

      Wissenschaft ist die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis. Theorien sind dabei „das Netz, das wir auswerfen, um ‚die Welt‘ einzufangen“ (Popper, 1973, S. 31). Um Theorien empirisch überprüfen

Скачать книгу