Sisis schöne Leichen. Thomas Brezina
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Читать онлайн книгу Sisis schöne Leichen - Thomas Brezina страница 15
Ida konnte sich nicht vorstellen, wie das möglich sein sollte. »Nach einem Brand haben die Flammen das Opfer doch völlig unkenntlich gemacht?«
»Diese Frage habe ich Ernstl auch gestellt. Er erwähnte Knochenbrüche und den Zustand der Zähne. Besteht ein Verdacht, um wen es sich bei der Leiche handeln könnte, werden die Hinterbliebenen befragt, ob der Verwandte sich Knochen gebrochen hat und wie es um seine Zähne bestellt war. Ihre Aussagen vergleicht man dann mit der Leiche.«
Ida war fasziniert von dem, was sie von Amalie erfuhr. Trotzdem war sie noch nicht überzeugt. »Der Arzt, der den Totenschein für Alfred Oberland ausgestellt hat, wird die Leiche doch untersucht haben. Er müsste wissen, dass der Bienenstich nicht die Todesursache sein konnte.«
Amalie trank den Rest ihres Kaffees und schnalzte mit der Zunge. »Der Arzt hat bloß das Offensichtliche gesehen. Ein plötzlicher Tod in der Nähe von Bienen. Also ziemlich sicher ein tödlicher Bienenstich. Oder ein Herztod. Der Verstorbene war weder eine hohe Persönlichkeit noch sonderlich reich, also vermutet niemand einen Mord. Wieso auch?«
»Er war Lehrer des Kronprinzen und hat in der Hofbibliothek gearbeitet.«
»Eben. Weder sehr wichtig noch sehr einträglich.« Amalie klopfte mit der Tasse auf den Tisch und rief Peter zu, mehr Kaffee zu kochen.
Ida nahm ein Spitzentuch aus ihrem kleinen Beutel und tupfte sich die Lippen ab. Sie dachte an das Päckchen, um dessen Schutz Oberland die Kaiserin bitten wollte. Hatte er damals schon Angst um sein Leben gehabt? Ida fühlte sich noch immer schuldig, weil sie ihn abgewiesen hatte. »Wie kann man…«, begann sie zögerlich. »Wie kann man jemanden ermorden, ohne eine Spur zu hinterlassen?«
»Gift!« Amalie sagte es, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.
»Gift löst Krämpfe aus«, widersprach Ida. »Gift bringt schreckliche Leiden. Über Giftmorde ist in den Zeitungen zu lesen und immer wird erwähnt, welchen fürchterlichen Todeskampf das Opfer durchmachen musste.«
»Ernstl hat einmal bei einem Familienessen erzählt, die feinste Art jemanden zu ermorden, sei Gift. Das Opfer riecht und schmeckt nichts. Es ist ein schneller und leiser Tod.«
»Und so etwas gibt es?«, fragte Ida mit einem Anflug von Angst in der Stimme.
Amalie nickte bloß.
Die Fechtstunde war für halb sechs Uhr früh angesetzt.
Fanny Feifalik hatte Elisabeths Haare geflochten, aufgesteckt und noch im Toilettezimmer unter dem Fechthelm verstaut. Die Kleiderzofen hatten der Kaiserin in die Kniehose und das Oberteil geholfen. Es wurde hinten geschnürt wie ein Mieder. Die enganliegende Hose hatte Verschlüsse an der Seite, die nur in Gemeinschaftsarbeit von den Zofen geschlossen werden konnten. Sie wussten, dass die Kaiserin größten Wert darauf legte, ihre schlanke Figur auch in der Sportkleidung zu betonen.
Ihr Gegner beim Fechten hieß Pierre, stammte aus Frankreich und war ein Meister seines Faches. Als sie die Fechthalle im Erdgeschoss des Schlosses betrat, wartete Pierre bereits auf sie. Er trug einen Helm und sein Gesicht war hinter dem feinen, dunklen Gitter verborgen.
Elisabeth kannte weder seine Haarfarbe noch die Form seiner Nase. Ihr wurde ein Degen gereicht. Sie legte die linke Hand in die Seite, streckte die Waffe vor und ging in Stellung. Pierre tat es ihr gleich.
Elisabeth verglich ihn im Stillen mit einem Wiesel, weil er sich so schnell vor- und zurückbewegen konnte. Es war ihm verboten, sie zu belehren. Er durfte nur ihre Fragen zu Schritten und Armbewegungen beantworten.
Der Übungskampf dauerte fast eine Stunde. Elisabeth genoss Pierres Ermüdungserscheinungen. Sie gönnte sich selbst und ihm keine Pausen. Nach einem Treffer ging es sofort weiter.
An diesem Morgen war Elisabeth nicht ganz bei der Sache. Ihre Gedanken schweiften zu Ida und Latour, von denen sie in Kürze Bericht erhalten würde. Aus diesem Grund verlief die Stunde für sie nicht so erfolgreich wie sonst. Auch wenn sie nicht zählten, wusste sie, dass Pierre sie diesmal haushoch geschlagen hatte.
Schließlich nickte sie ihm zu und verließ den Saal. Im Appartement im oberen Stockwerk stand schon eine Wanne mit eiskaltem Wasser für sie bereit. Sie wurde jeden Tag in das Toilettezimmer gebracht, wo Elisabeth ihre Körperpflege verrichtete. Die Kleiderzofen zeigten ihr verschiedene Kleider und die Kaiserin entschied sich für eines aus dunkelgrünem, gekrepptem Stoff mit beigen Spitzen und langer Schleppe.
Später würde sie eine Irrenanstalt besuchen. Ihr war angekündigt worden, dass sie dort eine Vorführung von Hypnose bekommen sollte, die neuerdings zur Heilung der Geisteskranken eingesetzt wurde.
Das Frühstück wurde Elisabeth auf einem Silbertablett in den Salon serviert und bestand aus einem Glas Orangensaft. Sie blieb allein, da der Kaiser schon gefrühstückt hatte. Elisabeth sah ihm derzeit nicht gerne zu, wenn er drei Stück Gugelhupf mit Milchkaffee zu sich nahm. Sie hatte Gusto auf Mehlspeisen, aber die Waage zeigte noch immer mehr als 51 Kilogramm. Sie fühlte sich zu schwer und wollte weiter fasten.
Von draußen waren die sieben Schläge der Kirchturmuhr zu hören, als Ida nach kurzem Anklopfen eintrat. Argwöhnisch fiel ihr Blick auf Fanny Feifalik, die Elisabeths Haare bürstete und hochsteckte. Doch die Kaiserin machte keine Anstalten, die Friseuse hinauszuschicken.
»Was hast du in Erfahrung gebracht?«, wollte Elisabeth wissen. Sie bemerkte Idas Zögern.
»Die Fanny kann ruhig mithören«, sagte Elisabeth. So ganz schien das Ida nicht zu gefallen, doch Elisabeth kümmerte sich nicht darum. »Erzähle vom Treffen mit der Photographin.«
Hinter sich spürte Elisabeth, wie Fanny gekonnt die Finger durch ihre Haare gleiten ließ, sie anhob und senke. Sie spielte mit ihnen, als wären sie Wasser, und massierte dabei sanft die Kopfhaut. Ida redete langsam, weil sie kein Detail auslassen wollte.
Während Ida berichtete, begann Fanny mit den Bürstenstrichen, die zuerst vom Scheitel bis in den Nacken gingen. Dann vom Scheitel bis auf die Höhe der Schulterblätter. Schließlich zog sie die Bürste vom Kopf bis zu den Haarspitzen, die auf dem Boden lagen. Sie musste dazu jedes Mal in die Knie gehen. Auf Elisabeth wirkte es, als würde Fanny hinter ihrem Rücken Turnübungen machen.
Als Ida von dem Gift erzählte, das Amalie erwähnt hatte, gebot die Kaiserin der Friseuse mit einer energischen Handbewegung, das Bürsten zu unterbrechen. »Gift, das man weder riecht, noch schmeckt, das tötet und das den Tod natürlich aussehen lässt?« Elisabeth hatte davon noch nie gehört.
»So ist es, Majestät.«
»Kannst du glauben, dass Oberland ermordet wurde?«
»Es scheint keinen Grund zu geben, wieso ein Lehrer und Bibliothekar ermordet wird. Wäre da nicht das Päckchen, das er euch geben wollte…«
»Hat Latour in Erfahrung