Sisis schöne Leichen. Thomas Brezina
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Читать онлайн книгу Sisis schöne Leichen - Thomas Brezina страница 16
Fanny Feifalik hüstelte.
»Was ist denn?«, fragte Elisabeth ungehaltener als beabsichtigt. »Ich meine, was gibt es denn, Fanny?«
»Darf ich das Bürsten fortsetzen, Majestät? Die Kutsche wartet um elf Uhr. Ich habe für den heutigen Besuch eine besondere Frisur im Sinn, die ihre Zeit braucht.«
»Mach weiter.« Elisabeth wandte sich wieder Ida zu. »Mir will nicht aus dem Sinn, dass Oberland dachte, nur ich könnte den Inhalt des Päckchens beschützen. Wieso hat er es nicht Latour anvertraut? Er ist sein Vorgesetzter, sehr vertrauenswürdig und ein Oberst.«
»Der Inhalt muss von besonderem Wert sein.«
»Was soll ein Mann wie Oberland besitzen? Er verdient weniger als Fanny. Die hat das Gehalt eines Universitätsprofessors.«
Elisabeth wusste das so genau, weil sie der Kaiser mehrfach in anklagendem Tonfall daran erinnert hatte. Aber Elisabeth hatte Fanny unbedingt vom Burgtheater abwerben wollen, wo ihr die kunstvollen Frisuren der Hauptdarstellerin aufgefallen waren. Sie mochte Fanny von der ersten Begegnung an. Nicht nur ihr Talent war Grund dafür. Fanny wies auch eine ausgesprochene Ähnlichkeit zu Elisabeth auf. Sie besaß so langes Haar wie die Kaiserin, die gleiche Größe und eine Taille, so schmal wie ihre.
»Fanny, was ist das Kostbarste, das du dir jemals geleistet hast?«, wollte Elisabeth wissen.
Nach kurzem Nachdenken nannte Fanny eine Haarspange mit drei kleinen Rubinen, die sie nur an hohen Feiertagen trug.
»Was konnte Oberland Kostbares besessen haben?« Elisabeth ließ den letzten Rest Orangensaft im Glas kreisen. »Wenn es nur irgendwie gelänge, dieses Päckchen zu finden.«
»Oberland hat es leider wieder mitgenommen«, sagte Ida mit Bedauern.
Fanny hüstelte erneut.
»Was jetzt?« Die Kaiserin wurde an diesem Tag immer gereizter.
»Darf ich wissen, um welches Päckchen es sich handelt?«
Elisabeth deutete Ida, es zu beschreiben.
»Es hatte die Größe eines kleinen Buches und war in graues Papier eingewickelt. Zugebunden war es mit Spagat.«
Fanny unterbrach das Bürsten und ließ die Arme sinken.
»Mach weiter«, drängte Elisabeth.
»Hatte das Päckchen ein Siegel? Ein grünliches Siegel, um die Verschnürung zu fixieren?«
»Ja«, sagte Ida, die sich nun, da Fanny es erwähnte, daran erinnerte. »So ein Siegel konnte ich erkennen.«
Elisabeth drehte sich ruckartig um. »Wo ist es?«, wollte sie wissen.
»Am Tag, an dem Majestät Migräne hatte, bin ich am Nachmittag in das Gartenappartement gekommen, um zu sehen, ob die Zöpfe auch hoch genug gelagert waren.«
»Und da hast du das Päckchen gesehen?«
»Ich bin recht sicher. Etwas lag auf dem Tisch neben der Tür zum Salon. Ich erinnere mich auch an eine Karte, die unter die Schnur gesteckt worden war. Was darauf stand, konnte ich nur im Vorbeigehen lesen.«
»Was war es?«, fragte Ida.
»Etwas von …zu Ihren Handen!«
»Zu meinen Handen?«, wiederholte Elisabeth. »Oberland muss das Päckchen zurückgebracht und auf die Etagere gelegt haben.«
Ida raffte die Schleppe ihres Rocks und eilte durch die Räume von Elisabeths Appartement ins Schreibzimmer. Sie bevorzugte die breiten Treppen des Schlosses, die viel besser für diese Kleider geeignet waren, aber der Weg über die Wendeltreppe zum Gartenappartement war kürzer.
Die Etagere war ein Halbmondtisch aus grünem Marmor mit einem vergoldeten Fuß, der zwei Delfine darstellte. Ihre Schnauzen stützten den Tisch.
Der Tisch war leer. Ida suchte den gesamten Vorraum ab, blickte unter die Kommode und hinter den Sessel beim Eingang. Sie suchte auch im Salon an allen Orten, wo das Päckchen vielleicht von einem Bediensteten hingelegt worden sein konnte. Doch das Paket blieb verschwunden.
Hatte sich die Feifalik geirrt?
Ida kehrte mit leeren Händen nach oben zurück.
»Ich erinnere mich genau«, sagte Fanny entschuldigend. »Aber etwas kam mir seltsam vor… Als ich im Vorraum gestanden bin, hatte ich das Gefühl, als würde mich jemand durch das Fenster beobachten. Ich konnte seine Augen in meinem Rücken spüren.«
»Und? Wer war es?«, wollte Ida wissen.
Die Friseuse zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht nachgesehen.«
Doch Ida kam eine Vermutung. Bestimmt hatte sich Oberland versteckt und abgewartet, ob die Kaiserin das Päckchen entdecken würde.
Als er gesehen hatte, wie Fanny Feifalik sein wertvolles Paket beinahe mitnahm, hatte er es sich anders überlegt und das Päckchen wieder an sich genommen.
Nur wo hatte er es hingebracht?
Marie war für Rudolfs Zimmer zuständig. Gemeinsam mit anderen Bediensteten machte sie sein Bett und brachte Ordnung in die Schränke des Kronprinzen. Sie war stets gut gelaunt und fröhlich.
Doch als die mütterliche Frau an diesem Tag in Latours Arbeitszimmer gestürmt kam und keuchend vor seinem Schreibtisch stehen blieb, war davon nichts zu sehen. Während sie nach Atem rang, zog sie die weiße Schürze hoch, beugte sich vor und wischte sich damit den Schweiß vom runden Gesicht.
»Was ist geschehen, Marie?«, wollte Latour wissen.
Marie hatte rote Flecken im Gesicht und am Hals, was bei ihr immer ein Zeichen höchster Aufregung war.
»Der Kronprinz… er ist nicht zu seinem Unterricht erschienen und wir können ihn nicht finden! Wir haben schon überall nach ihm gesucht. Ist er bei Ihnen?«
Latour sprang so heftig auf, dass der Schreibtischsessel gegen die Wand krachte.
»Wieso kommen Sie erst jetzt?«
»Ich dachte zuerst, es ist nur ein Spiel. Er ist aber weder in seinem Schlafzimmer noch in den Audienzräumen.«
»Vielleicht ist er zu seiner Mutter oder in den Garten gegangen.« Latour lief durch die Landschaftszimmer in das angrenzende Schlafzimmer des Kronprinzen. Marie folgte ihm schnaufend.
»Er war heute so vergnügt und ist auf seinem Steckenpferd herumgeritten«, erzählte sie.
Zwei Dienstmädchen waren mit dem Überziehen des Bettes beschäftigt. Marie deutete auf sie. »Ich habe den Mädchen aufgetragen, das Bett der kaiserlichen Hoheit nicht nur aufzuschütteln, sondern