Verändere dein Bewusstsein. Michael Pollan

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Verändere dein Bewusstsein - Michael Pollan

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Magic Mushrooms aus. Ein Freund hatte mir ein Einmachglas voll getrockneter, knubbeliger Psilocybes geschenkt, und bei ein paar unvergesslichen Gelegenheiten schluckten meine Freundin (und heutige Frau) Judith und ich zwei oder drei Stück, ließen eine kurze Welle der Übelkeit über uns ergehen und verbrachten dann vier, fünf interessante Stunden zusammen, die uns vorkamen wie eine wunderbar verschnörkelte Version der vertrauten Realität.

      Psychedelikfans würden das wahrscheinlich als niederdosiges «ästhetisches Erlebnis» einstufen und nicht als vollendeten ichauflösenden Trip. Wir verabschiedeten uns jedenfalls nicht aus dem bekannten Universum und machten auch keine Erfahrung, die man als mystisch bezeichnen könnte. Aber es war wirklich interessant. Ganz besonders erinnere ich mich an die übernatürliche Lebhaftigkeit des Grüns im Wald und die Samtigkeit der hellgrünen Farne. Ich verspürte den starken Drang, splitternackt im Freien zu sein, möglichst weit weg von allem, was aus Metall oder Plastik war. Da wir allein auf dem Land waren, war all das machbar. Von einem weiteren Trip an einem Samstag im Riverside Park in Manhattan weiß ich nur noch, dass er bei Weitem nicht so angenehm und unbefangen verlief und wir zu viel Zeit dafür aufwendeten, uns zu fragen, ob die anderen Leute merkten, dass wir unter Drogen standen.

      Damals wusste ich noch nicht, dass der Unterschied zwischen diesen beiden Erfahrungen mit derselben Droge etwas Wichtiges und Spezielles über Psychedelika zeigte: den entscheidenden Einfluss von «Set» und «Setting». Set ist die Einstellung oder Erwartung, die man mitbringt, und Setting die Umgebung, in der die Erfahrung stattfindet. Im Gegensatz zu anderen Drogen haben Psychedelika selten zweimal die gleiche Wirkung, da sie nur verstärken, was schon im Kopf und außerhalb vorgeht.

      Nach diesen beiden kurzen Trips stand das Pilzglas jahrelang unangetastet in unserer Speisekammer. Der Gedanke, einen ganzen Tag psychedelischer Erfahrung zu widmen, war inzwischen unvorstellbar. Wir arbeiteten zielstrebig an unseren Karrieren, und die Unmengen an Freizeit, die das College (oder die Arbeitslosigkeit) gewährt, waren nur noch eine Erinnerung. Inzwischen war eine ganz andere Droge verfügbar, die sich viel leichter in das Gefüge einer Manhattan-Karriere einbauen ließ: Kokain. Das schneeweiße Pulver ließ die verschrumpelten braunen Pilze schäbig, unberechenbar und zu anspruchsvoll erscheinen. Als wir an einem Wochenende die Küchenschränke reinigten, stießen wir auf das vergessene Glas und warfen es zusammen mit den aufgebrauchten Gewürzen und abgelaufenen Lebensmitteln in den Müll.

      Dreißig Jahre später wünschte ich, ich hätte das nicht getan. Ich würde viel dafür geben, jetzt ein Einmachglas voll Magic Mushrooms zu haben. Inzwischen frage ich mich, ob diese bemerkenswerten Moleküle an junge Leute vielleicht verschwendet sind und uns später im Leben, wenn der Beton unserer geistigen Gewohnheiten und unseres Alltagsverhaltens ausgehärtet ist, mehr zu bieten haben. C. G. Jung hat mal geschrieben, es seien nicht die jungen Leute, sondern Menschen in mittlerem Alter, die eine «Erfahrung des Numinosen» zur Bewältigung der zweiten Hälfte ihres Lebens benötigen.

      Als ich wohlbehalten in meinen Fünfzigern angelangt war, schien das Leben in geordneten, bequemen Bahnen zu verlaufen: eine lange, glückliche Ehe und eine ebenso lange befriedigende Karriere. Wie wir alle hatte ich eine Reihe ziemlich verlässlicher Algorithmen entwickelt, um mich, ob zu Hause oder auf der Arbeit, durchs Leben zu navigieren. Vermisste ich irgendwas? Mir fiel nichts ein – das heißt, bis ich von der neuen Forschung über Psychedelika erfuhr und mich fragte, ob ich das Potenzial dieser Substanzen als Mittel zum Verständnis und zur Veränderung des Bewusstseins vielleicht nicht erkannt hatte.

      Die folgenden drei Punkte überzeugten mich davon, dass es sich so verhielt:

      Im Frühling 20105 erschien in der New York Times eine Titelstory mit der Überschrift «Ärzte wenden sich wieder Halluzinogenen zu». Dort wurde berichtet, dass Forscher einigen Krebspatienten im Endstadium große Dosen Psilocybin – der Wirkstoff in Magic Mushrooms – verabreicht hatten, damit sie im Angesicht des Todes mit ihrer «existenziellen Not» fertig wurden.

      Diese Experimente, die gleichzeitig an der Johns Hopkins, der UCLA und der New York University stattfanden, klangen nicht nur unwahrscheinlich, sondern verrückt. Konfrontiert mit einer Todesdiagnose, wäre das Allerletzte, was ich tun wollte, psychedelische Drogen einzunehmen – d. h. die Kontrolle über mein Denken aufzugeben und dann in diesem psychisch verletzlichen Zustand direkt in den Abgrund zu starren. Doch viele der Versuchspersonen berichteten, dass sie im Verlauf einer einzigen begleiteten psychedelischen «Reise» ihre Sichtweise auf ihren Krebs und die Aussicht zu sterben überdacht hätten. Mehrere von ihnen sagten, sie hätten die Angst vor dem Tod völlig verloren. Die Gründe, die für diese Veränderung angeführt wurden, waren faszinierend, aber schwer nachvollziehbar. «Menschen transzendieren die primäre Identifikation mit ihrem Körper, erleben einen ichfreien Zustand», wurde einer der Forscher zitiert. Sie «kehren mit einer neuen Perspektive und tief greifender Akzeptanz zurück».

      Ich heftete den Artikel ab, bis Judith und ich ein, zwei Jahre später eine Dinnerparty in einem großen Haus in den Berkeley Hills besuchten und mit einem Dutzend Leuten an einem langen Tisch saßen, an dessen anderem Ende eine Frau über ihre LSD-Trips zu sprechen begann. Sie schien ungefähr in meinem Alter zu sein und war, wie ich erfuhr, eine bekannte Psychologin. Ich war anfangs in ein anderes Gespräch vertieft, aber sobald die Phoneme L-S-D herüberdrangen, musste ich (buchstäblich) die Hand ans Ohr legen und versuchen mich einzuschalten.

      Zuerst dachte ich, sie krame eine aufpolierte Anekdote aus ihrer Collegezeit hervor. Aber dem war nicht so. Schon bald wurde klar, dass der fragliche LSD-Trip erst wenige Tage oder Wochen zuvor stattgefunden hatte und tatsächlich einer ihrer ersten war. Die Stirnen der Versammelten kräuselten sich. Sie und ihr Mann, ein pensionierter Software-Entwickler, hatten den gelegentlichen Gebrauch von LSD geistig stimulierend gefunden und betrachteten ihn als wertvoll für ihre Arbeit. Insbesondere hatte die Psychologin das Gefühl, LSD verschaffe ihr ein Verständnis davon, wie kleine Kinder die Welt sehen. Die Wahrnehmungen von Kindern würden nicht durch Erwartungen und Konventionen im Dort-gewesen-das-getan-Stil der Erwachsenen vermittelt; als Erwachsene, erklärte sie, nähmen wir die Welt nicht einfach auf, wie sie sei, sondern stellten fundierte Vermutungen darüber an. Sich auf diese Vermutungen, die auf früheren Erfahrungen beruhen, zu verlassen, erspart dem Geist Zeit und Energie, zum Beispiel wenn er herauszufinden versucht, was dieses fraktale Muster aus grünen Punkten in seinem Blickfeld sein könnte. (Wahrscheinlich die Blätter an einem Baum.) LSD scheine solche konventionalisierten, vereinfachenden Wahrnehmungsweisen außer Kraft zu setzen und unserer Erfahrung der Realität eine kindliche Unmittelbarkeit und Unbefangenheit zurückzugeben, als würden wir alles zum ersten Mal sehen. (Blätter!)

      Ich meldete mich zu Wort, um zu fragen, ob sie vorhabe, darüber zu schreiben, woraufhin sich die gesamte Aufmerksamkeit am Tisch mir zuwandte. Sie lachte und warf mir einen Blick zu, der offenbar sagte: Wie naiv kann man denn sein? LSD ist eine Schedule-One-Substanz, das heißt, der Staat betrachtet es als Rauschmittel ohne anerkannten medizinischen Nutzen. Natürlich wäre es für jemanden in ihrer Position töricht, in gedruckter Form anzudeuten, dass Psychedelika irgendetwas zu Philosophie oder Psychologie beisteuern, dass sie für die Erforschung der Rätsel des menschlichen Bewusstseins wirklich ein wertvolles Hilfsmittel sein könnten. Die seriöse Forschung über Psychedelika war vor ungefähr fünfzig Jahren, kurz nachdem Timothy Learys Harvard Psilocybin Project 1963 die Segel strich, aus den Universitäten verbannt worden. Anscheinend war nicht einmal Berkeley bereit, sich wieder damit zu beschäftigen, zumindest noch nicht.

      Dritter Punkt: Das Tischgespräch rief mir vage ins Gedächtnis, dass mir vor ein paar Jahren jemand per E-Mail eine wissenschaftliche Arbeit über Psilocybin-Forschung geschickt hatte. Da ich damals mit etwas anderem beschäftigt gewesen war, hatte ich den Anhang nicht mal geöffnet, doch eine Schnellsuche mit dem Begriff «Psilocybin» fischte die Arbeit sofort aus dem virtuellen Stapel abgelegter E-Mails in meinem Computer. Die Arbeit war mir von Bob Jesse, einem der Co-Autoren, zugeschickt worden, dessen Name mir nichts sagte; vielleicht hatte er etwas gelesen, das ich über psychoaktive Pflanzen geschrieben hatte, und dachte, ich könnte daran interessiert sein. Der Artikel, den

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