Land des Geldes. Oliver Bullough

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Land des Geldes - Oliver Bullough

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Nevis auftauchen.

      Navinder Sarao, der britische Börsenhändler, der den Flash Crash des Jahres 2016 verursachte (damals stürzte der Dow Jones innerhalb weniger Minuten um 600 Punkte ab, weil Sarao falsche Verkaufsaufträge aufgab und damit kurzfristig Kursverluste in Billionenhöhe verursachte), überwies seine Gewinne an zwei auf Nevis gemeldete Unternehmen, von denen er einen NAV Sarao Milking Markets Fund (Sarao Marktmelkfonds) nannte. Im größten Betrugsfall der britischen Geschichte verdienten Abzocker 100 Millionen Pfund, indem sie Prominenten Anteile eines nicht existierenden Umweltunternehmens aufschwatzten. Das Geld floss durch Firmen, die auf Nevis registriert waren. »Der Fall zeichnet sich durch seine kriminelle Energie, raffinierte Planung und beispiellose Gier aus«, so der Richter in der Urteilsbegründung Ende 2017. »Die Dauer der Ermittlungen ist allein der Raffinesse und Komplexität des Betrugs geschuldet.«

      An einem Versicherungsbetrug, der 2015 in New York verhandelt wurde, waren auf Nevis firmierende Unternehmen genauso beteiligt wie an einem Börsenschwindel in New Jersey zwei Jahre später. Ein besonders dreister Kredithai, der bis zu 700 Prozent Zinsen kassierte, knöpfte 620.000 sozial schwachen Amerikanern insgesamt 161 Millionen Dollar ab und versteckte sie zeitweilig auf Nevis. »Das vermeintliche Offshore-Unternehmen von Hydra Lenders bestand aus einem Dienst, der Post von Adressen auf Nevis und Neuseeland in ein Büro in Kansas City weiterleitete«, so der Staatsanwalt.

      Wenn Sie auf der Website des Justizministeriums der Vereinigten Staaten das Stichwort »Nevis« eingeben, spuckt diese eine ganze Liste aus. Darunter befindet sich zum Beispiel ein Unternehmen, das nur dazu da war, 250 Millionen Dollar aus Kursmanipulationen der New Yorker Börse zu waschen. Oder ein nigerianischer Unternehmer, der 100 Millionen Dollar hinterzog und sich für 80 Millionen eine Jacht mit dem Namen Galactica Star kaufte; mithilfe von Unternehmen auf Nevis verschleierte er den Besitz seines Privatflugzeugs (zurzeit ist er in Nigeria angeklagt, 1,7 Milliarden Dollar gestohlen zu haben). Oder eine Briefkastenfirma, mit der die Familie des ehemaligen Präsidenten von Taiwan Bestechungsgelder wusch und ein Apartment in Manhattan und eine Villa in Virginia kaufte.

      Die Strafverfolger anderer Länder hängen ihre Erfolge weniger an die große Glocke, doch Nachrichtenarchive berichten von ähnlichen Prozessen in aller Welt. Dank der Akten, die Revolutionäre 2014 aus dem Dnjepr fischten, wissen wir zum Beispiel, dass der ehemalige ukrainische Präsident Janukowytsch Unternehmen auf Nevis verwendete, um zu verschleiern, dass er sich in den Besitz von Kohlegruben des Landes gebracht hatte. Das Geld, das korrupte russische Polizisten aus der Staatskasse gestohlen hatten, landete auf Konten in Litauen, die wiederum einem Unternehmen auf Nevis gehörten; der Rechtsanwalt und Korruptionsbekämpfer Sergei Magnitski, der das Verbrechen aufdeckte, starb später im Gefängnis, weil man ihm ärztliche Behandlung verweigerte. Angehörige des Präsidenten von Aserbaidschan besaßen Mobilfunkanbieter und Goldförderunternehmen zum Teil über Nevis. Kein Wunder, dass Gegner von Emmanuel Macron den französischen Präsidentschaftskandidaten vor den Wahlen des Jahres 2017 in den Schmutz ziehen wollten, indem sie ihm ein Unternehmen auf Nevis andichteten – die Providence LLC, benannt nach der Schule, die er besuchte – und behaupteten, dass er hier Reichtümer hortete. Das war zwar erfunden, wirkte jedoch glaubwürdig, denn korrupte Politiker haben nun mal Briefkastenunternehmen auf Nevis.

      Jack Blum ist erfahrener Korruptionsermittler, der vierzehn Jahre lang Anwalt des Korruptionsausschusses des amerikanischen Senats war und bestens mit der Insel vertraut ist. »Die Direktoren und Beamte haben keine treuhänderische Verantwortung, das Gesetz verlangt nicht einmal die Aufbewahrung minimaler Unterlagen am Unternehmenssitz. Wenn jemand gegen ein auf Nevis registriertes Unternehmen ermittelt und dort hinfährt, dann könnte niemand Auskunft geben, nicht einmal unter Folter«, sagte er mir, als wir uns in seinem Wohnort Annapolis in Maryland zum Kaffee trafen. »Wer da hinfährt, vergeudet nur seine Zeit. Da gibt es nichts zu finden. Gar nichts.«

      Eine der Vorzüge des Daseins als freier Autor ist, dass ich niemandem darüber Rechenschaft ablegen muss, wie ich meine Zeit vergeude. Und weil ich Herausforderungen liebe, flog ich nach Nevis. Vielleicht würde ich ja etwas entdecken, was andere übersehen hatten?

      In drei Stunden ist man von Miami in St. Kitts, und dann braucht man noch einmal zehn Minuten mit dem Taxi vom Flughafen in die Hauptstadt. Basseterre ist ein gemütliches Städtchen, in dem die Nachbarn über die Straße hinweg miteinander plauschen, Hühner auf der Straße picken und Händler Bob-Marley-T-Shirts und geschältes Zuckerrohr an die Kreuzfahrttouristen verkaufen. Von hier geht es mit der Fähre zur Südküste hinunter. Auf dem kurzen Stück zwischen den beiden Inseln rollen die Wellen ungebrochen vom Atlantik heran, sodass das Bootchen kräftig schaukelt, bis man den Schatten von Nevis erreicht.

      Vom Meer aus gesehen ist Nevis ein tropisches Paradies, die Hänge steigen gemächlich aus den Wellen und werden immer steiler, bis sie in den Wolken verschwinden. Es sieht aus, als liege auf dem Gipfel Schnee, weshalb die ersten Spanier die Insel Nuestra Señora de las Nieves (Unsere liebe Frau des Schnees) nannten; die Engländer verballhornten den Namen und machten daraus Nevis.

      Im 18. Jahrhundert nutzten die Briten Nevis als Umschlagplatz für Zucker und Sklaven. Hier kam auch Alexander Hamilton zur Welt, einer der Väter der Verfassung der Vereinigten Staaten, der es hier erstaunlicherweise zu einer Art Popikone gebracht hat. Während des 19. Jahrhunderts gewannen Kolonien mit mehr Einwohnern und besseren Transportverbindungen die Oberhand, und Nevis verlor gegenüber St. Kitts an Bedeutung. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit war Nevis nicht einmal mehr ein verschlafenes Nest, und man muss es Barnard und seinen Offshore-Anwälten hoch anrechnen, dass sie die Insel überhaupt gefunden haben. Nördlich von Charlestown, der Miniaturhauptstadt von Nevis, befindet sich das Luxushotel Four Seasons, das 1990 eröffnet wurde und Nevis zu einem annehmbaren Urlaubsziel für die Superreichen machte. Nicht von ungefähr ist die Schnittmenge zwischen den betuchten Hotelgästen und den Kunden der Vermögensschutzdienstleister groß.

      Für jeden, der sich ein wenig mit den Geschäften der Insel beschäftigt hat, ist ein Rundgang durch Charlestown ein sonderbares Erlebnis, denn hier drängen sich die nominellen Zentralen der an diesen Geschäften beteiligten Firmen. Der Briefkasten des Unternehmens, mit dem die Präsidentenfamilie von Aserbaidschan ihre Beteiligung an den Gold- und Mobilfunkunternehmen des Landes tarnt, befindet sich direkt gegenüber der Anlegestelle der Fähre. Zehn Meter weiter steht das Edith L. Solomon Building, dessen Schriftzug einige Buchstaben abhandengekommen sind: Hier hat ein skandalgebeutelter Kredithai aus Idaho seine Anschrift. In dreißig Meter Entfernung folgt das Büro von Morning Star, nomineller Sitz von Unternehmen, die allein in Großbritannien insgesamt 36 Immobilien besitzen, darunter ein Nobelobjekt im Londoner Stadtteil Mayfair mit Blick auf den Hyde Park. Insgesamt befinden sich mehr als dreihundert Immobilien in England und Wales in Besitz von Unternehmen, die als ihren Sitz eine Adresse in einem fußballplatzgroßen Areal auf Nevis angeben.

      Besonders interessierten mich zwei Unternehmen, die demselben Geflecht angehörten wie zwei Konten in Litauen, mit deren Hilfe einige Milliarden Dollar aus Russland gewaschen worden waren. Journalisten, die die Operation 2014 aufdeckten, gaben ihr den Spitznamen »russischer Waschsalon«. Das Unternehmen gab als seine Anschrift Hamilton Development, Suite B in Charlestown an, genau wie die Nevis International Trust Company (NITC). Aber in der ganzen Stadt schien niemand zu wissen, wo sich dieses Gebäude befand. Daher erkundigte ich mich im Büro der Finanzaufsicht, und die Empfangsdame schickte mich den Berg hinauf.

      So kam es, dass ich mich den Hang des erloschenen Vulkans hinaufschleppte. Die einzige Abwechslung auf dem einstündigen Fußmarsch waren ein paar Affen, die mich neugierig anglotzten. Als ich endlich an dem Ort ankam, den mir die Empfangsdame genannt hatte, hatte niemand eine Ahnung, wovon ich redete. Ich müsse wieder hinunter an die Küste, teilte man mir mit. Hamilton Development befinde sich an der Küstenstraße hinter dem Four Seasons. Aber auch dort hatte ich keinen Erfolg. Eine weitere Empfangsdame war so freundlich, die NITC in den Gelben Seiten nachzuschlagen und anzurufen. Die Angestellte, die ans Telefon ging, weigerte sich, mir die Adresse der NITC zu verraten oder mir Auskunft über die Unternehmen zu geben, nach denen ich sie fragte.

      »Ich

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