Land des Geldes. Oliver Bullough
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Auf der Suche nach Antworten auf allgemeinere Fragen verabredete ich mich mit Heidi-Lynn Sutton, oberste Finanzaufseherin von Nevis. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Infrastruktur der Insel nicht von Kriminellen, korrupten Politikern und Steuerflüchtlingen missbraucht wird – keine unwichtige Aufgabe. Sie kam in Begleitung dreier Kollegen. Zu viert saßen sie mir an einem Konferenztisch gegenüber wie bei einem Vorstellungsgespräch.
Ich fragte, warum das Außenministerium der Vereinigten Staaten Nevis zuletzt so kritisch beurteilt habe. Das Amt für Internationalen Drogenhandel und Gesetzesvollzug gibt jedes Jahr einen Bericht zum Stand des internationalen Kampfs gegen Geldwäsche und Finanzkriminalität heraus. Der Bericht des Jahres 2017 beschrieb Nevis als »attraktiven Standort für Kriminelle, die ihre Einnahmen verbergen wollen«. Konkret kritisierte er die anonymen Konten und das Bankgeheimnis der Insel sowie Gesetze, mit denen sich die wahren Eigentümer der dort registrierten Firmen verschleiern lassen.
Sutton klang wie eine Lehrerin, die nur mit Mühe ihre Verachtung für einen besonders unterbelichteten Schüler verbergen kann. Die Informationen der amerikanischen Regierung seien veraltet, klärte sie mich auf. Das verwunderte mich, denn ich hatte den Eindruck, es sei allgemein bekannt, dass die Eigentümerschaft auf Nevis nicht transparent war. Um das zu unterstreichen, berichtete ich ihr von meinem Abenteuer auf der Suche nach den Unternehmen, die am russischen Waschsalon beteiligt waren. Sie schien amüsiert, dass ich derartige Mühen auf mich genommen hatte, nur um ein Bürogebäude zu finden. »Wozu brauchen Sie die Information?«, fragte sie mich. Als ich die gewaschenen Milliarden erwähnte, lachte sie mich aus. »Dazu kann ich nichts sagen. Dazu kann ich wirklich nichts sagen.«
Während der nächsten halben Stunde wies Sutton pauschal jede Kritik an Nevis zurück, die ich referierte. Die Beschwerden der amerikanischen Anwälte, es sei zwecklos, in Nevis einen Prozess anstrengen zu wollen, schien sie nicht nachvollziehen zu können. »Aber amerikanische Anwälte haben uns doch bei der Ausarbeitung der Gesetzgebung unterstützt. Das wundert mich jetzt sehr.«
Aber verhinderten einige der gesetzlichen Vorkehrungen nicht, dass Frauen im Falle einer Scheidung einen gerechten Anteil am gemeinsamen Vermögen erhielten? Oder dass Opfer von medizinischen Behandlungsfehlern angemessen entschädigt wurden?, fragte ich weiter. Fand sie es nicht unverhältnismäßig, dass Kläger 100.000 Dollar hinterlegen mussten, um überhaupt Klage einreichen zu können?
»In einigen Ländern sind die Leute extrem prozessfreudig. Wenn man sich bei McDonald’s ein bisschen verbrennt, weil man sich Kaffee über die Hand geschüttet hat, dann rennt man gleich vor Gericht. Wir sorgen nur dafür, dass die Leute beschützt werden und dass unsere Gerichte nicht mit überflüssigen Verfahren überflutet werden«, erklärte sie mir. Ich sah, wie ein Kollege einem anderen unter dem Tisch ein Zettelchen gab.
Ihre Gleichgültigkeit ärgerte mich. Also fragte ich Sutton, ob sie sich bewusst war, dass korrupte ausländische Politiker die Infrastruktur von Nevis missbraucht hatten (»Das behaupten Sie, aber das heißt nicht, dass das auch stimmt«). Ich nannte konkrete Beispiele: die Präsidentenfamilie Taiwans (»Das ist eine Behauptung«); der gestürzte Präsident der Ukraine (»Dazu kann ich Ihnen nichts sagen«); der russische Waschsalon (»Gibt es dazu ein Ermittlungsverfahren?«). Sie schien sich nicht dafür zu interessieren, dass wenige Meter von ihrem Büro entfernte Unternehmen an Diebstahl in beispiellosen Dimensionen beteiligt waren. Allmählich hatte ich das Gefühl, ich würde den Verstand verlieren.
»Das können Sie Nevis nicht anhängen. Das passiert doch überall auf der Welt«, erwiderte sie selbstbewusst. »Ich kann Ihre Behauptung nicht nachvollziehen, dass unsere Infrastruktur dazu verwendet worden sein soll, um irgendetwas zu ermöglichen. Das kann ich nicht akzeptieren. Dazu kann ich nichts sagen.«
Wenn hier alles so wunderbar ist, fragte ich, warum haben dann Leute dem französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron ein Unternehmen auf Nevis angehängt, um ihn wie einen Kriminellen dastehen zu lassen? »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann den Leuten ja nicht in die Köpfe schauen«, erwiderte sie. »Die Leute erfinden dauernd irgendwas.«
Ich hatte im Laufe der Jahre mit vielen Aufsichtsbeamten und Ermittlern gesprochen, aber jemand wie Heidi-Lynn Sutton war mir noch nie untergekommen. Meine früheren Gesprächspartner hatten zumindest ein gewisses höfliches Interesse an meinem Anliegen geheuchelt, und manchmal hatten sie es sogar geteilt. Sutton lachte mich dagegen aus. Obwohl alles gegen sie sprach, erklärte sie mir standhaft, die Behörden der Insel seien streng, die Aufsicht funktioniere zuverlässig und entspreche in jeder Hinsicht den internationalen Anforderungen. »Sobald man ein internationales Finanzzentrum ist und bestimmte Dienstleistungen anbietet, wird man zur Zielscheibe. Das heißt aber nicht, dass die Anschuldigungen auch wahr sind.«
Möglicherweise hatte sie ja recht und bei den Beispielen, die ich ihr genannt hatte, handelte es sich um Einzelfälle. Wir haben keine unabhängige Beurteilung der Kompetenz der Aufsichtsbehörde von Nevis und wissen nicht, inwieweit die Unternehmen, die ihrer Kontrolle unterstehen, von kriminellen Aktivitäten durchdrungen sind. Es ist durchaus möglich, dass die winzige Polizei von Nevis ausreichend kompetent ist, Finanzkriminalität zu verfolgen und den beteiligten Firmen das Handwerk zu legen, statt es zu ignorieren, um mehr Geld anzulocken. Es wäre schön, wenn es so wäre.
Wenn die Erfahrungen eines anderen Finanzzentrums als Vergleich dienen können, dann sollten wir uns allerdings keine allzu großen Hoffnungen machen.
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Jersey ist eine Insel im Ärmelkanal. Obwohl sie nur wenige Kilometer von der französischen Küste entfernt ist, gehört sie zu Großbritannien, zumindest mehr oder weniger. In den Sechzigerjahren nutzte sie ihre Autonomie zum Aufbau eines Offshore-Bankwesens, in dem die Briten ihr Geld verstecken konnten, und schon bald wurde daraus ein eigenständiges Finanzzentrum. Das Muster dürfte Ihnen inzwischen vertraut vorkommen. Jersey hat zehnmal so viele Einwohner wie Nevis, ist reicher, und das Offshore-Zentrum ist einige Jahrzehnte älter. Als Außenstehende begannen, den Geheimnissen der Insel auf den Grund zu gehen, waren sie entsetzt.
Jerseys besondere Spezialität sind Treuhandgesellschaften. Die Ursprünge dieser Rechtsform reichen zurück bis ins Mittelalter, als Ritter zu den Kreuzzügen ins Heilige Land aufbrachen und ihr Vermögen für ihre Frauen und Kinder absichern wollten. Dazu gaben sie es in die Hände eines Verwalters, mit dem Auftrag, alle Erträge an die Kinder auszuzahlen. In Ländern mit angelsächsischem Recht hat die Treuhandgesellschaft verschiedene Anwendungen, darunter auch jene Offshore-Tricks, da es den juristischen Besitz und seine Erträge trennt. Ein Apartment kann sich in New York befinden und Sie können darin wohnen, aber es gehört Ihnen nicht. Es gehört vielmehr einer Treuhandgesellschaft auf Jersey, die rechtlich dazu verpflichtet ist, es nach Ihrem Ableben an Ihre Enkel zu übergeben. Die Vorteile für die Bewohner von Moneyland liegen auf der Hand: Was ihnen nicht gehört, darauf zahlen sie keine Steuer; lediglich das Einkommen, das es abwirft, ist steuerpflichtig. Treuhandgesellschaften spielen eine wichtige Rolle bei der »Nachfolgeplanung« – ein Euphemismus für die Umgehung der Erbschaftssteuer –, und Anwälte auf Jersey sind Experten bei deren Gründung.
Wie Nevis ist Jersey bemüht, sich gegenüber der Konkurrenz Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, indem es Neuerungen aus anderen Ländern kopiert. Abgeordnete des Parlaments haben seit jeher ein offenes Ohr für die Wünsche der Anwälte, um sie auf der Insel zu halten. Oder um es mit den Worten eines Abgeordneten zu sagen: »Wenn wir das Geld nicht nehmen, dann gibt es viele andere, die es mit Kusshand nehmen. Ohne die Finanzdienstleister gäbe es hier keine sozialen Dienstleistungen.«
Aus Jerseys Sicht ist das verständlich, wirft jedoch die Frage auf, wer eigentlich das Sagen hat: das Parlament oder die Anwälte und Finanzdienstleister, die drohen, die Insel zu verlassen, wenn die Politik nicht nach ihrer Pfeife tanzt.
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