Papa werden. Anna Machin

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ganzen praktischen Sachen kümmern […]

       Tim, werdender Papa

      Väter bauen das Nest. Wenn ich die Väter in meiner Studie wie Tim frage, was sie in der Schwangerschaft tun, um sich auf die Ankunft ihres Babys vorzubereiten, erzählen sie häufig Anekdoten, wie sie das Kinderzimmer streichen, Möbel aufbauen und aufwendig recherchieren, welcher Kinderwagen und welcher Kindersitz für das Auto die besten sind. Man könnte sogar sagen, dass der Kinderwagenkauf Väter ganz besonders begeistert, vor allem wenn die Anschaffung einer dreirädrigen Offroad-Version zur Debatte steht. Viele lachen vielleicht über diesen plötzlichen Anflug von Heimwerkergeist, doch dem werdenden Papa, der versucht, sich auf die Schwangerschaft einzustellen, kann diese Art, einen Beitrag zu leisten, helfen, sich beteiligt zu fühlen. Darüber hinaus sprechen viele Väter auch von ihrer wachsenden Beziehung zu dem Baby. Oft erzählen sie, wie sie dem Baby im Mutterleib etwas vorsingen oder mit ihm sprechen oder vorlesen und wie sie sich freuen, wenn das Baby mit Bewegungen darauf reagiert. Viele malen sich aus, wie ihr Kind aussehen wird und was sie gemeinsam unternehmen werden.

      Bindung, ein Begriff, den Psychologen für das enge Band zwischen zwei Menschen geprägt haben, ist entscheidend für die Beziehung zwischen Eltern und Kleinkind. Der Vater der Bindungstheorie ist der englische Kinderpsychiater John Bowlby, der seine Forschungen in den 1950er-Jahren begann. Bowlby wies frühere Theorien zurück, die postulierten, Grundlage für das Band zwischen Eltern und Kind seien der Hunger des Kindes oder seine Abhängigkeit, etwas, das das Kind mit dem Erwachsenwerden überwinden sollte. Er sagte demgegenüber, es gehe um eine tiefe emotionale Verbindung zwischen Eltern und Kind, die für die gesunde Entwicklung des Kindes ausschlaggebend sei. Die Jungen von Säugetieren einschließlich uns Menschen kämen mit einem angeborenen Instinkt zur Welt, nach einer Bezugsperson zu suchen. In den frühen Arbeiten konzentrierte sich Bowlby fast ausschließlich auf die Bindung zwischen Mutter und Kind und konzipierte sie als ein Verhalten, das vom Kind ausgeht und sich auf die Mutter richtet, und nicht als Beziehung in beide Richtungen. Heute wissen wir, dass Letzteres richtig ist – auch Mütter entwickeln eine Bindung zu ihrem Kind – und dass das Phänomen ebenso in der Beziehung zwischen Vater und Kind eine Rolle spielt. Die häufigsten Bindungen sind die zwischen Eltern und Kind und zwischen Liebenden, aber es gibt auch Bindungen zwischen engen Freunden und, wie manche sagen, zwischen Haustieren und ihren Besitzern. Bindung ist schwer zu definieren – eines der Phänomene, die man schwer beschreiben kann, aber Psychologen wissen, wann sie es damit zu tun haben. Wenn wir eine Bindung beobachten – sei es eine romantische, eine zwischen Eltern und Kindern oder die Bindung in einer tiefen Freundschaft –, sehen wir zwei Menschen, die sich nach körperlicher Nähe sehnen, die ständig die emotionale Reaktion des anderen beobachten, um selbst die Umwelt besser einzuschätzen, und für die Getrenntsein eine Qual ist. Beispiele sind ein Welpe, der von seiner Mutter getrennt ist, oder ein kleines Kind, das von seinem Elternteil getrennt ist. In Kapitel sieben werden wir darauf zurückkommen, wenn wir uns die Entwicklung der Beziehung zwischen Vater und Baby nach der Geburt anschauen. An dieser Stelle möchte ich auf den relativ neuen Gedanken eingehen, dass sich dieses Band schon vor der Geburt bildet.

      Es steht außer Frage, dass eine Mutter eine Bindung zu ihrem ungeborenen Kind entwickelt – dieser Prozess wird sehr dadurch gefördert, dass sie die Bewegungen ihres Kindes spürt und dass sie zusammen mit ihrem Kind eine intensive körperliche und emotionale Reise absolviert. Das bezeichnet man auch als das Privileg der Mutterschaft. Aber ist es wirklich ein Privileg, das nur der Mutter zugutekommt? Mittlerweile gibt es umfangreiche Belege, die dafür sprechen, dass dieses Privileg geteilt werden kann. Väter können genauso intensive Liebe zu ihrem ungeborenen Kind spüren, nicht wenig haben dazu die Ultraschalluntersuchungen beigetragen. Dank der neuen Technik konnten Väter erstmals über ihre Fantasievorstellungen hinaus ihr Baby wirklich sehen und hören. Tims Erinnerung an die erste Ultraschalluntersuchung zeigt, wie stark dieses Erlebnis sein kann:

      Ich meine, bei der Untersuchung habe ich es zum ersten Mal richtig geglaubt. Davor habe ich es auch geglaubt, aber der Ultraschall gab mir die Gewissheit, dass es real war. Es zum ersten Mal zu wissen, auf dem Monitor den Beweis zu sehen, war großartig. Unvorstellbar. Ich staunte, war begeistert, konnte es kaum fassen.

       Tim, werdender Papa

      Die Technik wurde bereits in den 1950er-Jahren in Glasgow entwickelt, aber erst Anfang der 1970er-Jahre wurden Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft in Großbritannien üblich und erst Ende der 1970er-Jahre in den Vereinigten Staaten. Heutige Väter gehören damit zu einer der ersten Generationen, die routinemäßig die Gelegenheit haben, ihr ungeborenes Kind zu sehen, und alles in allem ist das eine gute Sache. Für die meisten Väter in meinen Studien war es selbstverständlich, dass sie zur Ultraschalluntersuchung mitgingen. Zwar gab es Ängste, dass bei dem Baby eine Unregelmäßigkeit entdeckt werden könnte, aber in der Mehrheit der Fälle berichteten sie von überwältigenden Emotionen wie Erleichterung, Stolz und Freude, wenn sie das Baby zum ersten Mal betrachten konnten. Infolge der raschen technischen Fortschritte können Eltern heute ihr Kind nicht nur hören und sehen, sondern bekommen ein Surround-Sound-Erlebnis mit einem 4D-Ultraschall. Diese Bilder zeigen das Baby dreidimensional und in Echtzeit – das ist die vierte Dimension. Es ergeben sich zahllose Gelegenheiten für frühe Diskussionen, wie er oder sie wohl aussehen wird. Für Väter, die von den körperlichen Bewegungen ihres ungeborenen Kindes wenig mitbekommen, ist das die große Chance, die Erfahrungen der Mutter zu teilen. Die Tage der grobkörnigen Schwarz-Weiß-Bilder sind vorbei, sie wurden abgelöst durch gestochen scharfe, bewegte Videos, die man auf DVD brennen, nach Hause mitnehmen und dort beliebig oft anschauen kann. Pier Righetti und seine Kollegen haben in den Abteilungen für Geburtshilfe und Gynäkologie zweier italienischer Krankenhäuser die Wirkung von 2D- und von 4D-Ultraschallbildern untersucht und dabei herausgefunden, dass die Väter, die Bilder in 4D-Technik sahen, einen viel größeren Sprung bei der Bindung zu ihren Kindern machten als Väter, die 2D-Bilder zu sehen bekamen, und dass sich die Intensität der Bindung auch zwei Wochen nach dem Untersuchungstermin noch unterschied. Möglicherweise versetzt die Chance, das eigene Kind dreidimensional zu sehen, verbunden mit der Möglichkeit, sich die Bilder immer wieder anzuschauen, Väter in die Lage, über die langen neun Monate der Schwangerschaft mit ihrem Kind verbunden zu bleiben.

      Die Bindung zwischen Eltern und Kind ist die erste und vermutlich stärkste Bindung, die ein Mensch entwickelt, und ob es sich um eine gesunde oder eine ungesunde Bindung handelt, wird die Gesundheit und das Verhalten des Babys sein ganzes Leben lang bestimmen. Deshalb hat die Bindung zwischen Vater und Kind langfristige Implikationen für das Kind, die Familie und die Gesellschaft insgesamt. In den letzten Jahren sind wir zu der Ansicht gelangt, dass das Band zwischen Vater und Kind eine spezielle Verbindung ist, die eine einzigartige, wichtige Beziehung herstellt. Ben berichtet davon, wie sich dieses Band bei Vater und Kind schon lange vor der Geburt zu bilden beginnt:

      Als meine Frau mit Rosie schwanger war, habe ich ihr immer »Der Mond ist aufgegangen« vorgesungen. Nach der Geburt, als sie auf dem Bauch ihrer Mutter lag, immer noch durch die Nabelschnur verbunden, habe ich wieder »Der Mond ist aufgegangen« gesungen, und sie erkannte es sofort. Das war einer der Momente, die ich nie vergessen werde.

       Ben, Papa von Rosie (18 Monate)

      Der australische Psychologe John Condon von der Flinders University hat die wichtigen Aspekte der Bindung vor und nach der Geburt untersucht und bahnbrechende Arbeiten dazu vorgelegt. Vor allem aber hat er die Unterschiede zwischen der Bindung von Vater und Kind und Mutter und Kind definiert. Bei einem werdenden Vater, dessen Beziehung zu seinem Kind hauptsächlich in seinem Kopf stattfindet, geben anscheinend drei Faktoren den Ausschlag, wie er eine Bindung zu seinem ungeborenen Kind entwickelt. Erstens kommt es darauf an, wie oft er sich in Tagträumen mit dem Kind beschäftigt und welche Gefühle das bei ihm auslöst. Ganz besonders wichtig ist, dass er sich das Baby als »kleine Person« vorstellt, und in welchem Ausmaß er positive im Gegensatz zu negativen Gefühlen ihm gegenüber empfindet. Denkt er in erster Linie darüber nach, wem er oder sie ähnlich sehen wird und wie er oder sie heißen soll, und wecken solche Gedanken Gefühle

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