Der Brandner Kaspar. Kurt Wilhelm
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Brandner Kaspar - Kurt Wilhelm страница 17

Er kommt nicht dazu, erneut über den Handel zu disputieren. Von draußen ist abermals, näher als vordem, das durchdringende Wiehern zu hören. Es gellt dem Brandner schmerzhaft im Ohr.
»Malefizkrampen! Is jetzt a Ruah!«, schreit der Boanlkramer, pfeift abermals auf den Fingern, fährt hoch, die Türe ins Freie schwingt dienstbar auf vor ihm, ohne dass er sie berührt hätte, er wankt hinaus und schimpft ins Dunkel. Er kommt zurück und lallt die Entschuldigung: »Der wird mir ungeduldig. So lang hat er noch nie warten müssen.«
»Z’wegs meiner braucht er net warten«, faucht der Brandner und ballt seine Fäuste. Er würde nicht mitgehen, ums Verrecken nicht, das steht für ihn fest.
Nun, da er grad wieder auf Füßen steht, wenn auch recht schwankend, scheinen Pflicht und Auftrag in den jenseitigen Boten zurückzukehren. Der frühere Glanz leuchtet wieder aus seinen seltsamen Augen, als er verheißt:
»Kaspar, sei halt vernünftig. Schau, die Welt dreht sich behaglich ohne dich weiter.«
Der aber blickt fest und finster, schaut nicht auf, und hört nicht auf den Ton der Verlockung:
»Nix! Neunz’ge sag i, und dabei bleibt’s!«
»Bedenk, für dich fängt’s dann doch erst an …«
»Was nacher?«
»Das wahrhaftige Leben«, haucht es ihm zu.
»Jaja, ich weiß schon. Des sagt der Herr Pfarrer aa. G’sehn hat er’s net.«
»Aber ich – ich hab’s g’sehn, Kaspar! Du, es is so unendlich wahr und gut dorten. Ich derf ja net ’nein. Im Paradies, da brauchen s’ koan Boanlkramer, so schön is’ es da, glaub mir’s, so schön – ach, bal du wissertst …«
Er seufzt verzückt und verdreht vor Wonne seine Augen gen Himmel. Da der Kaspar sich nicht regt und nicht rührt, nicht antworten will, sondern sich mit den Händen am Tisch einkrallt, greift der Bote listig lockend zum Glas, hebt es und zwinkert versöhnlich:
»Wie waar ’s, mir trink ma a letztes Glasl mitnand – als ein Siegel auf unser Verständnis. Gönnst mir net eines zum Abschied? Sei net a so, kumm –«
Der Kaspar brummt und wiegt sich in Missmut, ehe er grimmig die Flasche unter der Bank herausholt, eingießt und dabei fordernd und grob, dem Gast fest in die Augen schauend, sagt:
»Aber – neunz’ge, gell! Dass i mich vor die Ahndln net genieren müsst!«
»Wuh«, macht der Schwarze verzweifelt und versucht es erneut mit der gütigen Überredung: »Kaspar, hab doch a Einsehen. Schau, die Uhr da …« Er wendet sich hin und macht Miene, hinüberzuwanken.
Da ist aber der Kaspar schon aufgefahren, ihm voraus auf den Platz vor der Uhr in zwei Sätzen und stellt sich schützend davor. Der Boanlkramer gerät aus dem Lot, verhält, schaut auf seine dürren Haxen hinunter, reibt sich die Augen, und deutet erschrocken vor sich:
»Hui, da wackelt fei was. Der Boden hebt sich – da ’nüber! Was is des?«
»In einer Stund is er wieder eben, koa Sorg!«
Sich schüttelnd und vorsichtig tastend, stakt der Unheimliche weiter zur Uhr hin. Der Brandner breitet schützend die Arme und fleht:
»G’lang s’ mir net an! Die hat so redlich d’ Stunden zeigt, die voller Freud und die voll Kümmernis …«
»Alt is s’«, kommt es in lauernder Güte zurück, und ein förmliches Streicheln schwingt mit in der Stimme: »Schau, am Zifferblatt kannst kaum die Rosen mehr sehen, die aufg’malt g’wesen sind, da im Eck. Und d’ Zeiger wackeln, d’ G’wichtschnur rutscht …«
»Und dennoch arbeit s’ fleißig fort und macht so g’schäftig dipp und dapp.«
»Sie irrt sich freili g’nua dabei –«
»Aber lasst net aus! Ob s’ z’ fruah geht oder z’ spät, Herrschaftszeiten!«
Er schützt die Uhr, er steht und weicht nicht zurück vor dem drängenden Feind, der sie ihm würde anhalten wollen, und alles müsste stille stehen im nämlichen Augenblick und für immer. Das große Fürchten kriecht wieder in ihn.
Der Andere kichert: »Du g’freust dich halt, dass s’ überhaupts noch geht, gell. Und siehst ihr all ihre Fehler nach und hoffst dabei, dass dir die kommenden Jahr akkrat so alles nachg’sehen werdert, wenn bei dir die Zeiger wackeln und d’ G’wichtschnur rutscht«, und biegt sich vor Lachen über den eigenen Scherz.
»Lass nur mir getrost alle Sorg, wie ’s weitergehen soll«, fleht der Alte und streckt ihm mutig die Hand hin:
»Gilt’s? Schlag ein!«
Nickend und ob seines Scherzes noch kichernd, will der Rauschige brav gedankenlos in die Hand schlagen, doch im letzten Moment packt es ihn, was er da tut, es reißt ihn und er torkelt zurück:
»Naa naa, nix gilt! Sei doch g’scheit. Schau, ich könnt sie ja anhalten, einfach so, auf Ja und auf Nein!«
Und er hebt seine Hand und streckt sie gegen das hackende Pendel. Ums Haar hätte der Brandner ihm den Arm heruntergeschlagen, wäre sein Entsetzen nicht gar so groß gewesen. So schreit er nur aus seiner höchsten Not:
»Boanlkramer! Weißt du, was du da tust –?!«
»Und du? – Weißt denn du, wohin dass du derfst?«, ist die milde Antwort, sonst nichts. Feierlich hebt er beschwörend die Hand hoch empor, und augenblicklich erklingt wieder die ferne, verlockende Himmelsmusik und erfüllt die Stube. Sie dringt förmlich ein in den Kaspar, tief in sein Herz, kein Widerspruch ist ihm mehr möglich und kein Streit, er kann nur noch flehen:
»Boanlkramer, ich bin zufrieden allhier! Weißt du net, was des heißt: Zufrieden sein? Mit dem, was is, und dem, was man hat! Kennst net das Lied vom Zufriedensein?«
Weil keine Antwort erfolgt, beginnt er mit seiner kratzigen, alten Stimme über das himmlische Klingen hinweg aus der tiefen Verzweiflung heraus dem schwarzen Bedränger sein liebstes Gstanzl vorzusingen, wie eine Beschwörung:
»Nix han i und doch leb i halt
mit Gottes Gnad.
Und ’s Leben oft ein’ net besser g’fallt,
der ebbes hat –«
Den scheint der Gesang nicht zu bewegen, er macht ihn nur schläfrig. Er plumpst in den Lehnstuhl und murmelt, indem seine Lider klappern:
»Kaspar, du derbarmst mich. Mach mir’s doch net gar a so schwer.«
Ich hab ihn beinah so weit, denkt der Brandner. Wie nütz ich den Rausch aus, wie bring ich ihn fort, eh er mir einschläft und beim Erwachen sich als unerbittlich erweist? Ob er mir geht, wenn ich weitersing? Ob ich ihn förmlich hinaussing? Laut und inbrünstig flehend stimmt er die zweite Strophe des Leibliedes an:
»Und dengerscht hat mir Gott ja ’geb’n
a fröhlich’s Bluat.
Und









