Der Himmel Von Nadira. Giovanni Mongiovì
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Читать онлайн книгу Der Himmel Von Nadira - Giovanni Mongiovì страница 5
„Umar!“
Es dauerte nicht lange, dass einige der Diener aus dem Haus kamen, da sie um diese Uhrzeit mit den Hausarbeiten beschäftigt waren. Sobald er gerufen wurde, kam der Hausherr, der in der lauwarmen Geborgenheit des Frühherbstes geschlafen hatte, verschlafen zum Eingang.
„Was willst du? Was schreist du zu dieser Stunde? Ich und meine Kinder haben geschlafen… und jetzt hast du uns alle aufgeweckt!»
„Umar, verzeih mir! Die Ziegen…» und unterbrach sich, um wieder Luft zu schnappen.
„Was ist mit meinen Ziegen passiert? Haben Sie sie dir gestohlen?» fragte er den Jungen voller Sorgen.
„Nein, ich habe sie im Stall eingeschlossen.“
„Du hast sie unbeaufsichtigt zurückgelassen?“
„Ich hätte gern eine Fartasa-Ziege11 schicken wollen, aber du hättest ihr Meckern nicht verstanden.“
Khalid lachte; es war klar, dass der Junge seinen Meister auf den Arm nahm.
Umar packte ihn am Ohr und stieß ihn mit einem gezielten Fußtritt in den Hintern zu Boden.
„Ich hoffe, dass du mir etwas Wichtiges mitzuteilen hast, oder ich sperr dich im Stall ein!“
Der Junge stand auf und erwiderte:
„Der Qā’id, Herr… der Qā’id kommt in den Rabad und fragt nach dir.“
„Ali Ibn12 al-Ḥawwās kommt in mein Haus?“ fragte Umar überrascht, und ordnete mit einer Hand sein Haar, als ob der Fürst von Gergent13 und Qasr Yanna bereits vor ihm stünde.
„Er wird von seinen Getreuen begleitet und hat mir gesagt, dass er mit guten Absichten kommt.“
Umar schweifte mit seinen Augen und bemerkte die Karawane, die durch die gewundenen Kurven des Berges Qasr Yanna hinabstieg.
„Geh zurück zu deinen Ziegen!“ befahl er dem Jungen, bevor er schnell im Inneren des Hauses verschwand.
Im Haus entstand viel Verwirrung, und mit großer Leidenschaft versuchte man, alles so vorzubereiten, dass es für den Besuch des Qā’id würdig wäre. Auch im ganzen Dorf entstand nun Unruhe und Geschäftigkeit: Die Frauen rannten zum Eingang des Rabad, und einige der Männer, die davon informiert wurden, kehrten aus den näher gelegenen Gemüsegärten zurück.
Michele und Apollonia, Bruder und Schwester von Corrado, kamen heran, um die Szene mit Neugier zu beobachten. Sie würden dem Qā’id ebenso Tribut zollen wie alle anderen; es war nicht wichtig, wer sie befehligte, er war ebenfalls ihr Herr. Ginge es nicht um die Fetzen, die Michele trug und sein rasiertes Haar, Zeichen, die seinem christlichen Wesen auferlegt wurden, würde niemand sie als Ungläubige der Worte des Propheten bezeichnen. Mit Ausnahme der markanteren Gesichtszüge gab es keinen Unterschied zwischen Apollonia und den Sarazenischen Frauen14 des Dorfes. Der Rabad wurde schon in der frühen Zeit ausschließlich von Berbern besiedelt. Anderswo jedoch überwogen die Islamisten mit dem europäischeren Aussehen - weil sie von unterschiedlicher Herkunft waren oder weil sie konvertierte Ureinwohner waren – und so gab es keine körperlichen Unterschiede zu den Christen. Darüber hinaus haben sich seit zweihundert Jahren die Berber-, die Arabische und die indigene Abstammung regelmäßig vermischt um sich zu einem Volk mit homogeneren Merkmalen zu vereinen.
In all dem war der Rabad eine Ausnahme.
Es gab nur einen Begriff, um die Bewohner der nicht-arabischen, nicht-berberischen, nicht-indigenen Bewohner der Insel zu identifizieren… Sizilianer. Sarazenische und sizilianische Griechen, also Christen - sowie es auch jüdische Sizilianer gab - die aber dennoch alle als Sizilianer bezeichnet wurden. Aus dem Konzept der Sizilianer wurden diejenigen ausgenommen, die aus Afrika zu Zeiten der Invasion der Ziriden-Dynastie nach Sizilien kamen. Dies, bis Abd-Allah von dem anderen Teil des Mittelmeerraumes zurückkehrte. Diese, wie andere Anhänger des Islams, von berberischer Volkszugehörigkeit, wurden als Afrikaner bezeichnet, gerade weil sie aus dieser Region stammten, die die arabische Welt als Ifrīqiya bezeichnete15. Die letzten Afrikaner waren nur ein paar Jahre zuvor angekommen. Sie flohen vor den Verwüstungen, die in ihrem Heimatland wüteten. Die Schaffung eines Volkes zwischen Sizilianern und Afrikanern, obwohl alle an Allah glaubten, war ein viel komplizierteres Unterfangen - und in der Vergangenheit hatte das auch zu Unruhen geführt -, als Christen und Juden in die Gewebe der islamischen Gesellschaft zu integrieren16 . Die Gesetzgebung der Scharia17 über letztere war in der Tat klar, und wenig oder nichts konnte interpretiert werden; sie waren die Dhimmen, die Vasallen, die gezwungen waren, die Jizya, die Steuern zu bezahlen, hatten aber dennoch das Recht, ihrem eigenen Glauben nachzugehen. Die Afrikaner hingegen waren die wahren Antagonisten, diejenigen, mit denen die sizilianischen Sarazenen um die Vorherrschaft der Dominatoren wetteifern mussten.
Im Rabad jedoch, hatte man Afrikaner noch nie gesehen. Das wahre Problem des Tages schien, eine schöne Figur vor dem Qā’id Ibn al-Ḥawwās, dem Emir von Qasr Yanna, zu machen, der unerklärlicher Weise einen seiner Schuldeintreiber besuchte.
„Wenn nur Corrado da gewesen wäre!“ rief Apollonia aus, sobald sie die Karawane sah, die jetzt in den Weiler einbog.
Apollonia war eine schön aussehende, etwas mehr als 20-jährige Frau mit gewelltem, kastanienbraunem Haar und Haselnuss-Augen. Der reine Teint ihrer Haut machte sie nur noch attraktiver, da die Araber Mädchen mit europäischem Einschlag vorzogen. Wenn es nicht wegen ihrer Religion gewesen wäre, hätten sie sie schon umworben, und wenn es nicht um die Kleinheit des Rabad und seine familiäre Atmosphäre gegangen wäre, hätte sie sicher jemand, mit dem Versprechen, eine vorteilhafte Ehe zu erlangen, dazu veranlasst, sich zu bekehren.
Michele war etwas kleiner als Corrado und war seinem Vater sehr ähnlich. Der Junge schien zur Arbeit geboren zu sein, und obwohl er nicht sehr groß war, war er robust und unermüdlich. Es fehlten ihm auch ein paar Zähne, die abgebrochen waren, als er im Alter von zehn Jahren versuchte, einen großen Nagel aus einem Balken zu ziehen.
„Corrado hat die Nachricht sicher schon gehört und wird mit unserem Vater aus dem Gemüsegarten kommen.“ antwortete Michele.
„Was für ein Mann ist wohl der Qā’id?“ fragte Apollonia mehr sich selbst als ihren Bruder.
Michele sah sie verwirrt an und antwortete eifersüchtig:
„Vielleicht solltest du im Haus bleiben, wie es viele Mohammedanische Frauen tun.
„Ich kenne niemanden hier im Rabad, der seine Schwester einsperrt.“
„Die Schwester von Umar sieht man schon eine Weile nicht mehr und wenn, dann ist ihr Gesicht bedeckt.“
„Das bedeutet, dass es einen Bruder gibt, der eifersüchtiger ist als du. Und dann reichen ja schon Nadiras Augen aus, um die Männer anzuziehen.“
Die letzten Worte von Apollonia waren der Dreh- und Angelpunkt vieler Dinge, die von da an passieren würden, …
Der Qā’id schlängelte sich durch die engen Gassen zwischen dem allgemeinen Jubel der Menschenmenge. Ali Ibn Ni’ma, im Allgemeinen bekannt als Ibn al-Ḥawwās,