DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband. Ina Kramer
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Читать онлайн книгу DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband - Ina Kramer страница 3
»Es ist ein böses Vorzeichen«, beharrte Hilgert, »siebenundzwanzig Tage lang hat er noch nie gewütet, so lange ich lebe nicht. Das ist nicht der Beleman und auch nicht Efferds Leidenschaft …« Wieder warf er das Haar zurück und zog grimmig die buschigen dunklen Brauen zusammen.
»Was soll’s denn dann sein, wenn’s nicht der Beleman ist«, entgegnete Damilla patzig, »der Baltrir vielleicht, oder der Horoban oder der …« Sie überlegte, ob ihr noch weitere der sieben Winde einfallen wollten. »Na, jedenfalls bläst der Beleman doch immer im Firun, wenn er’s auch diesmal etwas arg treibt.«
»Du bist ein Kind, du verstehst nichts.« Hilgert starrte weiter in die Ferne. Mit seinen siebenundsechzig Jahren war er zwar der Älteste des freiherrlichen Gesindes, aber wäre nicht sein graues Haar gewesen, wohl niemand hätte ihm so viele Götterläufe zugemessen. Der Stallmeister war ein hochgewachsener, ungebeugter Mann von ernster, strenger Wesensart, der Geselligkeit, Trunk und Würfelspiel mied, wenig sprach und kaum jemals lachte, weswegen die meisten ihn Firutim nannten (sofern sie nicht einfach ›Alter‹ oder ›alter Mann‹ zu ihm sagten). Seine dunklen Brauen, die große gebogene Nase und die schwarzen Augen ließen vermuten, daß Tulamidenblut in seinen Adern floß und daß sein graues Haar einstmals schwarz gewesen war. »Dort drüben wird es geschehen, weit hinter den Eternen«, sprach er mehr zu sich selbst als zu dem Mädchen. »Unheil wird kommen und Umwälzung …«
»Umwälzung?« Damilla hielt fragend inne. »Was meint Ihr damit?«
»Ich weiß es nicht, Mädchen, ich weiß es nicht. Aber es wird aus der Wüste kommen, dorther, wohin die Geister eilen und wo die Elementare sich sammeln, um es zu verhindern … Doch zu spät, zu spät …«
»Habt Ihr getrunken? Das ist doch sonst nicht Eure Art, oder ist der Sturm Euch aufs Gemüt geschlagen, daß Ihr so redet?« Damilla beobachtete den alten Stallmeister ein wenig besorgt. »Warum geht Ihr nicht in Eure Stube, wärmt Euch ein wenig und betet für die Frau, daß Tsa es ihr leichtmachen möge. Und auch für das Kind, damit’s ein schöner und gesunder Knabe wird.« Sie packte die letzten Scheite in den Korb, griff nach den Riemen der Kiepe und zog sie über die Schultern. Dabei löste sich ihr Rock aus der Umklammerung der Schenkel, und ein kräftiger Windstoß hob ihn hoch bis über den Kopf. Die Kälte und der scharfe Wind trafen ihren unter den Gewändern nackten Körper so unvermittelt und fast schmerzhaft, daß die Magd einen lei-sen Schrei ausstieß. »Bei Efferd, was für ein garstiges Wetter! Und jetzt fängt es auch noch an zu regnen!« rief sie empört, während sie hastig und wenig erfolgreich versuchte, ihre Kleider zu ordnen. Sie blickte verstohlen zu Hilgert, um zu sehen, ob er ihr kleines Mißgeschick bemerkt hätte, doch der Alte stand da so ungerührt und trotzig wie zuvor. »Ich muß mich nun sputen«, sagte Damilla, »und auch Ihr solltet besser ins Haus gehen, alter Mann, und das Spintisieren sein lassen.« Sie packte den Korb und stapfte, den Kopf eingezogen und die Augen halb zugekniffen, eilig zum Gutshaus zurück.
»Das ist kein Regen, das ist Schnee«, vernahm sie Hilgerts Stimme hinter sich.
»Schnee?!« Fast hätte das Mädchen den Korb fallen gelassen. Ungläubig riß sie die Augen auf. Tatsächlich, dort im Lichtschein der Laterne sah sie winzige weiße Kristalle tanzen. Und von Westen her trieb der Sturm weitere Schwaden des weißen Gewirbels herüber. »Schnee, Schnee, sieh nur, Alter, es schneit! Das muß ich der Frau erzählen.« Damilla war so aufgeregt, daß sie Wind und Kälte vergaß und gebannt das seltene Naturereignis beobachtete.
»Ja, Schnee – Geister und Elementare sammeln sich in der Wüste. Mögen die Zwölfe geben, daß es nicht zu spät ist. Dem Mädchen jedoch droht keine Gefahr bislang – ich hoffe es zumindest …«
›Welchem Mädchen?‹ wollte Damilla fragen, doch als sie die Tür zur Küche aufgestoßen und sich schnaufend ihrer Last entledigt hatte, war die Frage vergessen. »Es schneit, es schneit!« rief sie den um das Feuer versammelten Mägden und Knechten zu.
Seit Stunden streifte Freiherr Durenald von Brelak rastlos durch die Räume seines Hauses. Wo immer er sich blicken ließ, wurde er von der Dienerschaft mit so zartfühlender Freundlichkeit begrüßt und mit so leiser Stimme und so mitleidsvollem Lächeln nach seinen Wünschen gefragt, daß er sich vorkam wie ein Schwerkranker. Dabei strotzte er vor Kraft und Gesundheit.
Durenald von Brelak war ein etwas untersetzter Mann Anfang der Dreißig. Braune Locken umrahmten eine breite Stirn, braun waren auch die Augen, in denen nicht selten ein schalkhaftes Lachen blitzte, und die glattgeschabten, etwas vollen Wangen und der erste Ansatz eines kleinen Bauches verliehen ihm das Aussehen eines Mannes, der mit sich und der Welt im Einklang lebt. Sein ausgeglichenes Temperament, seine Milde und Grundehrlichkeit und sein Ernst in allen geistlichen Belangen machten ihn zu einem beliebten und geachteten Herrn. Zwar hatte er in seiner Jugend, den Konventionen und Traditionen des hiesigen Landadels folgend, ein paar Jahre lang die Garnisonsschule zu Neetha besucht, hatte recht ordentlich das Fechten gelernt und ein wenig über die Kriegskunst erfahren, hatte den Rondrakult studiert und mit großem Ernst und voller Hingabe bei den Schwertfeiern im Tempel des Sieges die heiligen Lieder gesungen, doch galt seine wahre Liebe der gütigen Frau Peraine: Wenn der Herr von Brelak seine Ländereien inspizierte, den Boden prüfte, die Krume nachdenklich zwischen den Fingern zerrieb und zugleich voller Stolz und Sorge die Keimlinge der neuen Saat betrachtete, dann unterschied er sich nur durch den größeren Ernst seines Tuns und das bessere Tuch seiner Gewänder von seinen Bauern.
Die günstige Lage seines Gutes – zum Meer hin durch ausgedehnte Wälder vor den allzu rauhen Winden geschützt und von Nordosten her vom beständigen, auf der langen Reise jedoch von allem Sengenden befreiten heißen Lufthauch aus der Khôm gestreift, zugleich mit Efferds Gaben reich, doch nicht überreichlich gesegnet – erlaubte es dem Freiherrn, neben den üblichen Feldfrüchten wie Rüben, Flachs und Korn, die stets ausnehmend gut gerieten und reiche Ernten einbrachten, auch seltene Gemüse güldenländischen Ursprungs anzubauen, wie die rotwangige saftige Tomate und die längliche, gerippte süß-herbe Paprika, denn die wenigen Frostnächte des Jahres beschränkten sich auf den Firun, und zumeist konnte schon Ende Tsa mit der Aussaat begonnen werden.
Gut Brelak war noch nicht sehr lange in Familienbesitz. Durenalds Großvater waren die Ländereien in seinem achtundvierzigsten Jahre als Dank und Anerkennung für seine tätige und furchtlose Hilfe bei der Aufdeckung eines Komplottes gegen den Markgrafen von diesem als Lehen verliehen worden, wodurch der alte Robak vom landlosen Edlen zum Freiherrn aufstieg. Durenalds Mutter hatte das Gut von ihrem Vater geerbt, hatte das Lehen sorgfältig, aber ohne große Begeisterung gepflegt, hatte sich vermählt und Durenald das Leben geschenkt, hatte das Gutshaus im Arivorer Stil erbaut und war so still gestorben, wie sie gelebt hatte.
Das war vor zwölf Jahren gewesen, und seitdem war Durenald Herr über Brelak. Auf seiner ruhelosen Wanderung durch das Haus hatte der Freiherr nun das anheimelnd kleine warme Zimmer erreicht, das zum Spielen, Plaudern, Teetrinken und dergleichen diente und das Bibliothek genannt wurde – wegen des nicht allzu großen Bücherschrankes, in dem sich neben einigen geistlichen Büchern, ein paar Reiseberichten und Romanen, wenigen ausgewählten Werken über Kriegskunst, Staatskunst und Rechtskunde