Missbrauchte Gottesdienerinnen. Walter Brendel

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Missbrauchte Gottesdienerinnen - Walter Brendel

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Oberin sich beim Bischof darüber beschwerte, sei sie vom Diözesanbischof abgesetzt worden.

      In vielen Fällen, in denen Schwestern schwanger geworden wären, hätten Priester milde Ermahnungen erhalten, während die schwangeren Frauen ihre Gemeinschaften verlassen mussten, was sie nicht selten in extreme existenzielle Notlagen brachte. Für ihre Familien eine Schande, von ihren Gemeinschaften verstoßen, sahen sich manche – dann alleinstehende Mütter – gezwungen, als Zweit- oder Drittfrauen in eine Ehe einzuwilligen oder aber sich zu prostituieren, um ihr eigenes Überleben und das ihres Kindes zu sichern, wobei sie sich zusätzlich der Gefahr aussetzten, sich mit AIDS zu infizieren. Am meisten schockieren Fälle, in denen es zum Tod der Opfer oder zu erzwungenen Abtreibungen gekommen sein soll. So berichtet O’D. unter anderem über einen Fall, in dem ein Priester eine junge Ordensfrau, die von ihm schwanger geworden war, zur Abtreibung in ein Krankenhaus gebracht hatte. Die Frau wäre während des Eingriffs verstorben. Derselbe Priester, der sie missbraucht und zur Abtreibung gezwungen hatte, habe anschließend die Requiem-Messe für sie gehalten.

      Wie fiel die offizielle Reaktion auf diese Berichte aus? Zunächst blieben beide – die Berichte ebenso wie eventuelle Reaktionen der Ordenskongregation – geheim. Erst als die Berichte 2001 an die Öffentlichkeit kamen und unter anderem vom National Catholic Reporter und der New York Times aufgegriffen wurden, gab der damalige vatikanische Pressesprecher, Joaquín Navarro-Valls, eine Erklärung ab, die sich wie folgt zusammenfassen lässt: Ja, diese Fälle wären in Rom bekannt. Allerdings wäre das Problem auf einen kleinen geographischen Raum beschränkt. Man würde daran arbeiten, die Ausbildung dort zu verbessern und einzelne Fälle zu lösen. Auch dürfe der heldenhafte Glaube der großen Mehrheit von Ordensleuten nicht vergessen werden. Viel mehr als die Herausgabe dieses Statements scheint seither nicht geschehen zu sein.

      Auch wenn die gängigen Gerüchte und Witze über afrikanische Klöster zeigen, dass diese Kommunikationsstrategie, nämlich die Rede von einem „kleinen geographischen Raum“, aufgegangen zu sein scheint, spricht tatsächlich nicht viel dafür, dass Navarro-Valls mit der Behauptung der lokalen Beschränktheit des Phänomens Recht gehabt haben könnte. Denn erstens liefert er in seinem Statement keinerlei Evidenz für diese Behauptung, und zweitens werden in den Berichten immerhin Vorfälle in dreiundzwanzig Ländern genannt, darunter auch Italien, Irland, die Philippinnen, Indien, Brasilien und die Vereinigten Staaten.

      Eine amerikanische Studie mit erschreckendem Befund

      Navarro-Valls hätte zudem eine Studie kennen können, die einige Jahre zuvor in den Vereinigten Staaten durchgeführt worden war. Ausgangspunkt der Studie war der klinische Alltag: US-amerikanische Psychologen, die mit den Traumata sexuell missbrauchter Ordensfrauen vertraut waren, fassten Mitte der 1990er-Jahre den Entschluss, sich systematisch mit der Thematik auseinanderzusetzen. Weil die Literatur zu solchen Fällen ausgesprochen mager – um nicht zu sagen non-existent – war, brachten sie selbst eine Untersuchung zu diesem Thema auf den Weg. Sie befragten 578 Ordensfrauen aus drei verschiedenen Instituten in den USA. Im Ergebnis erwies sich sexueller Missbrauch als erschreckend normal. Von den befragten Frauen gaben 39,9 Prozent an, sexuellen Missbrauch erlebt zu haben. 29,3 Prozent sagten, sie wären während ihrer Zugehörigkeit zur jeweiligen Gemeinschaft sexuell missbraucht worden. In 39 Prozent aller berichteten Fälle kam es auch zu genitalem Kontakt.

      Die häufigste Form des Missbrauchs war sexuelle Ausbeutung. Sie ist dadurch definiert, dass ein in einer professionellen Beziehung bestehendes Machtungleichgewicht vom überlegenen Part, der eigentlich zur professionellen Distanz verpflichtet wäre, dazu ausgenutzt wird, sich der ihm anvertrauten Person sexuell zu nähern. Aufgrund des bestehenden Machtungleichgewichts und der Rolle des professionellen Parts kann es in solchen Beziehungen keine einvernehmlichen sexuellen Kontakte geben. Die Forscher dazu: „Sexuelle Ausbeutung lässt sich am besten im Sinne einer Verletzung der Berufsethik definieren. Sie liegt vor, wenn eine Person in einer professionellen Verantwortungsposition die Abhängigkeit und Verwundbarkeit einer ihr anvertrauten Person ausnutzt. [...] Es ist immer die Aufgabe des Verantwortlichen, sexuelles Verhalten in diesen Beziehungen zu vermeiden, weil: (a) es eine Verletzung der Professionalität darstellt; (b) es sich um einen Missbrauch von Autorität und Macht handelt; (c) Verwundbarkeit und Abhängigkeit einer schwächeren Person ausgenutzt werden; und (d) eine sinnvolle Zustimmung unmöglich ist, da die Zustimmung zu sexuellen Handlungen nur in einer Atmosphäre der Gegenseitigkeit und Gleichheit erfolgen kann.“ Das bedeutet auch: „Ausbeutung geschieht unabhängig davon, ob der unterlegene Part glaubt, freiwillig eine sexuelle Beziehung mit dem Professionellen einzugehen oder nicht.“

      Zwei Umstände ließen die Opfer tatsächlich in vielen Fällen glauben, sie hätten in die Handlungen eingestimmt: Dass der Priester durch die Taten sein eigenes Zölibatsversprechen brach, erzeugte für die Schwestern eine Illusion von Augenhöhe zwischen ihnen und dem jeweiligen Täter. Zum anderen bauten die Täter oder Täterinnen in vielen Fällen den Eindruck einer besonderen, womöglich gottgefälligen Liebesbeziehung auf. Viele Opfer realisieren erst spät, dass sie ausgenutzt und missbraucht wurden, etwa wenn die vermeintlich liebende Person ihr freundliches Gesicht ablegte, ein „Nein“ des Opfers nicht akzeptierte oder über dessen Nöte und Ängste gleichgültig oder gewaltsam hinwegging und das Machtungleichgewicht dadurch wieder im vollen Umfang spürbar wurde. Ein Schlüsselerlebnis schien für viele die Erkenntnis zu sein, dass derselbe Täter oder dieselbe Täterin auch sexuellen Umgang mit anderen Schwestern pflegte.

      Wie schon angedeutet, gab es auch Täterinnen: Um die 13 Prozent der Befragten gaben an, sexuelle Ausbeutung oder Belästigung durch eine Mitschwester erlebt zu haben. In den weitaus meisten Fällen waren die Täter aber männlich und Kleriker. Meistens waren sie die Beichtväter und geistlichen Begleiter ihrer Opfer. Die Opfer nennen als Folgen der Missbrauchserfahrungen unter anderem Schuld- und Schamgefühle, eine gestörte Gottesbeziehung, Depressionen bis hin zu Suizidgedanken.

      Über die Studie wurde in zwei amerikanischen Fachzeitschriften berichtet: Im Sommer 1998 erschien eine Zusammenfassung der Ergebnisse in der Review for Religious, im Dezember desselben Jahres in der Review of Religious Research. Was waren die Folgen? Was ist seither geschehen? Ein Zeitungsbericht zitiert einen der Forscher mit den Worten, die Forschergruppe hätte damals zusagen müssen, keine Pressemitteilung über die Studie herauszugeben, weil die Leadership Conference of Women Religious (LCWR) besorgt gewesen wäre, die Daten könnten sensationalistisch ausgeschlachtet werden. Der Forschungsleiter hätte den Eindruck gehabt, man wolle seine schmutzige Wäsche lieber nicht in der Öffentlichkeit waschen. Offizielle Reaktionen auf die Studie scheint es in den vergangenen zwanzig Jahren weder von der LCWR noch von einzelnen Instituten gegeben zu haben.

      Fälle aus der jüngsten Vergangenheit

      Leider hat es auch in der jüngsten Vergangenheit Fälle gegeben. So berichtete The Korea Times erst vor kurzem von einem Fall aus dem Jahr 2011, der im Februar 2018 öffentlich bekannt geworden war. Die koreanische Ordensfrau K. war während eines Einsatzes im Sudan von H. M., einem koreanischen Diözesanpriester, belästigt worden. Während beide im Sudan waren, „musste sie die ganze Nacht aufbleiben, weil sie befürchtete, dass H.M. ihr Zimmer einbrechen und sie vergewaltigen würde. Dieser hämmerte stundenlang bis in die Morgendämmerung auf ihre Türe ein. Eines Tages brach er das Schloss auf, kam in ihr Zimmer und sagte: ‚Ich kann meinen Körper nicht kontrollieren, also solltest du mir helfen.’ K. sagte, dass sie es kaum schaffte, aus dem Raum zu entkommen.“ Obwohl die Ordensfrau sich hilfesuchend an zwei andere Priester wandte, die dort waren, unternahmen diese nichts. Mittlerweile ist H.M. suspendiert worden.

      Es gibt aber auch prominente jüngere Fälle aus Europa, wie jenen des Gründers der Johannesgemeinschaft, Marie-Dominique Philippe. Er entwickelte eine Spiritualität der geistlichen Liebe, die er (und vermutlich auch andere Patres derselben Gemeinschaft) dazu nutzte, sich jungen Schwestern und anderen jungen Frauen sexuell zu nähern. Bekannt geworden ist auch der Fall von G. C., dem Gründer der Gemeinschaft der Seligpreisungen, der über Jahre hinweg junge Ordensfrauen in sogenannten „mystischen Vereinigungen“ zum Geschlechtsverkehr

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