Transzendierende Immanenz. Manfred Bös

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Transzendierende Immanenz - Manfred Bös Orbis Romanicus

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      Manfred Bös

      Transzendierende Immanenz

      Die Ontologie der Kunst und das Konzept des Logos poietikos bei dem spanischen Dichter Antonio Gamoneda

      Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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      © 2020 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

      Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

      www.narr.de[email protected]

      Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      ISBN 978-3-8233-8340-6 (Print)

      ISBN 978-3-8233-0201-8 (ePub)

      Einleitung

      Autoren der philosophischen Anthropologie

      1928 veröffentlichte der Münchner Philosoph Max Scheler ein Bändchen mit dem Titel Die Stellung des Menschen im Kosmos1. Diese kleine Schrift wurde zur Geburtsurkunde der modernen philosophischen Anthropologie, obwohl auch noch im selben Jahr die weitaus umfassendere Arbeit Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie2 Helmut Plessners erschien. Hinsichtlich der Koinzidenz beider Publikationen bzw. der Originalität der dort ausgeführten Ideen gab es zwischen beiden Autoren noch Jahre später Verstimmungen. Zwölf Jahre danach erschien Arnold Gehlens zentrales Werk zur philosophischen Anthropologie Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt3, womit drei wesentliche Veröffentlichungen zur philosophischen Anthropologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts benannt wären. In dem philosophierenden Arzt Paul Alsberg hatten sie einen Vorgänger, der mit seinem Werk Das Menschheitsrätsel4 1922 zum ersten Mal in neuer stringenter Manier die Heraufkunft des Menschen aus der Natur systematisch darzustellen suchte; desgleichen in dem Biologen Jakob Johann Baron von Uexküll, dem Begründer der Biosemiotik und dem Schöpfer des Begriffs der Umwelt, sowie dem niederländischen Mediziner und Anatom Louis Bolk oder dem Biologen und Anthropologen Frederik Jakobus Johannes Buytendijk. Auch der sich mit Fragen prähistorischer Anthropologie befassende Bonner Physiologe Max Verworn sowie viele andere Natur- wie Geisteswissenschaftler gehören zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu der Gruppe von Forschern, welche über ihr Fachgebiet hinaus sich die Frage nach dem Menschen und dem Menschlichen stellten.

      Neben den gerade genannten Autoren gehören zum Kern der damaligen philosophisch-anthropologischen Forschung die Arbeit Einführung in die Philosophische Anthropologie5 des 1944 im Konzentrationslager Oranienburg gestorbenen Philosophen Paul L. Landsberg, dessen Schrift Die Erfahrung des Todes6 ihn zu einem einflussreichen Vordenker des französischen Personalismus machte, die ob der damaligen politischen Umstände zuerst 1935 in Spanien (Übersetzung von Eugenio Imaz) dann in französischer Fassung und erst 1937 in deutscher Sprache in Luzern erscheinen konnte. Auch der Philosoph Erich Rothacker gehört dazu, der mit seiner Veröffentlichung Probleme der Kulturanthropologie7 von 1942 sowie seinen Vorlesungen zur philosophischen Anthropologie von 1966 zum Mitbegründer der geisteswissenschaftlichen Kulturanthropologie wurde.

      Selbstredend stehen die hier genannten Autoren nicht exklusiv für das Denken über den Menschen, welches als zentrales Substrat des westlichen philosophischen Denkens seit den Vorsokratikern über Protagoras, die athenischen Klassiker Platon und Aristoteles, über die lateinischen Denker zur conditio humana zu Montaigne, Pascal, den Aufklärern, Voltaire etc. sowie Herder und Kant und weiter hinüber bis zum monumentalen postum veröffentlichten Werk Hans Blumenbergs, Die Beschreibung des Menschen8, 2006 reicht.

      Scheler, Plessner und Gehlen scheinen mir jedoch einen bedeutenden Einschnitt in dieser langen Tradition zu markieren, da sie den Versuch unternehmen, den Menschen auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse in kosmologischer Perspektive neu zu bestimmen. Wesentliche Begriffe dieser Autoren scheinen bis heute fundamentale Gültigkeit zu besitzen und bei kritischer Revision dieser den Versuch wert, sie auf ein ästhetisches Fühlen und Denken zu beziehen. Eine derart aufgefasste philosophische Anthropologie reiht sich in das Denken der Aufklärung ein. Denn es stellt sich als Wagnis dar, das, was den Menschen wesentlich ausmacht, im Zusammenhang mit dem Makrokosmos und dem Mikrokosmos sowie jenen Lebewesen – den Tieren, mithin den Pflanzen – zu beschreiben, mit denen er die Erde teilt. Dabei stellt sich zugleich die Aufgabe, in dieser Weltimmanenz einen Zeichenbegriff zu erarbeiten, welcher ästhetisch ausgebeutet und philologisch auf die Dichtung Antonio Gamonedas angewandt, grundlegende Aussagen erwarten lässt, zumal das Werk Antonio Gamonedas dem Versuch eines Denkens der Immanenz entspricht (siehe in Esta luz9, S. 28 und 72), der Mensch in seiner Existenz als zentrales Thema seiner Dichtung verstanden werden kann.

      Die Sichtung der Quellen in der Einleitung breitet das denkerische Panorama der philosophischen Anthropologie jener Zeit in zentralen Schriften aus und versucht die grundlegenden Denkmuster der Autoren darzustellen. Es folgen Überlegungen zu einer Ontologie der Kunst, die Verortung der grundlegenden Begriffe von Bewegung, Rhythmus und Maß im Menschen und mit einem Entwurf zum Zeichenbegriff der Eintritt in die Welt der Dichtung Antonio Gamonedas selbst.

      Das lebendige Sein und die Kunst als Ausdruck transzendierender Immanenz

      Lebendige Natur ereignet sich dort, wo ein Organismus ausdrücklich wird. Ausdrücklich werden ist ein Prinzip des Lebendigen. Eine der Manifestationen der Natur ist das Organische, und im Organischen wird sie sich selbst ausdrücklich. Indem der Organismus ausdrücklich wird, manifestiert er sich als Pflanze, Tier oder sich selbst ausdrücklich auch als Mensch.

      Die Kunst exponiert und potenziert dieses dem Lebendigen innewohnende Prinzip der Ausdrücklichkeit. Die Künste sind Ausdruck im emphatischen Sinne. Sie Überhöhen das Prinzip des Ausdrucks in ihren spezifischen äußeren, d.h. objektiven Manifestationen, insbesondere in den Schönen Künsten, doch nicht nur in diesen. Kunst und Leben sind daher keine Gegensätze, sondern eins. Kunst findet statt im Ausdrücklichwerden des Ausdrucks. In ihr wird sich der Mensch in hervorragender Weise seiner selbst gegenwärtig und vermittels ihrer schafft er sich – ein Wesen der Natur – sein Sein.

      Kunst ist die absichtsvoll nach außen gewendete Natur des lebendigen Wesens Mensch, die Ausdrücklichkeit des Ausdrucks im emphatischen Sinne.

      Die Form der Ausdrücklichkeit des Lebewesens Mensch heißt transzendierende Immanenz. Transzendierende Immanenz antwortet auf die Alsbergische Frage nach dem Ort des Menschen im Linnéschen System der zoologischen Taxonomie, in dem der Mensch seinen biologischen Platz überschreitet, ohne diesen je verlassen zu können. Sie ist die Antwort auf die Frage nach der Heraufkunft des Menschen als Meister der Negation und Asket, wie Scheler ihn denkt, oder nach der Plessnerschen Dynamik des in der gegensinnigen Grenzvermittlung hervortreibenden Ausdrucks dessen, was schließlich in das sich selbst gegenwärtige Lebewesen Mensch mündet, oder aber wie in einem systemischem Denken als Zusammenhang von sich gegenseitig fordernden Bedingungen à la Arnold Gehlen. Bei ihm bindet sich Erinnerung an Motorik, und Motorik lässt den in Selbststellung stehenden Menschen sich selbst und anderen in Haltung, Handlung und Ausdruck gegenwärtig sein.

      Transzendierende Immanenz entspricht der Organisation des lebendigen Individuums Mensch, da es sich in seinem Körper verwirklicht, indem er der Forderung entspricht zu bleiben, „was er ist, und überzugehen

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