Transzendierende Immanenz. Manfred Bös

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Transzendierende Immanenz - Manfred Bös Orbis Romanicus

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Immanenz ist der Ursprung für die Plastizität des Sinnlichen und Bedingung der Möglichkeit für die Gegenwart des Geistes.

      Transzendierende Immanenz ist der Ursprungsort selbsterlebter lebendiger Bewegung und Rhythmus ihr Impuls im Werden.

      Transzendierende Immanenz entspricht der Schwellnatur des Akustischen2, das dem Hören, Atmen und der Artikulation zugrunde liegt.

      Transzendierende Immanenz ist jene Form von Ausdruck, Haltung und Handlung die, der Gruppe anheim gegeben, von jedem Einzelnen dieser gespiegelt und wiederholt in Tanz, Schrift und Zeichen verwandelt, zur Bedeutung sich verfestigt und es dem Menschen – sich selbst ausdrücklich geworden – erlaubt, aus dem autistischen Schoß der Natur sich zu sich selbst hin aufzuschwingen.

      Die Aufgabenstellung

      Denkbarkeit also einer sich selbst fordernden Dynamik aus immanenter Struktur heißt die Aufgabe, der sich diese Studie widmet.

      Sie besteht demzufolge darin, dem dichterischen Denken Antonio Gamonedas einen ontologischen Ort aufzuspannen, den es bewohnt und schafft zugleich. Ausgehend also von einer Ontologie des Lebendigen heißt es, eine Ontologie der Kunst am Leitfaden der Begriffe von Bewegung in all ihren Erscheinungsformen von Bewegtheit, Bewegtsein zur Selbstbewegung in Ortsbewegung, Handlung und Haltung sowie in ihrer Spezifizität als Metrum, Zeichen, Rhythmus und Maß zu entwickeln und den gamonedaeischen Logos so im Sein zu verfugen.

      Diese Arbeit ist keine kritische, auch wenn krinein und legein (teilen und sammeln) darin wesentliche Bewegungen darstellen – rhythmisch wie denkerisch. Es handelt sich letztlich um den Versuch einer Ästhetik auf biokinetischer Grundlage, weder zynisch noch komisch, verzweifelt oder tragisch, euphorisch oder hochfahrend. Sie bewegt sich mittig, sucht die Balance, wenn auch nicht den Ausgleich.

      Die Arbeit widmet sich der Entschlüsselung und Deutung von Dichtung nicht im Sinne einer Lektürekonstruktion, sondern sie versucht eine Freilegung der ontologischen Fundamente1 im dichterischen Denken Antonio Gamonedas mit dem Instrumentarium der philosophischen Anthropologie. Dies führt auch zur Betrachtung der Bedeutung seines Denkens, da mit dem ontologischen Ort der dichterischen Rede auch dessen soziale und historische Relevanz erkennbar wird. Denn dieser ontologische Ort kennzeichnet den Platz des Dichterwortes im Gespräch der Gemeinschaft, und sei es auch nur, um diesen im gleichen Atemzug wieder zu bestreiten oder zu verschieben.

      Das Zurückbeugen der Dichtung auf das Sein führt es an den Kreis menschlichen Tuns wie Rechnen, Messen, Zählen, Sagen, Tanzen, Malen oder Singen heran und lässt seine Bedeutung als eine der wesentlichen welterschließenden Aktivitäten des Menschen sichtbar werden. Darin liegt seine epistemologische Qualität und seine ontologische Dignität.

      Der Gedanke Denken und Dichten gerade im Werk Antonio Gamonedas zusammenzubringen, kann sich auf seinen Arbeitsprozess berufen. Dieser orientiert sich am Palimpsest. Jeder Text, alt oder neu, kann zu jeder Zeit der Überarbeitung überantwortet werden. Die allgegenwärtige re-ecriture der Texte überschreibt den historischen Abstand in den Resonanzraum der beständig erneuerten Aktualität des Erinnerns. Denn die Erinnerung atmet mit dem Jetzt, während das Gedächtnis den Speicher des Vergangenen stellt. Damit erstarken die inneren symbolischen Verweisungen der Dichterrede und geben den Blick frei auf ein Sein, das sich nicht in Geschichten, sondern in der Darbietung einer Sonderwelt erschließt, der das Antlitz einer individuellen Existenz eignet. Dabei nimmt der Autor keine Transzendenz in Anspruch. Er hält sich streng in der Immanenz seines Seins als Bewohner dieser einen Welt2. Aus dieser Haltung der Immanenz nährt sich die Betrachtung der Sprache als Materie3, aus seinem dichterischen Tun das Transzendieren in und am Material.

      Dementsprechend bieten die hier zugrunde gelegten Schriften der philosophischen Anthropologie ein passendes Rüstzeug, welches den Menschen aus der Immanenz seines Seins wie aus der Gemeinschaft der Lebewesen und ihrer Geschichte4 zu deuten versucht.

      Die beharrliche Anpassung des einmal Niedergeschriebenen an die veränderten anatomischen und physiologischen Bedingungen des Körperleibes und der Bewegungen seines Atmens5, seines Taktes und Rhythmus zeugt von dessen zentraler Rolle für die Dichtung Antonio Gamonedas6. Es zeugt aber auch und vordem von der zentralen Rolle des Rhythmus selbst als einer geführten Bewegung in der Sprache hin zu einer Beschreibung der Welt im Spiegel der Seele7. Der Rhythmus als bewegte Bewegung und Impuls8 der werdenden Form der Erscheinung der Welt im Spiegel der Seele in Sprache teilt und versammelt (legein kai krinein) das Sein in ein Vorher und Nachher, ein Davor und Dahinter, ein Hier und Dort. Die Welt erscheint in der werdenden Form von Bewegung und Beharrung9. Der Rhythmus, indem er den Körperleib, den Beweger der Sprache bewegt, positioniert diesen gegenüber der Welt und die Welt ihm gegenüber. So ist der Rhythmus in der Dichtung Antonio Gamonedas gleichursprünglich, vorursprünglich gar mit dem Gedanken10, und also jener Impuls seines dichterischen Denkens, welches für die werdende Form seiner Sprache maßgeblich verantwortlich zeichnet.

      Das pulsiv-musikalische Denken Antonio Gamonedas ist notwendiger Weise ein körpernahes Denken. Für die anthropologische Philosophie ist der Körper, insbesondere der Körperleib der Ort, an dem sich das Drama des menschlichen Lebens manifestiert. Daher kann die theoretische Angemessenheit philosophisch-anthropologischer Begriffe auf die dichterische Praxis unseres Autors behauptet werden.

      Die philosophische Anthropologie eines Helmuth Plessners zum Beispiel entspricht dem Gedanken des Ausdrucks aus der Quelle des Körperleibes mit der Idee der exzentrischen Positionalität und der selbstvermerklichen Bewegung, der Manifestation des Geistes in Körperhaltung, Geste und Musik. Diese Auffassung sieht den Körperleib vermittelst der Bewegungsformen von Haltung, Handlung und Stellungnahme auch in die Welt hineingestellt. Denn die exzentrische Positionalität stellt eine Verortung des Körperleibes in sich selbst und der Welt gegenüber dar. In der Körperhaltung wird eine Stellungnahme zur Welt, eine Haltung, ein Gedanke erkennbar, die in einer Handlung oder Darstellung, in Tanz, Rede oder Musik münden mögen. In der selbstvermerklichen Bewegung schließlich erscheint die Bedingung der Möglichkeit des darstellenden, mithin symbolischen Verhaltens grundsätzlich gegeben11.

      Hebt der Bürger der platonischen Stadt seinen Fuß zum Dithyrambus oder der Dichter Antonio Gamoneda seine Stimme im Fuß des Verses, so nehmen sie sich selbst gegenüber eine Stellung ein, werden sich, ihrem Milieu und der Welt gegenüber ausdrücklich. Darin finden Bewegung, und in der Folge geführte Bewegung und Rhythmus ihren ontologischen Anker und darin gründet ihre ontologische Dignität.

      Nun mag der Autor Antonio Gamoneda die philosophische Anthropologie bedacht oder auch nicht bedacht haben. Die Tatsache jedoch, dass ein Werk existiert, dem der Autor sein Denken anvertraut und in dem die menschliche Existenz zentral, Transzendenz jedoch nur innerhalb dieser thematisiert ist, scheint mir eine hinreichende Ausgangsbasis für eine Untersuchung des Logos poietikos Antonio Gamondas mit dem Instrumentarium der philosophischen Anthropologie darzustellen.

      Wenn die Wahl der Ideen und Erklärungen sich als falsch herausstellen sollte, müssten sie widersprüchliche Ergebnisse zeitigen. Dies scheint mir jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil: Die Annahme einer Ideengemeinschaft zwischen philosophischer Anthropologie und dem dichterischen Denken Antonio Gamonedas scheint sich zu bestätigen. Ausdruck dieser ist der Terminus der transzendierenden Immanenz. Transzendierende Immanenz ist der Begriff für einen Gedanken, der eine Dynamik zu beschreiben sucht, welche den Schritt aus einem Innen allein über dieses selbst hinaus entbirgt.

      Damit diese Dynamis verstehbar werden kann, bedarf es der Annahme eines gliedrigen Ganzen, einer Komplexion – im Gegensatz zu einem Einfachen. Transzendierende Immanenz ist ein Geschehen der Komplexion, in dem unterschiedliche, einem Ganzen innewohnende Elemente über sich selbst hinaustreiben und die Natur des Ganzen vermittelst interner Prozesse verändern.

      Transzendierende Immanenz bezeichnet also ein Geschehen

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