Theater und Ethnologie. Группа авторов

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Theater und Ethnologie - Группа авторов Forum Modernes Theater

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und der Interaktion unterschiedlicher Kulturen ergeben, mittlerweile fest etabliert. Es wird sogar behauptet, wir lebten im „Zeitalter der Interkulturalität“.1 Vielleicht müsste man eher sagen, unser Zeitalter sei so interkulturell wie nie, denn anders als interkulturell lässt sich die Geschichte der Menschheit wohl nicht vorstellen.

      Was passiert aber eigentlich im Theater, wenn es sich für Interkulturalität interessiert? Strebt es interkulturelle Verständigung an, oder stellt es sie nur aus? Erstreckt sich Interkulturalität lediglich auf das inszenierte Stück, oder schließt es auch das Personal – Schauspieler, Regisseure, Dramaturgen, Beleuchter etc. unterschiedlicher nationaler oder ethnischer Abstammung – mit ein? Erfüllt es einen Vermittlungsauftrag, und/oder geht – gewollt oder nicht gewollt – mit Interkulturalität eine Form der Vereinnahmung einher? Und wenn das Theater sich für Interkulturalität interessiert, ist es dann zwangsläufig auch ein interkulturelles Theater? Gibt es womöglich ein Ideal des interkulturellen Theaters? Diese Fragen sind so ohne Weiteres nicht zu beantworten, und es ist auch nicht mein Ziel, dies hier zu leisten. Interessant ist freilich der Umstand, dass die Problematik der Beantwortung unter anderem dem Sachverhalt zugeschrieben wurde, dass wir es mit einem vergleichsweise offenen Theorie- und Arbeitsfeld zu tun haben, das angesichts des beschleunigten Globalisierungsprozesses zu einer „große[n] Unübersichtlichkeit“ beigetragen habe.2 Am Ende mag es ein wenig einfach sein, die Globalisierung, wie es so häufig geschieht, für alle Probleme verantwortlich zu machen, die aufgrund einer nicht mehr eindeutigen bzw. schwieriger gewordenen Verständigung über Gegenstände, Sachverhalte usw. entstanden sind. In unserem Fall liegt einer der Gründe für die angesprochene Einschätzung womöglich im Begriff der Interkulturalität selbst. Zwar ist von einer „unentbehrlichen Denknotwendigkeit unserer Zeit“ die Rede,3 aber im gleichen Atemzug wird zugegeben, dass kaum Klarheit darüber bestehe, was Interkulturalität bedeute,4 was sie „eigentlich ist bzw. sein soll“, wie es noch vor Kurzem in einem Grundlagenartikel zur „Black Box ‚Interkulturalitat‘“ schlagwortartig formuliert wurde.5 Wenn solche Unkenrufe aus dem Revier der Interkulturalitätsforschung in die Welt gesendet werden, dann mag es wenig verwundern, warum Theater und Theaterwissenschaft, wenn sie sich mit dem Thema beschäftigen, einen gewissen Eindruck der Orientierungslosigkeit hinterlassen. Aber mir scheint hier weniger eine Orientierungslosigkeit bestimmend zu sein, sondern genau das Gegenteil: – eine Art – sagen wir – Voreingenommenheit bezüglich dessen, was Interkulturalität ist, so als wäre es keiner weiteren Erwägung mehr wert, darüber jenseits der Vorstellung nachzudenken, dass es sich um eine Begegnungskonstellation zwischen zwei voneinander deutlich abgrenzbaren Kulturen und/oder ihren Repräsentanten handeln würde.

      Das Nachdenken über Interkulturalität im Zusammenhang mit dem Theater hat etwa Mitte der 1970er Jahre eingesetzt und seinen vorläufigen Höhepunkt in den 1990er Jahren erreicht. Inzwischen ist es geradezu ein Topos, davon auszugehen, dass ohne das Interkulturelle die Theatergeschichte gar nicht denkbar wäre.6 „Theatre has always been intercultural“.7 Im Zuge solcher Festschreibungen sind weitere Auseinandersetzungen und Vertiefungen mit diesem Thema weitgehend zu den Akten gelegt worden. Es wird vielmehr, wenn von Interkulturalität die Rede ist, regelmäßig allem Anschein nach davon ausgegangen, dass Klarheit über ihren begrifflichen Horizont besteht. „Die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und dem Fremden hat eine lange Tradition im europäischen Theater, Nathan der Weise und Andorra sind Dauerbrenner im Theater“,8 lautet es noch kürzlich in einem Vortrag, der sich dem interkulturellen Theater widmete. Wenn es sich bei „Nathan der Weise“ um ein interkulturelles Theaterstück handelt, wie verträgt sich damit die Diagnose, dass, zumindest in der deutschen Theaterlandschaft, „Interkulturalität […] wie ein Fremdwort“ wirke?9 Offenkundig sind hier jedoch unterschiedliche Interkulturalitätsbegriffe am Werk, denn im Falle „Nathans“ wird Interkulturalität als eine religiöse Dreiecks- und Austausch-Beziehung inszeniert, von der die formale Gestaltung dieses Dramas weitgehend unberührt bleibt. Anders verhält es sich dagegen, wenn es um den durch Einwanderer aus Korea im 8. Jh. geprägten japanischen Hoftanz bugaku geht oder aber um die in Mexiko ab dem 16. Jahrhundert um sich greifenden Autos sacramentales, „die die katholischen Zeremonien der spanischen Kolonialherren mit indianischen Ritualen vermischten“,10 um die Rezeption der Commedia dell’arte in der französischen Klassik oder um die westlichen Avantgarden des 20. Jahrhunderts von Artaud, Brecht und Craig bis Wilson. In diesen Fällen handelt es sich um Formen der Rezeption, Aneignung und Vermischung, die in Auseinandersetzung mit einem Theater stehen, das in kulturell anders geprägten Kontexten entstanden ist, und die sich sowohl auf den Inhalt als auch auf Struktur, Inszenierung und Sprache des jeweiligen Stücks auswirken können. Damit wird allerdings eine differentia specifica in das Verhältnis von Theater und Interkulturalität eingezogen, die auf ein Theater hinausläuft, „bei dem sich Individuen unterschiedlicher ethnischer Identität begegnen oder Elemente sich völlig fremder Theatertraditionen aufeinander stoßen.“ Der Konvention entsprechend soll also dann von interkulturellem Theater die Rede sein, „wenn es sich um verschiedene ethnische Kulturen handelt und unterschiedliche Einzelsprachen gesprochen werden.“11

      Sind wir mit Blick auf die eingangs gestellte Frage, was denn eigentlich passiert, wenn sich das Theater für Interkulturalität interessiert, ihrer Beantwortung einen Schritt näher gekommen? Nimmt man die allgemeine Diskussion zum Maßstab, so lässt sich zumindest festhalten, dass von dem Befund einer interkulturellen Konstellation im theatralen Raum in concreto nicht notwendigerweise auf ein interkulturelles Theaterstück geschlossen werden kann. Umgekehrt haben wir es beim interkulturellen Theater mit einem für das Verhältnis von Interkulturalität und Theater spezifischen Fall zu tun, der es uns ermöglichen soll, aus ihm wiederum Schlussfolgerungen für das Verhältnis selbst zu ziehen. Bei der begrifflichen Einschränkung auf solche Inszenierungen, in denen Elemente aus mehr oder weniger deutlich zu unterscheidenden Kulturen verarbeitet werden, stellt sich allerdings der Verdacht ein, dass damit Differenzen markiert werden, durch die das Fremde gleichsam sicht- und fassbar gemacht werden soll. Anders lässt sich nicht erklären, warum in der Theaterwissenschaft und nicht nur hier die Tendenz vorherrscht, dann von interkulturellem Theater zu sprechen, wenn sich westliche – europäische oder europäisch-amerikanische – Elemente mit außereuropäischen verbinden. Der dahinter stehende Wille, die europäische Theatertradition nicht dominant werden zu lassen, um solchermaßen dem Vorwurf des Eurozentrismus zu entgehen, wird nicht nur durch die Überbetonung der Differenz und damit durch das offenkundige Wissen über das, was das Eigene und Fremde ist, partiell zurückgenommen; er führt auch – wenn auch nicht unbedingt beabsichtigt – zur Stärkung eines Containermodells von Kultur zu Lasten eines Verständnisses von Kultur als plurale tantum.12 Problematisch ist dabei nicht, dass es Differenzen gibt, sondern dass vermeintlich gewusst wird, was dies- und jenseits der Grenze liegt, die die Differenzen bloßlegt. Dahinter verbirgt sich eine Verstehensbemühung, die immer schon und auch heute, wenn von interkultureller Kommunikation und ihren Zielen die Rede ist, auf die Herstellung von Eindeutigkeit ausgerichtet ist. Interkulturalität sollte es jedoch nicht um die Herstellung von Eindeutigkeit, sondern um deren Infragestellung gehen. Sie schließt Verstehen zwar nicht aus, aber es ist nicht ihr primäres Anliegen. Denn ein solches Anliegen zielt darauf, das, was verstanden werden soll, den Voraussetzungen eines ,Denkens-wie-üblich‘ (im Sinne von Alfred Schütz) anzupassen.13 Insofern geht nach meinem Verständnis mit Interkulturalität der (kultur-)anthropologische Ausbruch aus diesem Denken-wie-üblich einher. Darauf wird im weiteren Verlauf noch einmal einzugehen sein.

      2. Ethnologie (und Interkulturalität)

      Während im Denken-wie-üblich Kultur ihre Ontologie bewahrt, zielt Interkulturalität darauf ab, sie zu durchkreuzen. Durchkreuzen heißt gleichzeitig, Irritationen zu erzeugen, das Üblichsein in eine Art Unvertrautheit zu überführen. Ein solches Interkulturalitätsverständnis ist in besonderem Maße inspiriert durch die Ethnologie und ihre Theorie- und Methodendiskussion der letzten 40–50 Jahre, eine Diskussion, die, wenn man sich jüngste Publikationen vor Augen führt, immer noch nicht abgeschlossen ist.1 Die moderne Ethnologie gilt nicht von ungefähr als eine Disziplin, die im Sinne Foucaults vor allem „ein ständiges Prinzip der Unruhe, des Infragestellens, […] des Bestreitens dessen“ bildet, „was sonst hat als erworben gelten können.“2

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