Theater und Ethnologie. Группа авторов
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Die bislang gut 600 Jahre währende Existenz dieser Figuration hat bislang keine sehr positiven Auswirkungen auf die Individuen der Rom-Völker gehabt. Ihr Leben wurde und wird dadurch auf jenen dystopischen Raum beschränkt, der aus der Überlagerung von Fiktivem und Realem hervorgeht. Besonders deutlich wird das beispielsweise in der heute noch gängigen Vorstellung von den Rom-Völkern als fahrendem und nomadisierendem Volk. Durch die notwendige wirtschaftliche Anbindung an die Mehrheitsbevölkerung lebt der Großteil der Rom-Völker schon seit Jahrhunderten in bestimmten Regionen, lokal verankert. Ihr Mobilitätsradius war und ist entsprechend gering. Die wenigen verbliebenen Fahrenden wurden spätestens im 20. Jahrhundert durch den Realsozialismus und den Eisernen Vorhang zur Sesshaftigkeit gezwungen, aber auch in Westeuropa kam es durch politische Initiativen verstärkt zur ihrer Integration und Verstetigung. Migration wurde vornehmlich in der Folge von Konflikten notwendig, zuletzt während der Balkan-Kriege, bei welchen die Angehörigen der Rom-Völker zu den ersten Vertrieben gehörten. Dennoch hält sich die Vorstellung von den vagabundierenden Fremden hartnäckig im kollektiven Gedächtnis, bildet ein wesentliches Merkmal des Daseins als ‚Zigeuner‘.
Am Beispiel der Figuration ‚Zigeuner‘ lässt sich zeigen, wie sich Ästhetik und Politik fallweise überlagern. Zu fragen bleibt letztlich: Bietet die Kunst eine Möglichkeit, diesem Dilemma zu entkommen und einer Lösung zuzuarbeiten? Prolongiert nicht ein jeder neuer Diskurs, jede Inszenierung, Verfilmung und weitere Formen der Aufführung die realen Effekte der stigmatisierenden Fremdbeschreibung? Oder lässt sich in Performance und etwas allgemeiner, im Rahmen der Kunst tatsächlich eine kritische Haltung zu dieser Figuration entwickeln? Bietet die Reinszenierung und Resignifizierung dieser Maske ein emanzipatorisches Potenzial für die darunter subsummierten Subjekte,17 oder wird hierdurch deren Status als „Unmarkierte“ einzig und alleine perpetuiert?
An die These, dass das Fremde nur als Figuration mit den Mitteln der Repräsentation konkretisiert werden kann, knüpft sich indes auch das Wissen, dass jedwede Figuration nie holistisch sein kann, weil ihre Repräsentation nie totalisierend gelingen kann. Diese Überlegung räumt der darstellenden Kunst durchaus das Potential ein, das zugrunde liegende Problem, wenn schon nicht zu lösen, so doch wenigstens zu transformieren. Darauf setzen offensichtlich auch zahlreiche Initiativen, die aus der Decade of Roma-Inclusion 2005–2015 (so der Name des EU-Programms zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Angehörigen der Rom-Völker) hervorgegangen sind und sich in Publikationen und anderweitigen künstlerischen Formaten niederschlagen. Will die Kunst, die der Ausbildung dieser Figuration zugearbeitet hat, ihre realen Effekte indes subvertieren, dann müsste sie auf ebenjenen Spalt fokussieren, der zwischen der Figuration und der realen Person liegt, ihn selbst zum Ausgangspunkt für ein Spiel nehmen, ihn produktiv wenden.18 Das abschließende Beispiel vermag indes eher eine pessimistische Einschätzung zu geben.
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