Das geistige Straßburg im 18. und 19. Jahrhundert. Группа авторов

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Das geistige Straßburg im 18. und 19. Jahrhundert - Группа авторов Passagen

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play, but the milieu is middle class: a Strasbourg tinsmith, named Simplicius after Grimmelshausens’s hero, and this wife Unckenplutz are the deceived ones.“6

      Markus Paul, der sich im Rahmen einer Studie mit dem Nürnberger Theater des 17. Jahrhunderts beschäftigt hat, schreibt über dieses Stück:

      Von einem Mitglied des Pegenesischen Blumenordens stammt möglicherweise auch das 1680 in Nürnberg im Endterschen Verlag unter dem Pseudonym „Christian à Gletelberg“ erschienenen Stück Eryfila. Oder die Verrathene Zauber= und Wahr-sager=Kunst. Laut Vorrede basiert das 272 Seiten umfassende Werk auf einem französischen Schauspiel, dessen ursprünglichen Autor der Übersetzer nicht zu nennen vermag. Bemerkenswert ist, daß sich in der Vorrede nicht nur ein verstecktes Zitat aus dem Schauspielkapitel von Birkens Poetik findet, sondern dem Stück auch ein Begleitgedicht in sechs Strophen beigegeben ist, das von niemand anderem als dem ‚Pegnitzschäfer‘ Johann Gabriel Meyer unterzeichnet ist. Dabei geht es in dem auf moralische Belehrung abzielenden Stück um die als „Ertz-Aeffin deß Teufels“ titulierte Zauberin Eryfila und um allerlei Verwirrungen, Zauber- und Wahrsagerei. Gespenster, schwarze Kunst sowie den Teufel, der Tiere in Menschen verwandelt[.]7

      Die Parallele zwischen den beiden Werken, auf die von Faber hinweist, besteht darin, dass die Geister keine überirdischen Erscheinungen sind, sondern durch menschliche Kunstfertigkeit in der Absicht hervorgerufen werden, andere Menschen zu täuschen. Weil die bewusste Täuschung und willentliche Irreführung einer Mehrzahl von Figuren durch eine einzelne bereits in mittelalterlichen Schwankerzählungen zu finden und spätestens seit Pedro Calderón de la Barcas La Dama duende auch ein beliebtes Motiv der Komödie ist, erscheint von Fabers Überlegung allerdings wenig schlüssig.

      Die didaktische Intention tritt in dem Nürnberger Stück, das durchweg als ein Lustspiel angelegt ist, zwar deutlicher hervor als in dem Straßburger Stück; gemeinsam ist beiden jedoch, dass bereits zu Beginn herausgestellt wird, dass keines der auf der Bühne zu sehenden Gespenster Realität besitzt. In diesem Sinne heißt es in der Vorrede zu Eryfila:

      Erschrecke nicht allzusehr / geneigter Leser / ob dem ersten Anblick dieses Lust-Spiels / und laß dich ja nicht von einigem Grauen so har urplötzlich überfallen werden / daß du etwa aus unzeitiger Beysorge / ob möchten diese Larv- und Schreck-Gesichter dir die anmutige Nach-Ruhe verstören / und schreckbare Träume verursachen / dieses Büchlein zu kaufen und durchzublättern Bedencken tragen wolltest. Es ist und bleibt ein Lust-Spiel / in dem Wahr-sagen hier als Mahr-sagen / Geheim-Geister als Träum-Geister / Hand- und Stirn-Deutungen als Tand- und Hirn-Theidungen / und mit einem Wort / unter Zäuberern und Räubern / wie wie hierinn beschrieben werden / kein andrer Unterschied gemacht wird / als daß diese mit offenbarer Gewaltthäthigkeit / jene mit allerhand verdeckten Räncken und heimlichen Griffen / die Leid um das Ihrige bringen.8

      Die rationale Haltung, welche die Autoren beider Stücke akzentuieren, die Kritik an Leichtgläubigkeit und Aberglauben und die Betonung des Nutzens des literarischen Spiels und daraus zu ziehender Lehren für den Zuschauer, spiegeln Aspekte einer poetologischen Programmatik, die im weiteren Verlauf der literarischen Aufklärung zur Entfaltung gelangen sollte, aber in den Übergängen von Barock und Frühaufklärung schon erkennbar sind.

      Während das Nürnberger Stück bereits in seinem Titel auf eine französische Vorlage verweist, Christian von Gletelberg als Übersetzer desselben vor den Leser tritt und die Hinweise auf Bühnenwerke Molières den Bildungshorizont des unbekannten Verfassers und seines Publikums anzeigen, zeigt das Straßburger Stück die Vielfalt an Formen, Inhalten und Traditionen, die für die Bühnen des Barock vor „der klassizistischen Reinigung der Schaubühne“ kennzeichnend ist.9 Nicht die Geschlossenheit der Form und der Handlung, die Symbolhaftigkeit der dargestellten Welt oder das Individuelle der Personen stehen im Vordergrund; stattdessen weist das Stück durch die Reihung von komischen Szenen, Dialogen und Verwicklungen sowie durch das Typenhafte der Figuren auf eine Poetik, die an der unterhaltenden Wirkung des Bühnengeschehens orientiert ist. Das Nebeneinander zweier Handlungen, die Erweiterung um Szenen, denen die Funktion von Zwischenspielen zukommt und die Ergänzung um ein Nachspiel, erscheint daher lediglich aus der Perspektive eines Werkbegriffes als defizitär, der zwischen Sturm und Drang und Romantik entwickelt worden ist. Indem das Straßburger Stück jedoch nicht vor dem Hintergrund der theoretischen Erwägungen späterer Generationen entstanden ist, können diese (ihrerseits nunmehr historischen) Begriffe auch nicht zu seiner Einordnung herangezogen werden.

      In diesem Sinne ist der Polter-Geist das seltene Beispiel eines jener Volksstücke, mit denen Wandertruppen des frühen 18. Jahrhunderts ihr ungebildetes (weil nicht belesenes) Publikum unterhielten. Als ein Werk des Überganges steht es zwischen Mündlichkeit im Sinne theatralischer Performanz und Schriftlichkeit im Sinne einer sich ausbildenden Literarizität; es verbindet zwar Momente der französischen, italienischen und englischen Theatertradition, hat sich jedoch bereits von den damit verbundenen Konventionen gelöst. Es ist unterhaltend, erhebt auf eine implizite Weise aber bereits den Anspruch, zugleich lehrreich zu sein.

      Eulogius Schneider als literarische Figur – „Hergeloffener“ oder „Brückenbauer“ zwischen Deutschland und Frankreich?

      Annette Kliewer, Mainz / Bad Bergzabern

      Eulogius Schneider, sein Taufname war Johann Georg, wurde am 20. Oktober 1756 in Wipfeld am Main geboren. Schneider war schon in Deutschland mit der geistlichen und weltlichen Obrigkeit in Schwierigkeiten gekommen, emigrierte dann ins revolutionäre Straßburg, wo er schon bald Karriere machte. 1794 wurde er von seinen revolutionären Genossen in Paris hingerichtet. Seitdem taucht er immer wieder im populären Gedächtnis, in wissenschaftlichen und fiktionalen Texten in Deutschland und im Elsass, auf – einmal als Ausbund der Terreur, einmal als eine Lichtgestalt der deutsch-französischen Befreiungsversuche. Wieso konnte eine solche Figur bis heute eine so große Wirkung für die Straßburger Geschichte haben?1

      I. Der Hintergrund: Die Revolution in Straßburg

      Auch in Straßburg werden 1789 Bürgerclubs gebildet und 24 Abgesandte für die Etats Généraux nach Paris geschickt. Und trotzdem ist hier alles etwas anders: Das Elsass steht der revolutionären Bewegung in Paris etwas skeptisch gegenüber. Ein großes Problem ist die Frage der Religion: 220.000 Protestanten stehen 450.000 Katholiken gegenüber. Straßburg hatte eine tolerante Umgangsweise mit diesen verschiedenen Konfessionen gefunden, eine grundlegend antiklerikale Haltung passt zunächst nicht zu der herrschenden Volksfrömmigkeit. Zu welch merkwürdigen Koalitionen dies führen sollte, zeigt der Konflikt um den Nordturm der Kathedrale: Als 1794 radikale Antiklerikale den Turm abreißen möchten, wird er mit einer riesigen phrygischen Mütze verziert und so vor der Zerstörung gerettet. Eine weitergehende Zustimmung zu Frankreich stellt sich erst durch eine elsässische Sonderregelung her: Die Priester und Pfarrer sind seit 1790 gewählte Beamte des Staates, von ihm bezahlt und auch ihm unterworfen. Dies erhöht ihre Loyalität zu diesem Staat.1 Der Erzbischof François Antoine Brendel steht der Revolution nahe, wird aber von den Katholiken nicht wirklich akzeptiert, weil seine Wahl auch mit den Stimmen der Protestanten zustande kam. Die Protestanten scheinen insgesamt durch die Revolution mehr an Macht zu gewinnen als die Katholiken, ist die Abschaffung der Privilegien sowie die Etablierung der Menschenrechtserklärung doch eher in ihrem Sinne, da ihnen nun alle staatlichen Karrieren offenstehen.2

      In einem weiteren Punkt unterscheidet sich das Elsass von anderen Landesteilen: Hier spricht man einen deutschen Dialekt. Mit der Terreur wird auch dieser verboten, man befürchtet Verbrüderungen mit den deutschsprachigen Feinden. In der Tat werden 1792 preußische und österreichische Truppen freudig begrüßt, als sie die entthronten Adeligen bei ihrem Angriff auf Frankreich unterstützen. Als die Franzosen zurückschlagen, retten sich viele Elsässer auf die andere Rheinseite, weil sie befürchten, dass sie als Verräter verfolgt werden. Gleichzeitig kommen einige bekannte Generäle der Revolution (Jean-Baptiste Kléber, Jean Rapp und François-Étienne-Christophe Kellermann)

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