Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania. Группа авторов

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Geschichte des Fremdsprachenstudiums in der Romania - Группа авторов Tübinger Beiträge zur Linguistik (TBL)

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esto dicen que más ven cuatro ojos que dos“: Valdés’ Diálogo de la lengua (1535) aus der Perspektive moderner Ansätze der Fremdsprachendidaktik verwandter Sprachen

      Esme Winter-Froemel (Würzburg)

      1 Einleitung

      Die Tatsache, dass das Erlernen einer Fremdsprache grundsätzlich in einem Rahmen erfolgt, in dem die Lernenden bereits über Kenntnisse in mindestens einer anderen Sprache verfügen – einer oder mehrerer Muttersprachen / L1 sowie ggf. anderer bereits gelernter Fremdsprachen / L2 – mag als trivial erscheinen. Dennoch kann die Frage, wie dies bei der Vermittlung der Fremdsprache angemessen zu berücksichtigen ist, nach wie vor als eine zentrale Frage der Fremdsprachendidaktik angesehen werden. Hierbei rückte in einer ersten Phase in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts zunächst die Frage nach dem angemessenen Umgehen mit der (oder den) L1 der Lernenden in den Vordergrund, wobei vor allem die Gefahren einer Interaktion von L1 und L2 im Sinne von Interferenzen, d.h. von Abweichungen gegenüber korrekten L2-Äußerungen, die auf die L1 der Lernenden zurückgeführt wurden, gesehen wurden. In jüngerer Zeit lässt sich ein verstärktes Interesse für die Frage konstatieren, inwiefern Lernende beim Erwerb von Fremdsprachen – die nun auch als Tertiärsprachen / L3 gefasst werden – auch auf Kenntnisse anderer bereits gelernter L2 zurückgreifen; im Vordergrund stehen hier nun vor allem positive Transfereffekte auf die jeweils zu erlernende L3 (vgl. u.a. Müller-Lancé 2003). Letztere Thematik erscheint aufgrund der Möglichkeit, neue Wege zu Fremdsprachen aus derselben Sprachfamilie zu erschließen, für die Romanistik (wie etwa auch für die Slavistik und Skandinavistik) unmittelbar relevant, so dass entsprechenden Ansätzen ein großes Potential im Bereich der romanistischen Hochschuldidaktik zugeschrieben werden kann.

      Ausgehend von der festgestellten Relevanz und Aktualität kontrastiver Ansätze speziell für das Erlernen verwandter Sprachen soll im vorliegenden Beitrag ein Sprachdialog des 16. Jahrhunderts aus Italien in den Blick genommen werden, der sich im Kontext der Darstellung der wesentlichen Merkmale des Spanischen auch den Besonderheiten des Erlernens des Spanischen durch Muttersprachler des Italienischen widmet: Juan de Valdés’ Diálogo de la lengua. Ergänzend werden weitere zeitgenössische Autoren und Werke, insbesondere Antonio de Nebrijas Gramática de la lengua castellana, herangezogen. Der vorliegende Beitrag möchte analysieren, wie in den untersuchten Werken kontrastive Perspektiven im Kontext des Erlernens verwandter Sprachen thematisiert und wie sprachliche Strukturen des Spanischen und Italienischen konkret verglichen werden.

      Die genannten Texte Valdés’ und Nebrijas wurden – im Gegensatz zu anderen Werken der genannten Autoren – im zeitgenössischen Kontext nur schwach rezipiert (vgl. insbesondere den großen Erfolg von Nebrijas Werken zum Lateinischen; Bossong 1990, 73; Neumann-Holzschuh 1992, 618; Martínez 20131). Valdés’ Dialog war zu seinen Lebzeiten nur handschriftlich überliefert, und es kursierten verschiedene Versionen (vgl. die Titelvariante …de las lenguas); eine anonyme Druckfassung erschien erst 1737, eine Druckfassung unter Valdés’ Namen und mit korrektem Titel erst 1860 (vgl. Bossong 1990, 94; Martínez 2013, 45). Mein Beitrag versteht sich daher nicht als wirkungsgeschichtlich orientiert. Vielmehr soll ausgehend von Konzepten der aktuellen Fremdsprachendidaktik der Frage nachgegangen werden, inwieweit diese in den untersuchten Werken des 16. Jahrhunderts bereits punktuell aufscheinen. Aus Platzgründen können dabei die Valdés’ und Nebrijas Darstellungen zugrunde liegenden übergeordneten Ziele und Haltungen nicht umfassend erörtert werden; eine umfassendere Untersuchung der jeweiligen didaktischen Ansätze unter Einbeziehung der Rahmenbedingungen der Mehrsprachigkeit bleibt daher weiterführenden Studien vorbehalten (zur Mehrsprachigkeit im spanischen Italien des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. auch Ambrosch-Baroua 2015). Der vorliegende Beitrag beschränkt sich darauf aufzuzeigen, dass Überlegungen zur didaktischen Relevanz gemeinsamer Strukturmerkmale verwandter Sprachen bereits im 16. Jahrhundert anzutreffen sind.

      Um dies zu zeigen, wird in Abschnitt 2 zunächst ein kurzer Abriss über kontrastive Ansätze in der Geschichte der Fremdsprachendidaktik gegeben, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Abgrenzung zu bis dahin etablierten Ansätzen geprägt werden. Auch wenn die kontrastive Fremdsprachendidaktik als eigene Methode damit erst für diesen Zeitraum angesetzt werden kann, soll nachfolgend untersucht werden, inwiefern kontrastive Perspektiven bereits in fremdsprachlichen Lehrwerken des 16. Jahrhunderts anzutreffen sind. Aufgrund der Vielzahl der Werke wird im vorliegenden Beitrag eine Fokussierung auf Italien und auf Werke zum Erlernen des Spanischen als einer eng verwandten Sprache vorgenommen. In Abschnitt 3 wird ein knapper Überblick über entsprechende Werke gegeben, bevor in Abschnitt 4 Valdés sowie ergänzend dazu Nebrija in den Blick genommen werden. Ausgehend von Begriffen und Elementen der aktuellen Fremdsprachendidaktik wird untersucht, wie diese bereits in den untersuchten Werken thematisiert werden. In Abschnitt 5 werden Überlegungen zur Aktualität der Texte angestellt, wobei einerseits generelle Aspekte und andererseits spezielle Perspektiven für die aktuelle Hochschuldidaktik im Bereich der romanischen Sprachen betrachtet werden. Abschnitt 6 fasst die wesentlichen Ergebnisse zusammen und liefert einen kurzen Ausblick2.

      2 Kontrastive Ansätze in der Geschichte der Fremdsprachendidaktik

      In der Geschichte der Fremdsprachendidaktik (vgl. hierzu ingesamt Roche 2008; Reimann 2014) werden kontrastive Ansätze üblicherweise ab den 1950er bis 1970er Jahren angesetzt. Die Ansätze zielen darauf ab, eine Theorie des Fremdsprachenerwerbs zu entwickeln, die Schwierigkeiten beim Erlernen bestimmter Strukturen erklären möchte (vgl. Bettoni 2001, 172). Als grundlegende Werke können Charles C. Fries’ Teaching and learning English as a foreign language (1945) und Robert Lados Linguistics Across Cultures (1957) gelten; die von Lado geprägte „Contrastive Analysis Hypothesis“ wird in der Folge in der Fremdsprachendidaktik umfassend rezipiert (vgl. z.B. Szulc 1976).

      Lados Arbeit und die nachfolgenden Ansätze stehen dabei wissenschaftsgeschichtlich im Kontext des Strukturalismus und Behaviorismus. Im Sinne des letzteren wird Sprachenlernen als die Ausbildung von Gewohnheiten (habit formation) konzipiert, wobei angenommen wird, dass die Gewohnheiten aus der L1 aufgrund der Verschiedenheit der Sprachen grundsätzlich einen potentiell störenden Einfluss ausüben. Demnach lassen sich im Sinne der kontrastiven Hypothese Erwerbsschwierigkeiten voraussagen und im Bereich von Strukturen lokalisieren, die in der L1 und der L2 nicht übereinstimmen und daher unterschiedliche „Gewohnheiten“ der Sprecher erfordern: „those elements that are similar to his [the learner’s] native language will be simple for him, and those elements that are different will be difficult“ (Lado 1957, 2).

      Damit ergibt sich der strukturalistische Sprachenvergleich als zweite wesentliche Grundlage kontrastiver Ansätze in der Fremdsprachendidaktik: Um schwierig zu erlernende Strukturen voraussagen zu können, müssen die Strukturen in L1 und L2 verglichen und Übereinstimmungen sowie Abweichungen identifiziert werden. Als weiteres spezielles Instrument der Fremdsprachendidaktik erhält ferner die Fehleranalyse (error analysis) zentrale Bedeutung. Für die als schwierig identifizierten Strukturen werden sodann gezielte Übungsmethoden und -aufgaben ausgearbeitet.

      Wichtige Begriffe, die in diesem Zusammenhang geprägt werden, sind die Begriffe des Transfers und der Interferenz, die ausgehend von der Norm der jeweiligen Sprache bestimmt werden:

      Diejenigen Fälle der Abweichung von den Normen der einen wie der anderen Sprache, die in der Rede von Zweisprachigen als Ergebnis ihrer Vertrautheit mit mehr als einer Spache [sic], d.h. als Ergebnis des Sprachkontaktes vorkommen, werden als Interferenzerscheinungen verzeichnet (Weinreich 1976, 15, Hervorhebung im Original; vgl. Weinreich 1968, 1).

      Darüber hinaus werden dann jedoch in der Kontaktlinguistik und in der Fremdsprachendidaktik im Detail unterschiedliche Begriffsbestimmungen vorgenommen. In der Sprachkontaktforschung werden Einflüsse einer Ausgangssprache (AS) auf eine bestimmte Zielsprache (ZS) untersucht; hierbei wird der Begriff ‘Interferenz’ auf Realisierungen angewendet, die sich von den „üblichen“ (ohne Sprachkontakteinflüsse stattfindenden)

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