Wenn der Husten nicht mehr aufhört. Jamie Koufman
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Wenn jemand beispielsweise heftig hustend aus dem Schlaf schreckt und wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft schnappt, beruht diese Reaktion ausschließlich auf Atemwegsreflux. Das ist kein Asthma (siehe Kapitel 7: Ist das wirklich Asthma?). Auch Husten nach dem Essen, beim Hinlegen oder beim Bücken ist typisch für refluxinduzierten Husten.
Oder husten Sie, wenn Sie einen klimatisierten Raum betreten, beim leisen Lachen oder Sprechen? Das ist typisch für neurogenen Husten. Regelmäßiges Husten über den Tag verteilt oder als Reaktion auf bestimmte Dämpfe und Gerüche wie Parfüm oder Abgase im Verkehr sind charakteristisch für neurogenen Husten.
Denken wir an die 50 Patienten zurück, die an meiner ursprünglichen Studie zu chronischem Husten teilgenommen hatten.1 Bei 14 Prozent lag rein neurogener Husten vor, bei 40 Prozent rein refluxinduzierter Husten und bei 46 Prozent eine Mischform aus beidem.1 (Bitte lesen Sie geduldig weiter, diese Diagnosen werden in den Kapiteln 4 und 5 besprochen.)
Patientinnen und Patienten, die mich wegen chronischem Husten aufsuchen, ist der Begriff „neurogener Husten“ in der Regel nicht bekannt. Und Atemwegsreflux wird als Ursache für Husten meist übersehen. Vielmehr haben die meisten Betroffenen trotz refluxinduziertem Husten von einem Gastroenterologen erfahren, dass sie keinen Reflux haben, weil dieser die Diagnosekriterien für GERD (Gastroösophageale Refluxkrankheit) auf einen Atemwegsreflux angewendet hat. In diesem Buch konzentrieren wir uns auf refluxinduzierten und neurogenen Husten, weil dies die Hauptursachen für nicht-pulmonalen chronischen Husten sind.
Alle meine Patienten mit chronischem Husten füllen drei Fragebögen aus – für den Glottisverschluss-Index (GCI), den Refluxsymptom-Index (RSI) und den Chronischer-Husten-Index (kurz CCI für Chronic Cough Index). Das sollten auch Sie tun. Gehen Sie bitte die folgenden drei Fragebögen durch.
Diese Indizes liefern einen Hinweis auf eine Verdachtsdiagnose. In den nachfolgenden Kapiteln finden Sie weitere Informationen, um dem Dauerhusten auf den Grund zu gehen.
Bitte markieren Sie immer eine Antwort und lassen Sie keine Frage aus. Auch wenn Sie unsicher sind, entscheiden Sie sich bitte für die eher in Frage kommende Option.
Betrachtet man diese drei Indizes – GCI, RSI, CCI – in Kombination, so ergibt sich ein Muster. Prüfen Sie zuerst Ihre Antworten für den GCI. Bei einem GCI-Ergebnis von 8 oder mehr haben Sie vermutlich Probleme mit der Stimme. Wann funktioniert Ihre Stimme besser, wann ist es schlimmer? Heiserkeit am Morgen ist typisch für Menschen mit nächtlichem Reflux. Stimmermüdung und Heiserkeit, die sich im Laufe des Tages verstärken, passen eher zu einer Stimmlippenparese (Schwäche) und zur postviralen Vagusneuropathie (PVVN). Im Fall von PVVN liegt bei Husten zumeist eine neurogene Komponente vor. (Das wichtige Thema PVVN wird im nächsten Kapitel behandelt.)
Danach hinterfragen Sie bitte Ihren RSI. Inzwischen kennen Sie die Symptome von stillem Atemwegsreflux. Liegt dieser bei Ihnen vor? Selbst ohne Sodbrennen oder Oberbauchbeschwerden kann Ihr Husten refluxinduziert sein. Bei einem RSI-Ergebnis von 15 oder mehr haben Sie mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit einen Reflux.67
Zum Schluss schauen Sie bitte auf Ihren CCI, indem Sie beide Spalten separat addieren und so das Verhältnis von Refluxsymptomatik (R) zu neurogener Symptomatik (N) ermitteln. Beide Zahlen müssen stets 10 zusammen ergeben.
Bei einem R:N-Verhältnis von 10:0 (oder auch 9:1 oder 8:2) ist Ihr Husten höchstwahrscheinlich primär refluxbedingt. Umgekehrt ist Ihr Husten bei einem R:N-Verhältnis von 0:10 (oder auch 1:9 oder 2:8) höchstwahrscheinlich primär neurogen. Alle anderen Ergebnisse deuten auf eine Mischform zwischen refluxinduziertem und neurogenem Husten hin.
In den folgenden Kapiteln werden Sie sehen, dass „neurogen“ nicht mit „psychogen“ (auf psychischen Ursachen beruhend) gleichzusetzen ist. Neurogen bedeutet, „auf einem Nerv beruhend oder mit Bezug zu einem Nerv“. Bei neurogenem Husten ist der Vagusnerv aus dem Takt geraten.
Bei einem R:N-Verhältnis zwischen 7:3 und 3:7 (also 7:3, 6:4, 5:5, 4:6, 3:7) liegen wahrscheinlich refluxinduzierter und neurogener Husten vor. So verblüffend es auch erscheinen mag: Der CCI liefert fast immer die korrekte Diagnose.
Nach dieser Verdachtsabklärung geht es im folgenden Kapitel über die postvirale Vagusneuropathie (PVVN) darum, wie und warum neurogener und refluxinduzierter Husten nach einer Infektion der oberen Atemwege einsetzen.
Um chronischen Husten zu verstehen, muss man zunächst einmal verstehen, wie ein angegriffener Vagusnerv den Aerodigestivtrakt beeinflusst.
Ein Hauptunterschied zwischen refluxinduziertem Husten und neurogenem Husten besteht darin, dass neurogener Husten fast immer trocken ist, wohingegen bei Reflux vielfach eine chronische Bronchitis und damit ein feuchter Husten vorliegen. Bei Atemwegsreflux gerät der Reflux also tatsächlich bis in die Lunge.
Reflux kann Lungenprobleme wie chronische Bronchitis, Pneumonie (wegen COPD) und idiopathische Lungenfibrose hervorrufen. Schließlich gelangt Refluat, das bis in Rachen und Atemwege aufsteigt, insbesondere im Schlaf auch in die Lunge.
An dieser Stelle möchte ich wiederholen: Wenn Ihre Lunge bisher nicht geröntgt und noch kein TB-Hauttest gemacht wurde, sollten Sie dies dringend nachholen.
Auffällig ist, dass viele ältere Menschen in Pflegeheimen an einer „ambulant erworbenen Lungenentzündung“ versterben. Ambulant erworben bedeutet, dass der Stellenwert der einzelnen Erreger unklar ist, da viele Patienten nicht umfassend mikrobiologisch untersucht werden und oft kein spezifischer Erreger ermittelt wird. Meine Einschätzung hierzu: Wenn ein älterer Mensch abends noch eine kleine Mahlzeit bekommt, seien es ein Schokoladenpudding und ein Schluck Ginger Ale, dann landet genau das um zwei Uhr früh in der Lunge und führt zu einer Schokopudding-Ginger-Ale-Pneumonie.
Falls Sie rauchen, könnten die erwähnten Indizes weniger genau sein, weil Rauchen auch ohne weitere Faktoren oft chronische Bronchitis und Husten verursacht. Bei Rauchern beruht chronischer Husten also zumeist auf einem primär pulmonalen Grund. In diesem Buch geht es jedoch um nicht-pulmonalen chronischen Husten.
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