"Du sollst nicht töten". Ursula Corbin

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und zu sortieren, arbeiten sie zwischen 60 und 70 Stunden pro Woche. Sie müssen vorsichtig sein, nichts zu verlesen, was eine Nachricht von einem Gefangenen an einen anderen Gefangenen sein könnte. Als einmal ein Gefangener von Huntsville wollte, dass man seinen Brief am Radio vorlese, der für seinen Sohn gedacht war, der im Todestrakt in Livingston einsaß, durften sie dies nicht tun, denn das Gesetz verbietet die Kommunikation von Gefangenen mit anderen Gefangenen.

      KDOL macht auch eine eigene Sendung für diejenigen, die sterben müssen. Sie beginnt jeweils am Abend der Hinrichtung um 19:00 Uhr und macht es so möglich, dass Familien und Freunde jenes Mannes noch Worte der Unterstützung an ihn durchgeben können. Während der ganzen Sendung werden dann die von ihnen gewünschten Songs gespielt. Diese Sendung begann im Mai 2005 mit der Hinrichtung von Richard Cartwright und wurde danach vor jeder neuen Hinrichtung ausgestrahlt. Meistens kommen an diesen Abenden die Familienmitglieder und Freunde ins Studio und geben dort ihre Nachrichten persönlich durch!

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      Radio KDOL war wirklich etwas Besonderes. An gewissen Wochentagen und zu bestimmten Zeiten durften Angehörige oder Freunde eines Gefangenen anrufen und Nachrichten für ihn hinterlassen sowie ein Musikstück für ihn auswählen. Anschließend wurde der Name des Gefangenen aufgerufen, die Nachricht verlesen und die Musik für ihn gespielt.

      Natürlich missfiel das den Gefängnisbehörden, denn nun gab es eine Möglichkeit für Angehörige und Freunde, mit den Insassen persönliche Nachrichten auszutauschen, ohne dass sie die Kontrolle darüber hatten.

      Unzählige Male habe ich aus der Schweiz angerufen und Nachrichten für Pablo, Steven, Andy und andere übermittelt und Musikstücke für sie spielen lassen. Ich schaute auch jedes Mal kurz auf der Redaktion vorbei, wenn ich wieder Besuche in Livingston machte. So konnte ich meine Nachrichten persönlich am Mikrofon durchgeben.

      Leider war es aber so, dass die Radiomacher immer weniger Spenden von Angehörigen und Freunden der Gefangenen erhielten, um die Miete des Hauses und die Unkosten zu bezahlen und den MacherInnen einen bescheidenen Lebensunterhalt zu ermöglichen. Zu alledem machten aber auch noch die Behörden der Stadt Livingston ihnen das Leben schwer, die alles daransetzten, die Genehmigung zu entziehen.

      Als ich 2006 wieder in Livingston war und in der Station vorbeisehen wollte, um Nachrichten durchzugeben, war die Station geschlossen, und im Haus wohnten andere Leute. Niemand konnte mir je genau sagen, was geschehen war. Die Wolfs waren weggezogen, ohne eine Adresse zu hinterlassen.

      Vorbei die Zeit, in der die Angehörigen, die meistens weit weg wohnten und keine Möglichkeit für einen persönlichen Besuch hatten, ihre Nachrichten per Radio durchgeben konnten. Noch Jahre später sprachen die Gefangenen von der guten Zeit mit Radio KDOL. Doch leider hat bisher niemand mehr eine ähnliche Initiative gestartet.

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       2.Pablo

      Eine fatale Entscheidung

      Inhaftierung: Mai 1992

      Haftanstalt: bis 1999 Ellis One, ab dann

      Polunsky Unit, Livingston, Texas, USA

      Er war der liebenswürdigste und sanfteste Gefangene, den ich je gekannt habe. Über 20 Jahre habe ich ihm geschrieben und nach Hunderten von Briefen und den vielen Besuchen bei ihm bestand zwischen uns eine wahre und tiefe Freundschaft. Für mich war es schwer zu verstehen, warum dieser freundliche Mann im Todestrakt gelandet war und dort nun seit so vielen Jahren auf seine Hinrichtung wartete.

      Aber – auch er war schuldig und bezahlte für eine Tat, die niemals hätte geschehen dürfen! Dass er seine Tat zutiefst bereute und alles gegeben hätte, die Zeit zurückzudrehen und alles ungeschehen zu machen, das spielte keine Rolle mehr. Nur hoffte er darauf, dass sein Anwalt es eventuell doch noch schaffen würde, die Todesstrafe, die gegen ihn verhängt worden war, in eine lebenslängliche Strafe umzuwandeln.

      Pablo durchlief zunächst ein für Amerika typisches Migrantenschicksal. Seine Eltern waren sehr arm und lebten im Norden von Mexiko. Von Nachbarn erfuhren sie, man suche in den USA ständig Arbeitskräfte für die Landwirtschaft und man könne dort etwas verdienen. So machte sich die Familie mit ihren drei Kindern Isabel, Eliana und Pablito auf den Weg. Die Reise war Ende der 1960er-Jahre überhaupt nicht schwierig, denn die Grenze wurde noch kaum überwacht. Im Süden der USA warteten riesige Farmen auf die dringend benötigten und hoch willkommenen Arbeitskräfte für die Ernten, denn es war nahezu unmöglich, Amerikaner für diese harte und schlecht bezahlte Arbeit zu finden. Die Familie erreichte Texas und konnte für den Anfang bei Verwandten unterkommen. Sehr schnell fanden sie Arbeit auf einer der gigantischen Baumwollplantagen. Man stellte keine Fragen nach Aufenthaltsgenehmigungen oder sonstigen Papieren, und natürlich bezahlte man diesen Menschen nicht einmal das gesetzliche Minimum eines Stundenlohns. Die Farmer wussten genau, dass sich die Arbeiter wegen ihres illegalen Status nicht wehren konnten.

      Die Mexikaner arbeiteten hart und waren froh, etwas zu verdienen. Alle mussten mit anpacken, auch die Kinder. Da blieb keine Zeit und kaum Möglichkeiten für die Schule – jede Hand wurde gebraucht. Pablo erzählte mir in seinen Briefen oft, dass er schon als kleiner Bub von frühmorgens bis spätabends in der brütenden Sonne arbeiten musste. »Das Schlimmste war aber nicht die brütende Hitze, sondern die Stacheln an den Baumwollkapseln, die wir pflücken mussten. Jeden Abend waren unsere Hände zerstochen und bluteten.« Pablo und seine älteren Geschwister wünschten sich nichts mehr, als eines Tages nicht mehr auf den Feldern arbeiten zu müssen und vielleicht doch einmal in eine Schule gehen zu können.

      Die Familie entschied sich schnell, in Texas zu bleiben. Trotz der harten Arbeit ging es ihnen dort besser als in Mexiko, und dank den Löhnen aller Familienmitglieder konnten sie sich eine Unterkunft mieten und hatten genug zu essen. Mit der Zeit fanden sie sogar eine bessere Arbeit auf den Feldern von Gemüseanbauern.

      Obwohl sie sich illegal im Land aufhielten, durften die Eltern die Kinder für die Schule anmelden – damit sie wenigstens eine rudimentäre Bildung erhielten. Pablo war schon fast ein Teenager, als er Lesen und Schreiben lernte, und er war ein sehr guter Schüler! Eine Highschool durfte er dann aber nicht mehr besuchen, dies ist in den USA keine Pflicht, und so endete Pablos Schulzeit schon nach wenigen Jahren. Er war jetzt ein kräftiger junger Mann, und seine Eltern erwarteten, dass er einen Job finden und zum gemeinsamen Haushalt beitragen würde.

      Ständig auf der Suche nach Arbeit, packte er mal hier, mal dort an – überall, wo es gerade etwas zu verdienen gab. Ein Tagelöhner und Gelegenheitsarbeiter, das war eigentlich nicht das Leben, das sich Pablo erträumt hatte. Er war clever und fleißig, ohne weitere Bildung würde er nie aus dieser Umgebung rauskommen, das war ihm durchaus bewusst. Doch von seinem kleinen, unregelmäßigen Einkommen blieb nichts übrig für weitere Schulen, und zu Hause erwartete man von ihm finanzielle Unterstützung.

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      Pablo liebte die Fiestas, die Frauen und immer mehr auch den Alkohol. Er war beliebt, hatte viele Freunde und ging gerne und oft in die Bars von San Antonio. An diesen Abenden wurde viel getanzt, gefeiert und getrunken. Häufig kam der damals knapp 17-Jährige nachts betrunken nach Hause, was zu heftigen Streitereien mit den Eltern führte. So jung wie er war, hatte er doch schon etliche Frauengeschichten hinter sich, und sein Leben wurde mangels Perspektiven immer unsteter. Bis zu dem Tag, als er Wendy an einem Fest kennenlernte. Hals über Kopf verliebte er sich in die weiße Amerikanerin, dies war die Frau, mit der er eine Familie

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