PLATON - Gesammelte Werke. Platon

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PLATON - Gesammelte Werke - Platon

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sie nachzuahmen.

      Nichts ist demnach wahrscheinlicher, als daß wir an dieser Rede von der wirklichen Verteidigung des Sokrates eine so treue Nachschrift aus der Erinnerung haben, als bei dem geübten Gedächtnis des Platon und dem notwendigen Unterschiede der geschriebenen Rede von der nachlässig gesprochenen nur möglich war. Allein es könnte vielleicht Jemand sagen: Wenn nun Platon, vorausgesetzt daß er diese Schrift verfaßt, doch dabei nichts mehr gewesen ist als Aufzeichner: weshalb soll man darauf bestehn, oder woher kann man auch nur wissen, daß gerade er es gewesen ist, und kein anderer von den anwesenden Freunden des Sokrates? Dieser darf, wenn er anders die Sprache des Platon kennt, nur darauf verwiesen werden, wie bestimmt dieser »Verteidigung« anzusehen ist, daß sie nur aus dem Griffel des Platon kann geflossen sein. Denn Sokrates spricht hier ganz so, wie ihn Platon sprechen läßt, und wie wir nach allem was uns übrig ist nicht sagen können, daß irgend ein anderer unter seinen Schülern ihn sprechen lasse. Und so wenig läßt diese Gleichheit sich bezweifeln, daß vielmehr darauf eine nicht unbedeutende Bemerkung kann gegründet werden. Nämlich, ob nicht gewisse Eigentümlichkeiten des Platonischen Dialogs, besonders die in einen Satz eingeschobenen erdichteten Fragen und Antworten, und die gehäuften einzelen unter einem andern gemeinschaftlich begriffenen, und oft für diese untergeordnete Stelle viel zu weit ausgeführten Sätze, nebst dem daraus fast unvermeidlich entstehenden Abbrechen von dem angefangenen Bau der Rede, ob nicht diese da wir sie hier so sehr vorherrschend finden eigentlich auf den Sokrates zurückzuführen sind. Sie finden sich beim Platon da am meisten, wo er vorzüglich sokratisiert; am häufigsten aber, und von den sie begleitenden Vernachlässigungen am wenigsten gereinigt sind sie hier und in dem folgenden wahrscheinlich gleichartigen Gespräch. Woraus zusammengenommen die Vermutung sehr einleuchtet, daß diese Sprachweisen ursprünglich dem Sokrates nachgebildet sind, und also mit zu den mimischen Künsten des Platon gehören, der in einem gewissen Grade auch die Sprache derer, welche er einführt nachzubilden suchte, wenn sie anders Eigentümlichkeiten hatte, die ihn dazu berechtigten. Und wer diese Bemerkung an den verschiedenen Werken des Platon zumal nach der hier aufgestellten Ordnung prüft, der wird sie auch dadurch sehr bestätiget finden. Daß aber andere Sokratiker eine solche Nachbildung nicht versucht haben, rührt wohl daher, weil in der Tat von der einen Seite nicht wenig Kunst dazu gehörte, diese Eigenheiten eines nachlässigen mündlichen Vortrages unter die Gesetze der geschriebenen Sprache einigermaßen zu beugen und mit der geregelten Schönheit des Ausdrucks zu verschmelzen, von der andern aber mehr Mut sich einigem Tadel kunstrichtender Buchstabier auszusetzen, als etwa Xenophon besitzen mochte. Doch dies weiter auszuführen gehört nicht hieher.

      Ein Umstand aber ist noch zu berühren, welcher gegen die Abstammung dieser Schrift vom Platon könnte angeführt werden, und zwar mit mehr Schein als irgend einer; nämlich daß sie von dem dialogischen Gewande entkleidet ist, in welchem sonst Platon alle seine Werke vorführt, und welches selbst dem »Menexenos« nicht fehlt, der sonst eben so nur aus einer Rede besteht. Warum also soll nur die »Verteidigung«, welche diesen Schmuck so leicht angenommen hätte, unter allen Werken des Platon sie allein, desselben entbehren? So überredend nun dieses klingt: so ist doch das Gewicht aller andern Gründe zu stark, als daß es nicht hinreichen sollte dieses Bedenken aufzuwiegen, daher wir auf die Einwendung folgendes erwidern. Einmal vielleicht war die dialogische Einkleidung dem Platon damals noch gar nicht so zur Notwendigkeit geworden als späterhin, welches für diejenigen gesagt sei, welche geneigt sind einen großen Wert auf die Einkleidung des »Menexenos« zu legen; oder Platon selbst sonderte zu sehr diese »Verteidigung« von seinen übrigen Schriften ab, als daß es ihm eingefallen wäre, sie demselben Gesetz unterwerfen zu wollen. Dann wäre es auch überhaupt des Platon sehr unwürdig, wenn jemand die dialogische Einkleidung auch bei den Werken, in deren Hauptmasse sie eben nicht tief eindringt, nur für eine willkürlich umgehängte Zierde halten wollte; vielmehr hat sie immer ihre Bedeutung und trägt bei zu des ganzen Gestaltung und Wirkung. Wenn nun dieses hier nicht der Fall gewesen wäre: warum hätte Platon sie gewaltsam herbeiführen sollen? Zumal er höchst wahrscheinlich die Bekanntwerdung dieser Rede möglichst beschleunigen wollte, und es vielleicht nicht für ratsam hielt, sich damals ein öffentliches Urteil über den Ausgang der Sache zu erlauben, welches, wenn er die Rede in ein Gespräch eingewickelt hätte, nicht leicht gewesen wäre zu vermeiden, oder dies wäre ganz leer und unbedeutend geworden.

      Von der Athenischen Gerichtspflege in ähnlichen Fällen ist wohl, was zum Verständnis dieser Schrift an vielen Orten bei gebracht worden, als allgemein bekannt vorauszusetzen; auch erklärt das meiste die Rede selbst.

      DES SOKRATES VERTEIDIGUNG

      (17) Was wohl Euch, ihr Athener, meine Ankläger angetan haben, weiß ich nicht: ich meines Teils aber hätte ja selbst beinahe über sie meiner selbst vergessen; so überredend haben sie gesprochen. Wiewohl Wahres, daß ich das Wort heraussage, haben sie gar nichts gesagt. Am meisten aber habe ich Eins von ihnen bewundert unter dem Vielen, was sie gelogen, dieses wo sie sagten, Ihr müßtet euch wohl hüten, daß ihr nicht von mir getäuscht würdet, als der ich gar gewaltig wäre im Reden. Denn daß sie sich nicht schämen, sogleich von mir widerlegt zu werden durch die Tat, wenn ich mich nun auch im geringsten nicht gewaltig zeige im Reden, dieses dünkte mich ihr unverschämtestes zu sein; wofern diese nicht etwa den gewaltig im Reden nennen, der die Wahrheit redet. Denn wenn sie dies meinen, möchte ich mich wohl dazu bekennen, ein Redner zu sein, der sich nicht mit ihnen vergleicht. Diese nämlich, wie ich behaupte, haben gar nichts Wahres geredet; Ihr aber sollt von mir die ganze Wahrheit hören. Jedoch, ihr Athener, beim Zeus, Reden aus zierlich erlesenen Worten gefällig zusammengeschmückt und aufgeputzt, wie dieser ihre waren, keinesweges, sondern ganz schlicht werdet ihr mich reden hören in ungewählten Worten. Denn ich glaube, was ich sage ist gerecht, und Niemand unter euch erwarte noch sonst etwas. Auch würde es sich ja schlecht ziemen, ihr Männer, in solchem Alter gleich einem Knaben der Reden ausarbeitet vor euch hinzutreten. Indes bitte ich euch darum auch noch recht sehr, ihr Athener, und bedinge es mir aus, wenn ihr mich hört mit ähnlichen Reden meine Verteidigung führen, wie ich gewohnt bin auch auf dem Markt zu reden bei den Wechslertischen, wo die Mehresten unter euch mich gehört haben, und anderwärts, daß ihr euch nicht verwundert noch mir Getümmel erregt deshalb. Denn so verhält sich die Sache. Jetzt zum erstenmal trete ich vor Gericht, da ich über Siebzig Jahr alt bin; ganz ordentlich also bin ich ein Fremdling in der hier üblichen Art zu reden. So wie ihr nun, wenn ich wirklich ein Fremder wäre, mir es nachsehen würdet, daß ich in jener Mundart und Weise redete, (18) worin ich erzogen worden: eben so erbitte ich mir auch nun dieses billige, wie mich dünkt, von Euch, daß ihr nämlich die Art zu reden übersehet, vielleicht ist sie schlechter vielleicht auch wohl gar besser, und nur dies erwäget und Acht darauf habet, ob das recht ist oder nicht was ich sage. Denn dies ist des Richters Tüchtigkeit, des Redners aber die Wahrheit zu reden.

      Zuerst nun, ihr Athener, muß ich mich wohl verteidigen gegen das, dessen ich zuerst fälschlich angeklagt bin und gegen meine ersten Ankläger, und hernach gegen der späteren späteres. Denn viele Ankläger habe ich längst bei euch gehabt und schon vor vielen Jahren, und die nichts wahres sagten, welche ich mehr fürchte als den Anytos, obgleich auch der furchtbar ist. Allein jene sind furchtbarer, ihr Männer, welche viele von euch schon als Kinder an sich gelockt und überredet, mich aber beschuldiget haben ohne Grund, als gäbe es einen Sokrates, einen weisen Mann, der den Dingen am Himmel nachgrüble und auch das unterirdische alles erforscht habe, und unrecht zu recht mache. Diese, ihr Athener, welche solche Gerüchte verbreitet haben, sind meine furchtbaren Ankläger. Denn die Hörer meinen gar leicht, wer solche Dinge untersuche, glaube auch nicht einmal Götter. Ferner sind auch dieser Ankläger viele, und viele Zeit hindurch haben sie mich verklagt, und in dem Alter zu euch geredet wo ihr wohl sehr leicht glauben mußtet, weil ihr Kinder wart, einige von euch wohl auch Knaben, und offenbar an leerer Stätte klagten sie, wo sich keiner verteidigte. Das übelste aber ist, daß man nicht einmal ihre Namen wissen und angeben kann, außer etwa wenn ein Komödienschreiber darunter ist. Die übrigen aber, welche euch gehässig und verläumderisch aufgeredet, und auch die selbst nur überredet Andre Überredenden, in Absicht dieser aller bin ich ganz ratlos. Denn weder hieher zur Stelle bringen noch ausfragen kann ich irgend einen von ihnen: sondern muß ordentlich wie mit Schatten kämpfen

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