PLATON - Gesammelte Werke. Platon

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sie sich der einen weil von Anderen beherrscht, und wiewohl man das Zügellosigkeit nennt, (69) von Lüsten beherrscht werden, begegnet ihnen doch, daß sie von Lüsten beherrscht andere Lüste beherrschen, und dies ist doch dem ganz ähnlich, was eben gesagt wurde, auf gewisse Weise aus Zügellosigkeit besonnen geworden zu sein. – Das leuchtet ein. – O bester Simmias, daß uns also nur nicht dies gar nicht der rechte Tausch ist um Tugend zu erhalten, Lust gegen Lust, und Unlust gegen Unlust, und Furcht gegen Furcht austauschen, und größeres gegen kleineres wie Münze; sondern jenes die einzige rechte Münze gegen die man alles dieses vertauschen muß, die Vernünftigkeit, und nur alles was mit dieser und für diese verkauft ist und eingekauft in Wahrheit allein Tapferkeit ist und Besonnenheit und Gerechtigkeit, und überhaupt wahre Tugend nun mit Vernünftigkeit ist, mag nun Lust und Furcht und alles übrige der Art dabei sein oder nicht dabei sein; werden aber diese abgesondert von der Vernünftigkeit gegen einander umgetauscht, eine solche Tugend dann immer nur ein Schattenbild ist und in der Tat knechtisch, nichts gesundes und wahres an sich habend, das wahre aber gerade Reinigung von dergleichen allem ist, und Besonnenheit und Gerechtigkeit und Tapferkeit und die Vernünftigkeit selbst Reinigungen sind. Und so mögen auch diejenigen, welche uns die Weihen angeordnet haben, gar nicht schlechte Leute sein, sondern schon seit langer Zeit uns andeuten, wenn einer ungeweiht und ungeheiligt in der Unterwelt anlangt, daß der in den Schlamm zu liegen kommt, der gereinigte aber und geweihte, wenn er dort angelangt ist, bei den Göttern wohnt. Denn, sagen die welche mit den Weihen zu tun haben, Thyrsusträger sind viele, doch ächte Begeisterte wenig. Diese aber sind, nach meiner Meinung, keine anderen, als die sich auf rechte Weise der Weisheit beflissen haben, deren einer auch ich nach Vermögen im Leben nicht versäumt, sondern mich auf alle Weise bemüht habe zu werden. Ob ich mich aber auf die rechte Weise bemüht und etwas vor mich gebracht, das werden wir dort angekommen, sicher erfahren, wenn Gott will binnen kurzem, wie mich dünkt. Dieses nun, sprach er, o Simmias und Kebes, ist meine Verteidigung darüber, daß euch zu verlassen und die hiesigen Gebieter mir mit Recht nicht schwer fällt noch mich verdrießt, weil ich dafür halte, auch dort nicht minder vortreffliche Gebieter und Freunde anzutreffen als hier; den Meisten aber ist dies unglaublich. Bin ich also für euch überzeugender gewesen in meiner Verteidigung, als für die Athenischen Richter, so ist es gut.

      Als Sokrates dieses geredet, fiel Kebes ein und sprach, o Sokrates, das andere dünkt mich alles gar schön gesagt, nur (70) das von wegen der Seele findet großen Unglauben bei den Menschen, ob sie nicht, wenn sie vom Leibe getrennt ist, nirgend mehr ist, sondern an jenem Tage umkommt und untergeht, an welchem der Mensch stirbt, und sobald sie von dem Leibe sich trennt und ausfährt wie ein Hauch oder Rauch, auch zerstoben ist und verflogen, und nirgend nichts mehr ist. Denn wäre sie noch wo für sich bestehend und zusammenhaltend, wenn erlöst von diesen Übeln, die du eben beschrieben hast: so wäre ja große und schöne Hoffnung, o Sokrates, daß alles wahr sei was du sagst. Aber dies bedarf vielleicht nicht geringer Überredungsgründe und Beweise, daß die Seele noch ist nach dem Tode des Menschen und noch irgend Kraft und Einsicht hat. – Du sprichst ganz wahr, sagte Sokrates, o Kebes; aber was sollen wir machen? Sollen wir eben das mit einander durchsprechen, ob es wahrscheinlich ist, daß es sich so verhalte oder ob nicht? – Ich mindestens, sagte Kebes, möchte gern hören, was für eine Meinung du hierüber hast. – Wenigstens glaube ich nicht, sprach Sokrates, daß irgend einer der es hört, und wäre es auch ein Komödienschreiber, sagen dürfte, daß ich leeres Geschwätz treibe und Reden führe über ungehörige Dinge. Dünkt es euch nun und sollen wir die Sache in Erwägung ziehn: so laßt uns so betrachten, ob die Seelen nachdem die Menschen gestorben in der Unterwelt sind, oder ob nicht. Eine alte Rede gibt es nun freilich, die deren wir erwähnt haben, daß wie sie von hier dorthin gekommen sind, sie auch wieder hieher zurückkehren und wieder geboren werden aus den Toten. Und wenn sich dies so verhält, daß die Lebenden wieder geboren werden aus den Gestorbenen: so sind ja wohl unsere Seelen dort? denn sie könnten nicht wieder geboren werden, wenn sie nicht wären. Und ein hinreichender Beweis wäre dies daß es so ist, wenn wirklich offenbar würde, daß die Lebenden nirgend anders herkämen als von den Toten. Wenn dies aber nicht so ist, dann bedürften wir eines andern Grundes. – Gewiß, sagte Kebes. – Betrachte es nur nicht allein an Menschen, fuhr jener fort, wenn du es eher inne werden willst, sondern auch an den Tieren insgesamt und den Pflanzen, und überhaupt an allem was eine Entstehung hat laß uns zusehn, ob etwa alles so entsteht, nirgend anders her, als jedes aus seinem Gegenteil, was nur ein solches hat, wie doch das schöne von dem häßlichen das Gegenteil ist, und das gerechte von dem ungerechten, und eben so tausend anderes sich verhält. Dieses also laß uns sehen, ob nicht notwendig, was nur ein entgegengesetztes hat, nirgend anders her selbst entsteht, als aus diesem ihm entgegengesetzten. So wie wenn etwas größer wird, muß es doch notwendig aus irgend vorher kleiner gewesenem hernach größer werden? – Ja. – Nicht auch wenn es kleiner wird, (71) wird es aus vorher größerem hernach kleiner? – So ist es, sagte er. – Und eben so aus stärkerem das schwächere, und aus langsamerem das schnellere? – Gewiß. – Und wie? wenn etwas schlechter wird, nicht aus besserem? und wenn gerechter, nicht aus ungerechterem? – Wie sonst? – Dies also, sprach er, haben wir sicher genug, daß alle Dinge so entstehen, das entgegengesetzte aus dem entgegengesetzten. – Freilich. – Und wie? gibt es nicht auch so etwas dabei, wie zwischen jeglichem entgegengesetzten, was doch immer zwei sind, auch ein zwiefaches Werden von dem einen zu dem andern, und von diesem wieder zu jenem zurück? wie zwischen dem größeren und kleineren ist Wachstum und Abnahme, und so nennen wir auch das eine wachsen, das andere abnehmen. – Ja, sagte er. – Nicht auch aussondern und vermischen, abkühlen und erwärmen, und so alles, wenn wir auch bisweilen die Worte dazu nicht haben, muß sich doch der Sache nach überall so verhalten, daß eines aus dem andern entsteht, und daß es ein Werden von jedem zu dem andern gibt? – Gewiß. – Wie nun, fuhr er fort, ist dem Leben auch etwas entgegengesetzt, wie dem Wachen das Schlafen? – Gewiß, sagte er. – Und was? – Das Totsein, sagte er. – Also entstehen diese auch aus einander, wenn sie entgegengesetzt sind, und es gibt zwischen ihnen zweien ein zwiefaches Werden. – Wie sollte es nicht? – Die Verknüpfungen nun des einen Paars von den ebengenannten Dingen will ich dir aufzeigen, sprach Sokrates, und das dazu gehörige Werden, du aber mir die andern. Ich sage nämlich, das eine sei Schlafen und das andere Wachen, und aus dem Schlafen werde das Wachen, und aus dem Wachen das Schlafen, und dies Werden beider sei das Einschlafen und das Aufwachen; habe ich es dir hinlänglich erklärt oder nicht? – Vollkommen. – Sage du mir also nun eben so von Leben und Tod. Sagst du nicht, dem Leben sei das Totsein entgegengesetzt? – Das sage ich. – Und daß beides aus einander entstehe? – Ja. – Aus dem Lebenden also, was entsteht? – Das Tote, sprach er. – Und was aus dem Toten? – Notwendig, sprach er, muß man eingestehn, das Lebende. – Aus dem Gestorbenen also, o Kebes, entsteht das Lebende und die Lebenden? – So zeigt es sich, sprach er. – Also sind, sprach er, unsere Seelen in der Unterwelt. – So scheint es. – Und nicht wahr, auch von dem Werden, was hiezu gehört, ist das eine deutlich genug? Denn sterben ist doch deutlich genug, oder nicht? – Freilich, sagte er. – Was wollen wir aber nun machen? sprach er. Wollen wir nicht auch das entgegengesetzte Werden hinzunehmen, sondern soll die Natur von dieser Seite lahm sein? oder müssen wir nicht notwendig auch ein dem Sterben entgegengesetztes Werden annehmen? – Auf alle Weise, sagte er. – Und was für eines? – Das Aufleben. – Also, sprach er, wenn es ein Aufleben gibt, so wäre eben dieses das Werden (72) der Lebenden aus den Toten, das Aufleben? – Freilich. – Also auch auf diese Weise kommt es uns heraus, daß die Lebenden aus den Toten entstanden sind, nicht weniger als die Toten aus den Lebenden. Ist dies nun so, so schien es uns ja ein hinreichender Beweis, daß die Seelen der Verstorbenen wo sein müssen, woher sie wieder lebend werden. – Mich dünkt, o Sokrates, dem eingestandenen gemäß müsse es sich so verhalten. – Siehe nun auch, o Kebes, sprach er, daß wir nichts mit Unrecht eingestanden haben, wie mich dünkt. Denn wenn nicht dem auf die eine Art gewordenen immer das auf die andere entspräche, und das Werden wie im Kreise herumginge, sondern es ein grade fortschreitendes Werden gäbe nur aus dem Einen in das gegenüberstehende, ohne daß dies sich wieder wendete und zum andern zurückkäme: so siehst du wohl, daß am Ende alles einerlei Gestalt haben und in einerlei Zustand sich befinden, und aufhören würde zu werden. – Wie meinst du das? fragte er. – Es ist gar nicht schwer, sagte er, zu begreifen was ich meine; sondern wie wenn das Einschlafen zwar wäre, ein Aufwachen aber entspreche ihm nicht das aus dem Schlafenden

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