sichtbaren. – Wie aber die Seele, ist die unsichtbar oder sichtbar? – Menschen wenigstens ist sie es nicht, o Sokrates, sagte er. – Aber wir sprachen doch von dem sichtbaren und unsichtbaren für die Natur der Menschen, oder meinst du für irgend eine andere? – Für die menschliche. – Was sagen wir also von der Seele, daß sie sichtbar sei oder nicht sichtbar? – Nicht sichtbar. – Also unsichtbar. – Ja. – Ähnlicher also als der Leib ist die Seele dem unsichtbaren, er aber dem sichtbaren. – Ganz notwendig, o Sokrates. – Und nicht wahr, auch das haben wir schon lange gesagt, daß die Seele, wenn sie sich des Leibes bedient um etwas zu betrachten, es sei durch das Gesicht oder das Gehör oder irgend einen andern Sinn – denn das heißt vermittelst des Leibes, wenn man vermittelst eines Sinnes etwas betrachtet – dann von dem Leibe gezogen wird zu dem, was sich niemals auf gleiche Weise verhält, und daß sie dann selbst schwankt und irrt und wie trunken taumelt, weil sie ja eben solches berührt. – Das haben wir gesagt. – Wenn sie aber durch sich selbst betrachtet, dann geht sie zu dem reinen immer seienden unsterblichen und sich stets gleichen, und als diesem verwandt hält sie sich stets zu ihm, wenn sie für sich selbst ist und es ihr vergönnt wird, und dann hat sie Ruhe von ihrem Irren, und ist auch in Beziehung auf jenes immer sich selbst gleich, weil sie eben solches berührt, und diesen ihren Zustand nennt man eben die Vernünftigkeit. – Auf alle Weise, o Sokrates, sagte er, ist dies schön und wahr gesagt. – Welcher, von beiden Arten also dünkt dich die Seele nach dem vorherigen und dem jetzt gesagten ähnlicher und verwandter zu sein? – Jeder, sagte er, dünkt mich, o Sokrates, müßte nach dieser Darstellungsweise zugeben, auch der ungelehrigste, daß doch in allem und jedem die Seele dem sich immer gleich bleibenden ähnlicher ist als dem nicht solchen. – Und wie der Leib? – Dem anderen. – Betrachte es auch von dieser Seite, daß so lange Leib und Seele zusammen sind, die Natur ihm (80) gebietet zu dienen und sich beherrschen zu lassen, ihr aber zu herrschen und zu regieren, auch hiernach nun welches von beiden dünkt dich dem göttlichen ähnlich zu sein und welches dem sterblichen? oder dünkt dich nicht das göttliche so geartet zu sein, daß es herrscht und regiert, das sterbliche aber, daß es sich beherrschen läßt und dient? – Das dünkt mich. – Welchem gleicht nun die Seele? – Offenbar, o Sokrates, die Seele dem göttlichen, und der Leib dem sterblichen. – Sieh nun zu, sprach er, o Kebes, ob aus allem gesagten uns dieses hervorgeht, daß dem göttlichen, unsterblichen, vernünftigen, eingestaltigen, unauflöslichen, und immer einerlei und sich selbst gleich sich verhaltenden am ähnlichsten ist die Seele, dem menschlichen und sterblichen und unvernünftigen und vielgestaltigen und auflöslichen und nie einerlei und sich selbst gleich bleibenden diesem wiederum der Leib am ähnlichsten ist? Oder wissen wir hiegegen noch etwas anderes zu sagen, lieber Kebes, daß es sich nicht so verhalte? – Wir wissen nichts dergleichen. – Wie nun, wenn sich dieses so verhält, kommt nicht dem Leibe wohl zu leicht aufgelöst zu werden, der Seele hingegen ganz und gar unauflöslich zu sein oder wenigstens beinahe so? – Wie sollte es nicht? – Und du bemerkst doch, sprach er, daß wenn der Mensch stirbt, auch seinem sichtbaren, dem Leibe, der noch im sichtbaren da liegt, den wir Leichnam nennen, und dem es zukommt aufgelöst zu werden und zu zerfallen und verweht zu werden, nicht gleich etwas hievon widerfährt, sondern er noch eine ganz geraume Zeit so bleibt, und wenn einer bei günstiger Leibesbeschaffenheit stirbt und zu eben solcher Zeit, dann gar lange. Und wenn der Leib zusammengefallen ist und getrocknet, wie sie in Ägypten aufgetrocknet werden, so hält er sich fast undenkliche Zeit. Ja einige Teile des Leibes, wie Knochen, Sehnen und alle dergleichen, sind wenn er auch schon verfault ist so zu sagen doch fast unsterblich. Oder nicht? – Ja. – Und die Seele also, das unsichtbare und sich an einen andern eben solchen Ort begebende, der edel und rein und unsichtbar ist, nämlich in die wahre Geisterwelt zu dem guten und weisen Gott, wohin, wenn Gott will, alsbald auch meine Seele zu gehen hat, diese, die so beschaffen und geartet ist, sollte, wenn sie von dem Leibe getrennt ist, sogleich verwebt und untergegangen sein, wie die meisten Menschen sagen? Daran fehlt wohl viel, ihr lieben Kebes und Simmias! Sondern viel mehr verhält es sich so, wenn sie sich rein losmacht, und nichts von dem Leibe mit sich zieht, weil sie mit gutem Willen nichts mit ihm gemein hatte im Leben, sondern ihn floh und in sich selbst gesammelt blieb und dies immer im Sinn hatte, was nichts anders heißen will, als daß sie recht philosophierte und darauf dachte leicht zu sterben; oder hieß dies nicht auf den (81) Tod bedacht sein? – Allerdings ja. – Also welche sich so verhält, die geht zu dem ihr ähnlichen dem unsichtbaren und zu dem göttlichen, unsterblichen, vernünftigen, wohin gelangt ihr dann zu Teil wird glückselig zu sein, von Irrtum und Unwissenheit, Furcht und wilder Liebe und allen andern menschlichen Übeln befreit, indem sie, wie es bei den Eingeweiheten heißt, wahrhaft die übrige Zeit mit Göttern lebt. Wollen wir so sagen, o Kebes, oder anders? – So, beim Zeus, sprach Kebes. – Wenn sie aber, meine ich, befleckt und unrein von dem Leibe scheidet, weil sie eben immer mit dem Leibe verkehrt und ihn gepflegt und geliebt hat, und von ihm bezaubert gewesen ist und von den Lüsten und Begierden, so daß sie auch glaubte, es sei überall gar nichts anderes wahr als das körperliche, was man betastet und sieht, ißt und trinkt und zur Liebe gebraucht, und weil sie das für die Augen dunkle und unsichtbare, der Vernunft hingegen faßliche und mit Weisheitsliebe zu ergreifende gewohnt gewesen ist zu hassen und zu scheuen und zu fürchten, meinst du, daß eine so beschaffene Seele sich werde rein für sich absondern können? – Wohl nicht im mindesten, sprach er. – Sondern durchzogen von dem körperlichen, womit sie durch den Umgang und Verkehr mit dem Leibe, wegen des ununterbrochenen Zusammenseins und der vielen Sorge um ihn, gleichsam zusammengewachsen ist. – Freilich. – Und dies, o Freund, muß man doch glauben, sei unbeholfen und schwerfällig, irdisch und sichtbar, so daß auch die Seele, die es an sich hat, schwerfällig ist, und wieder zurückgezogen wird in die sichtbare Gegend aus Furcht vor dem unsichtbaren und der Geisterwelt, wie man sagt an den Denkmälern und Gräbern umher schleichend, an denen daher auch allerlei dunkle Erscheinungen von Seelen sind gesehen worden, wie denn solche Seelen wohl Schattenbilder darstellen müssen, welche nicht rein abgelöset sind, sondern noch Teil haben an dem sichtbaren, weshalb sie denn auch gesehn werden. – Das leuchtet wohl ein, o Sokrates. – Und freilich leuchtet auch ein, o Kebes, daß dies nicht die Seelen der Guten sind, sondern der Schlechten, welche um dergleichen gezwungen sind herumzuirren, Strafe leidend für ihre frühere Lebensweise, welche schlecht war. Und so lange irren sie, bis sie durch die Begierde des sie noch begleitenden körperlichen wieder gebunden werden in einen Leib. Und natürlich werden sie in einen von solchen Sitten gebunden, deren sie sich befleißiget hatten im Leben. – Was meinst du für welche, o Sokrates? – Wie, die sich ohne alle Scheu der Völlerei und des Übermuts und Trunkes befleißigten, solche begeben sich wohl natürlich in Esel und ähnliche Arten von Tieren. Oder meinst du nicht? – Das ist ganz wahrscheinlich. – Die aber Ungerechtigkeit, (82) Herrschsucht und Raub vorzogen, diese dagegen in die verschiedenen Geschlechter der Wölfe, Habichte und Geier? oder wohin anders sollen wir sagen daß solche gehen. – Ohne weiteres, sprach Kebes, in dergleichen. – Und gewiß so doch auch mit den übrigen, daß jegliche der Ähnlichkeit mit ihren Bestrebungen nachgeht? – Gewiß, wie sollte sie nicht. – Also, sprach er, sind auch wohl die glücklichsten unter diesen die, und kommen an den besten Ort, welche der gemeinen und bürgerlichen Tugend nachgestrebt haben, die man doch auch Besonnenheit und Gerechtigkeit nennt, die aber nur aus Gewöhnung und Übung entsteht ohne Philosophie und Vernunft? – Wie sind diese die glückseligsten? – Weil doch natürlich ist, daß diese wiederum in eine solche gesellige und zahme Gattung gehen etwa in Bienen oder Wespen oder Ameisen, oder auch wieder in diese menschliche Gattung, und wieder ganz leidliche Männer aus ihnen werden. – Das ist natürlich. – In der Götter Geschlecht aber ist wohl keinem, der nicht philosophiert hat und vollkommen rein abgegangen ist, vergönnt zu gelangen, sondern nur dem lernbegierigen. Eben deshalb nun, o lieber Simmias und Kebes, enthalten sich die wahrhaften Philosophen aller von dem Leibe herrührenden Begierden, und harren aus und geben sich ihnen nicht hin, noch auch nur weil sie Verderb des Hauswesens und Armut fürchten wie die meisten Geldsüchtigen, oder die Ehrlosigkeit und Schmach der Trägheit scheuen wie die Herrschsüchtigen und Ehrsüchtigen, enthalten sie sich ihrer. – Das würde sich auch für sie nicht ziemen, o Sokrates, sprach Kebes. – Freilich nicht, beim Zeus, sagte er. Darum sagen auch allen solchen, o Kebes, jene alle, die irgend für ihre Seele Sorge tragen und nicht für der Leiber Bildung und Bedienung leben, Fahrewohl, und gehen nicht gleichen Schritt mit ihnen, die ja nicht wissen wohin sie gehen. Sie selbst aber, feststellend daß sie nichts tun dürfen was der Philosophie zuwider wäre und