PLATON - Gesammelte Werke. Platon
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Gut denn, sagte Sokrates, mit der Thebischen Harmonia sind wir, wie es scheint, noch so leidlich fertig geworden. Wie werden wir uns nun aber, o Kebes, auch mit dem Kadmos einigen und auf welche Weise? – Das denke ich, sprach Kebes, wirst du schon auffinden. Diese Rede wenigstens gegen die Stimmung hast du ganz wunderbar über meine Erwartung durchgeführt. Denn als Simmias sagte, was für Zweifel er hätte, verwunderte es mich gar sehr, was wohl jemand mit seiner Rede würde anfangen können, und doch konnte sie hernach nicht einmal den ersten Anlauf der deinigen aushalten, wie mir schien. So würde ich mich also auch nicht wundern, wenn dasselbige auch der Rede des Kadmos begegnete. – O Guter, sprach Sokrates, nur nicht großsprechen, damit uns nicht ein Zauber das was gesagt werden soll verrufe und verdrehe. Doch das soll bei Gott stehen, wir aber wollen nun auf gut homerisch näher tretend hieran versuchen, ob du wohl etwas sagst. Was du aber suchst, scheint mir der Hauptsache nach zu sein, du verlangst, es soll gezeigt werden, daß unsere Seele unvergänglich und unsterblich ist, wenn doch ein philosophischer Mann, der im Begriff zu sterben gutes Mutes ist, und der Meinung, daß er nach seinem Tode sich dort vorzüglich wohl befinden werde, mehr als wenn er einer andern Lebensweise folgend gestorben wäre, wenn ein solcher nicht ganz unverständig und töricht sein soll bei seinem guten Mut. Zu zeigen aber, daß die Seele etwas starkes und göttliches ist, und daß sie war ehe wir geboren wurden, dies alles behauptest du könne gar füglich auch keine Unsterblichkeit andeuten, sondern daß die Seele zwar etwas lange beharrendes ist, und wer weiß wie lange Zeit vorher irgendwo gewesen ist, und vielerlei gewußt und getan hat, aber deshalb doch noch nicht unsterblich wäre, sondern eben dieses, daß sie in menschlichen Leib gekommen, könne schon der Anfang ihres Unterganges gewesen sein, gleichsam als eine Krankheit, und so könne sie in Jammer und Not dieses Leben leben, und am Ende desselben in dem was man Tod nennt untergehn. Und ob sie einmal in den Leib kommt oder oft, dies behauptest du könne keinen Unterschied darin machen, daß doch jeder von uns müsse besorgt sein. Denn es gehöre sich gar wohl, daß jeder, wer nicht unverständig sein wolle, sich fürchte, der nicht wisse und keine Rechenschaft davon geben könne, daß sie unsterblich ist. Dies ist es ohngefähr, glaube ich, o Kebes, was du meinst, und absichtlich wiederhole ich es öfter, damit uns nichts davon entgeht, und auch du wenn du willst etwas hinzusetzen und davon tun kannst. – Darauf sagte Kebes, für jetzt habe ich wohl nichts davon zu tun oder hinzuzusetzen; sondern dies ist es was ich sagen will.
Darauf hielt Sokrates einige Zeit inne, als ob er etwas bei sich bedächte, und sagte dann, Es ist keine schlechte Sache, o Kebes, welche du aufregst. Denn wir müssen nun im Allgemeinen vom Entstehen und Vergehen die Ursache behandeln. (96) Ich also will dir, wenn du willst, darlegen, wie es mir damit ergeht. Dünkt dich dann etwas von dem was ich sage brauchbar zu sein zur Überzeugung von dem, wonach du fragst; so brauche es. – Allerdings, sprach Kebes, das will ich. – So höre denn was ich sagen werde. In meiner Jugend nämlich, o Kebes, hatte ich ein wundergroßes Bestreben nach jener Weisheit, welche man die Naturkunde nennt; denn es dünkte mich gar etwas herrliches, die Ursachen von allem zu wissen, wodurch jegliches entsteht und wodurch es vergeht und wodurch es besteht, und hundertmal wendete ich mich bald hier bald dort hin, indem ich bei mir selbst zuerst dergleichen überlegte, ob wenn das Warme und Kalte in Fäulnis gerät, wie einige gesagt haben, dann Tiere sich bilden? und ob es wohl das Blut ist, wodurch wir denken, oder die Luft oder das Feuer? oder wohl keines von diesen, sondern das Gehirn uns alle Wahrnehmungen hervorbringt, des Sehens und Hörens und Riechens, und aus diesen dann Gedächtnis und Vorstellung entsteht, und aus Erinnerung und Vorstellung, wenn sie zur Ruhe kommen, dann auf dieselbe Weise Erkenntnis entsteht? Und wenn ich wiederum das Vergehen von alle diesem betrachtete, und die Veränderungen am Himmel und auf der Erde, so kam ich mir am Ende zu dieser ganzen Untersuchung so untauglich vor, daß gar nichts darüber geht. Und davon will ich dir hinreichenden Beweis geben. Nämlich was ich vorher auch ganz genau wußte, wie es mir und den Andern vorkam, darüber erblindete ich nun bei dieser Untersuchung so gewaltig, daß ich auch das verlernte, was ich vorher zu wissen glaubte von vielen andern Dingen, und so auch davon, wodurch der Mensch wächst. Denn dies, glaubte ich vorher, wisse jeder, daß es vom Essen und Trinken herkäme. Denn wenn aus den Speisen zum Fleische Fleisch hinzukommt und zu den Knochen Knochen, und eben so nach demselben Verhältnis auch zu allem übrigen das Verwandte sich hinzufindet, dann würde natürlich die Masse, die vorher wenig gewesen war, hernach viel, und so der kleine Mensch groß. So glaubte ich damals; dünkt dich nicht das ganz leidlich? – Ei wohl, sagte Kebes. – Bedenke auch noch dies. Ich glaubte genug daran zu haben, wenn ein Mensch neben einem andern kleinen stehend groß schien, daß er um einen Kopf größer wäre, und so auch ein Pferd neben dem andern, und was noch deutlicher ist als dieses, Zehn schien mir mehr als Achte zu sein, weil noch zwei dabei sind, und das zweifüßige größer als das einfüßige,