Gesundheit - Begriff, Phänomen, Konstrukt. Группа авторов

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Gesundheit - Begriff, Phänomen, Konstrukt - Группа авторов Theologisch-praktische Quartalschrift

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      Erst aus dieser komplexen Sicht des Menschen kann eine ganzheitliche Perspektive von Krankheit und Gesundheit entwickelt werden. Denn rein innerweltlich ist gar nichts ganzheitlich, weil die Welt endlich ist. Eine den Menschen in seiner Ganzheit erfassende Sicht muss die naturwissenschaftlichen Ergebnisse ernst nehmen, kann die möglichen psychischen Hintergründe einer Krankheit im Sinne der Psychologie hinterfragen und sie schließlich in das Gesamtkonzept des Menschen in seiner Geiststruktur integrieren.

      4 Zusammenschau von Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie

      Was bedeutet das bisher Angedeutete für Fragen nach Gesundheit und für konkrete Krankheitsgeschehnisse? Man kann von hier aus Krankheiten dreidimensional interpretieren. Der erste Zugang ist naturwissenschaftlicher Art. Nehmen wir noch einmal Krebserkrankungen, die alle einen genetischen Hintergrund haben. Nur wenige sind vererbt (z. B. Brustkrebs bei Frauen und bestimmte Formen von Darmkrebs), die anderen im Laufe des Lebens erworben. Diese naturwissenschaftlichen Erkenntnisse sind universalisierbar und gelten weltweit.

      Diese verallgemeinerbaren Zugänge können ergänzt werden durch die zweite Ebene der individuellen Komponenten. Wie gesagt, Gene müssen durch epigenetische Einflüsse aktiviert oder inaktiviert werden. Diese Einflüsse können mannigfaltig sein: Ernährung, Rauchen, mangelnde Bewegung, aber auch innerer Stress (Disstress), Zerrissenheiten, dauerhafte Konflikte. Hier kommt zunächst die Psychologie ins Spiel. Diese psychologische Ebene ist interindividuell vergleichbar. Wenn z. B. von hundert Frauen achtzig in einer vergleichbar schwierigen Lebenssituation leben, kann man schließen, dass es hier gewisse Korrelationen zwischen der Lebenssituation und dem Ausbruch einer Erkrankung gibt.

      Auf der dritten Ebene der Interpretation kommt der/die Einzelne ins Spiel, der mit anderen nicht vergleichbar ist. Dies hat auch die Medizin bereits erkannt. Wie erwähnt spricht man von individueller und personalisierter Medizin. Als individuelle Medizin sollte man jenen naturwissenschaftlichen Zugang bezeichnen, der das je einmalige Genom des Menschen betrachtet. Die personalisierte Medizin betrachtet den/die Einzelne:n in seiner Umgebung, in der Familie, in der Arbeitswelt, aber auch mit seiner/ihrer ganz individuellen Innenwelt. Hier geht es um die psychische Ebene des Menschen, aber auch um seine geistig-spirituelle Dimension.

      Der Mensch kann in seinem Innenleben und damit auch leiblich erfahren, in welche Richtung er unterwegs ist. Er wird innerlich bewegt und bewegt sich äußerlich in eine bestimmte Richtung. Im Zentrum christlicher Spiritualität steht der Satz des Vater Unser: „Dein Wille geschehe.“ Das klingt nach Fremdbestimmung. Den Willen eines anderen Menschen zu tun, ist Fremdbestimmung. Bei Gott ist es umgekehrt: Den Willen Gottes zu erfüllen, führt zum innersten Kern des Menschen. Der Mensch, der diesen Willen sucht und erfüllt, kann schrittweise von falschen innerweltlichen Abhängigkeiten frei werden hin zum Finden der eigenen Berufung, Identität, inneren Stimmigkeit, Einmaligkeit.

      Der Mensch, der in diesem dynamischen Prozess fortschreitet, findet je neu seinen inneren Frieden und tiefe Freude. Ignatius nennt diesen inneren Seelenzustand „Trost“: „Ich rede von Trost, wenn in der Seele eine innere Bewegung [Hervorhebung M. B.] sich verursacht, bei welcher die Seele in Liebe zu ihrem Schöpfer und Herrn zu entbrennen beginnt […] und endlich nenne ich Trost jede Zunahme von Hoffnung, Glaube, Liebe, und jede innere Freudigkeit, die ihn zu den himmlischen Dingen ruft und zieht und zum eigenen Heil seiner Seele, indem sie ihn besänftigt und befriedet in seinem Schöpfer und Herrn“ (EB 316). Das Herausfallen aus dieser inneren Einheit nennt er „Trostlosigkeit“: „Ich nenne Trostlosigkeit alles, was zur dritten Regel in Gegensatz steht, als da ist: Verfinsterung der Seele, Verwirrung in ihr, Hinneigung zu den niedrigen und erdhaften Dingen, Unruhe verschiedener Getriebenheiten und Anfechtungen, die zum Mangel an Glauben, an Hoffnung, an Liebe bewegen, wobei sich die Seele ganz träg, lau, traurig findet und wie getrennt von ihrem Schöpfer und Herrn“ (EB 317).

      Nimmt man diese Aussagen von Frieden und innerer Freude auf der einen Seite und von Zerrissenheit, Getriebensein, Unruhe auf der anderen Seite mit den Aussagen der Psychoneuroimmunologie über innere Zerrissenheiten, Konflikte, Disstress zusammen, kann man durchaus schließen, dass auch diese existenziell-spirituelle Dimension des Menschen Auswirkungen auf Genetik, Epigenetik und das Immunsystem haben und somit auf Krankheit und Gesundheit. Bei einer solchen Interpretation geht es nicht um Schuld, sondern um Erkenntnis, Reflexion, Bedeutung oder Sinn einer Erkrankung.

      Allerdings gibt es hier keine hundertprozentige Relation. Es kann

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