Revolution und Konterrevolution in Deutschland . Friedrich Engels

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Revolution und Konterrevolution in Deutschland  - Friedrich Engels

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der Staatsgeschäfte zu fördern, und der Furcht, durch ungelegene Opposition den Zorn einer Regierung zu erregen, von der seine Existenz völlig abhängt, da sie die Macht hat, ihm die besten Kunden zu entziehen; die Geringfügigkeit eines Besitzes, dessen Unsicherheit im umgekehrten Verhältnis steht zur Größe – all dies macht das Kleinbürgertum äußerst wankelmütig in seinen Anschauungen. Demütig und kriecherisch unterwürfig unter einer starken feudalen oder monarchischen Regierung, wendet es sich dem Liberalismus zu, wenn die Bourgeoisie im Aufstieg ist; sobald die Bourgeoisie ihre eigene Herrschaft gesichert hat, wird es von heftigen demokratischen Anwandlungen befallen, versinkt aber jämmerlich in Furcht und Zagen, sobald die Klasse unter ihm, das Proletariat, eine selbständige Bewegung wagt. Wir werden im weiteren sehen, wie das deutsche Kleinbürgertum abwechselnd aus dem einen dieser Stadien ins andere übergeht.

      Die Arbeiterklasse Deutschlands ist in ihrer gesellschaftlichen und politischen Entwicklung ebenso weit hinter der Englands und Frankreichs zurück wie die deutsche Bourgeoisie hinter der Bourgeoisie jener Länder. Wie der Herr, so der Knecht. Die Entwicklung der Existenzbedingungen für ein zahlreiches, starkes, konzentriertes und intelligentes Proletariat geht Hand in Hand mit der Entwicklung der Existenzbedingungen für eine zahlreiche, wohlhabende, konzentrierte und mächtige Bourgeoisie. Die Arbeiterbewegung selbst ist niemals unabhängig, sie trägt niemals ausschließlich proletarischen Charakter, solange nicht alle die verschiedenen Teile der Bourgeoisie, namentlich ihr fortschrittlichster Teil, die großen Fabrikherren, die politische Macht erobert und den Staat ihren Bedürfnissen entsprechen umgestaltet haben. Dann ist der Augenblick gekommen, wo der unvermeidliche Konflikt zwischen Fabrikherren und Lohnarbeitern in drohende Nähe rückt und nicht länger hinausgeschoben werden kann, der Augenblick, wo sich die Arbeiterklasse nicht länger mit trügerischen Hoffnungen und niemals erfüllbaren Versprechungen abspeisen läßt, wo endlich das große Problem des neunzehnten Jahrhunderts, die Aufhebung des Proletariats, mit voller Klarheit und in seinem wahren Lichte in den Vordergrund rückt. Nun wurde aber in Deutschland die große Masse der Arbeiterklasse nicht von jenen Industrien beschäftigt, von denen Großbritannien so prachtvolle Exemplare aufweist, sondern von kleinen Handwerksmeistern, deren ganze Arbeitsweise lediglich ein Überbleibsel aus dem Mittelalter ist. Und wie zwischen einem großen Baumwoll-Lord und einem kleinen Flickschuster oder Schneidermeister ein himmelweiter Unterschied besteht, genau so weit voraus sind die aufgeweckten Fabrikarbeiter eines modernen Babylon der Industrie den schüchternen Schneider- und Schreinergesellen eines kleinen Landstädtchens, dessen Lebensverhältnisse und Arbeitsmethoden sich von denen ihrer Zunftgenossen vor fünfhundert Jahren nur wenig unterscheiden. Die natürlichen Begleiterscheinungen des allgemeinen Fehlens moderner Lebensverhältnisse und moderner industrieller Produktionsweisen war ein fast ebenso allgemeines Fehlen moderner Ideen, und daher ist es nicht verwunderlich, wenn ein großer Teil der arbeitenden Klassen bei Ausbruch der Revolution den Ruf nach sofortiger Wiederherstellung der Zünfte und der mittelalterlichen privilegierten Handwerksinnungen erhob. Zwar bildete sich unter dem Einfluß der Industriebezirke, wo das moderne Produktionssystem vorherrschte, und infolge der Möglichkeiten gegenseitigen Verkehrs und geistiger Entwicklung, die das Wanderleben zahlreicher Arbeiter mit sich brachte, ein starker Kern von Elementen, deren Ideen über die Emanzipation ihrer Klasse bedeutend klarer waren und mit der praktischen Wirklichkeit und der historischen Notwendigkeit weit besser in Einklang standen, aber sie bildeten nur eine kleine Minderheit. Wenn die aktive Bewegung der Bourgeoisie von 1840 datiert werden kann, so nimmt die der Arbeiterklasse ihren Anfang mit den Erhebungen der schlesischen und böhmischen Fabrikarbeiter im Jahre 1844, und wir werden bald Gelegenheit haben, einen Überblick zu gewinnen über die verschiedenen Stadien, die diese Bewegung durchlief.

      Schließlich gab es noch eine große Klasse der kleinen Landwirte, die Bauernschaft, die mit ihrem Anhang von Landarbeitern die große Mehrheit des ganzen Volkes darstellt. Aber diese Klasse zerfiel wieder in verschiedene Schichten. Da waren, erstens, die wohlhabenderen Landwirte, die in Deutschland als Groß- oder Mittelbauern bezeichnet werden, die Eigentümer mehr oder weniger umfangreicher Wirtschaften sind und von denen jeder über die Dienste mehrerer Landarbeiter verfügt. Für diese Klasse, die zwischen den steuerfreien feudalen Grundherren einerseits, den Kleinbauern und Landarbeitern andererseits stand, war aus leicht begreiflichen Gründen ein Bündnis mit der antifeudalen städtischen Bourgeoisie die natürlichste Politik, dann gab es, zweitens die freien Kleinbauern, die im Rheinland vorherrschten, wo der Feudalismus den wuchtigen Schlägen der großen französischen Revolution erlegen war. Ähnliche unabhängige Kleinbauern gab es auch da und dort in anderen Provinzen, wo es ihnen gelungen war, die feudalen Lasten, die ehedem auf ihren Grundstücken ruhten, mit Geld abzulösen. Diese Klasse war jedoch nur dem Namen nach eine Klasse von freien Bauern, da ihre Wirtschaft gewöhnlich in so hohem Grade und unter so drückenden Bedingungen mit Hypotheken belastet war, daß nicht der Bauer, sondern der Wucherer, der das Geld vorgestreckt, der wirkliche Eigentümer des Landes war. Drittens, die feudalen Hintersassen, die nicht leicht von ihrem Stück Land vertrieben werden konnten, die aber eine ewige Pacht zu entrichten oder auf ewig eine gewisse Menge Arbeit für den Grundherrn zu leisten hatten. Endlich die Landarbeiter, deren Lage auf vielen großen Gütern genau die gleiche war wie die derselben Klasse in England und die ausnahmslos als arme, unterernährte Sklaven ihrer Herrn lebten und starben. Die drei letztgenannten Klassen der Landbevölkerung, die freien Kleinbauern, die feudalen Hintersassen und die Landarbeiter, hatten sich vor der Revolution über Politik nie viel Kopfzerbrechen gemacht; aber es ist ohne weiteres klar, daß dieses Ereignis ihnen einen neuen Weg voll der glänzendsten Aussichten eröffnen mußte. Ihnen allen bot die Revolution Vorteile, und war die Bewegung erst einmal ordentlich im Gange, so stand zu erwarten, daß sich ihr der Reihe nach alle anschließen würden. Gleichzeitig ist aber ebenso klar und durch die Geschichte aller modernen Länder gleichermaßen bestätigt, daß die Landbevölkerung niemals selbständig eine erfolgreiche Bewegung zustande bringen kann; denn sie ist über ein zu großes Gebiet verstreut, und hält es schwer, unter einem erheblicheren Teil eine Verständigung zu erzielen; den Anstoß muß ihr die Initiative der aufgeweckteren und beweglicheren Bevölkerung geben, die in den Städten konzentriert ist.

      Die vorstehende gedrängte Skizze der wichtigsten Klassen, aus denen sich bei Ausbruch der jüngsten Bewegung die deutsche Nation zusammensetzte, wird bereits genügen, um den Mangel an äußerem Zusammenhang und innerer Übereinstimmung sowie die offensichtlichen Widersprüche, die dieser Bewegung das Gepräge gaben, zu einem großen Teil zu erklären. Wenn so verschiedenartige, so gegensätzliche, so merkwürdig sich durchkreuzende Interessen heftig aufeinanderprallen; wenn diese sich gegenseitig bekämpfenden Interessen in jedem Bezirk, in jeder Provinz verschieden gemischt sind, wenn es vor allem kein großes Zentrum im Land gibt, kein London, kein Paris, dessen Entscheidung so viel Gewicht hat, daß nicht der gleiche Zwist in jeder Gegend immer wieder von neuem durchgefochten zu werden braucht: was kann man dann anders erwarten, als daß der Kampf sich in eine Menge unzusammenhängender Einzelkämpfe auflöst, in denen ungeheuer viel Blut, Energie und Kapital aufgewendet wird und die trotz alledem ohne ein entscheidendes Ergebnis bleiben?

      Die politische Zerstückelung Deutschlands in drei Dutzend mehr oder weniger bedeutende Fürstentümer erklärt sich gleichfalls aus der Vielfalt und Verworrenheit der Elemente, aus denen sich die Nation zusammensetzt und die wiederum in jeder Gegend verschieden sind. Wo es keine Gemeinsamkeit der Interessen gibt, da kann es auch keine Gemeinsamkeit der Ziele, geschweige des Handelns geben. Der Deutsche Bund ist allerdings auf ewige Zeit für unauflösbar erklärt worden; und doch haben der Bund und sein Organ, der Bundestag, niemals die deutsche Einheit repräsentiert. Das Höchstmaß von Zentralisation, zu dem man es in Deutschland je gebracht hat, war die Gründung des Zollvereins; dadurch sahen sich auch die Staaten an der Nordsee gezwungen, eine eigene Zollvereinigung zu bilden, während Österreich sich auch weiterhin hinter seiner besonderen Zollmauer verschanzte. Deutschland konnte zufrieden sein, daß es für alle praktischen Zwecke nur mehr in drei selbständige Mächte zerfiel, statt wie vorher in sechsunddreißig. An der aus dem Jahr 1814 stammenden unumschränkte Oberhoheit des russischen Zaren änderte sich dadurch natürlich nichts.

      Nachdem wir einleitend diese Schlußfolgerungen aus unsern Prämissen gezogen, werden wir zunächst untersuchen, wie die erwähnten verschiedenen Klassen des deutschen Volkes eine nach der andren

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