Thomas More und seine Utopie. Karl Kautsky

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Thomas More und seine Utopie - Karl Kautsky страница 4

Thomas More und seine Utopie - Karl Kautsky

Скачать книгу

in der Stadt versuchten, ihre Verpflichtungen abzuschütteln; die hörigen Handwerker der Umgebung flüchteten sich in die Stadt, wenn sie konnten und Aussicht hatten, von ihr geschützt zu werden. Das Handwerkertum nahm an Zahl und Macht zu; aber es blieb zum großen Teile ausgeschlossen von der Markgenossenschaft und damit vom Stadtregiment; dieses blieb den Nachkommen der ursprünglichen Markgenossen vorbehalten, die aus bäuerlichen Kommunisten zu hochfahrenden Patriziern wurden. Ein Klassenkampf zwischen den Zünften und Geschlechtern entspann sich, der in der Regel mit dem völligen Siege der ersteren endete. Gleichzeitig damit ging ein Kampf um die Selbständigkeit der Stadt von grund- oder landesherrlicher Oberhoheit vor sich, der auch oft zu ihrer Unabhängigkeit führte.

      In diesen Kämpfen gegen die grundbesitzende Aristokratie empfand das Handwerkertum eine gewisse Sympathie mit den Bauern, die nach einer Milderung ihrer feudalen Lasten strebten. Nicht selten gingen beide Klassen Hand in Hand. Ein demokratischer, republikanischer Zug entwickelte sich durch diese Kämpfe im Kleinbürgertum, aber die frühere Exklusivität der Markgenossenschaft wurde dadurch nicht völlig überwunden, sie wurde nur auf einem etwas erweiterten Terrain zur Geltung gebracht, dem der Zunft und der Gemeinde.

      Allerdings sprengte die handwerksmäßige Warenproduktion die Abgeschlossenheit der städtischen Markgenossenschaft; die Handwerker arbeiteten nicht bloß für die Stadt, sondern auch für das umliegende Gebiet, oft in weitem Umfang; nicht so sehr für die Bauern, die fortfuhren, fast alles, was sie brauchten, selbst zu fabrizieren, als für deren Aussauger, die Feudalherren, die ihre hörigen Handwerker verloren hatten. Andererseits bezogen die Handwerker ihre Lebensmittel und Rohstoffe vom Lande. Die wirtschaftliche Wechselwirkung, aber auch der Gegensatz zwischen Stadt und Land begann. Neben die Markgenossenschaft trat als zweite wirtschaftliche Einheit immer mehr die Stadt mit einem größeren oder kleineren Landgebiet. Die Abschließung der einzelnen Städte voneinander blieb aber bestehen trotz ihrer dauernden oder zeitweisen Verbindung zu gemeinsamen Zwecken. Der staatliche Zusammenhang wurde dadurch nicht gefördert, er wurde eher zerrissen, da die reichen und trotzigen Städterepubliken eine Unabhängigkeit erlangten, wie sie den Markgenossenschaften ganz unmöglich gewesen war. Sie bildeten neben den großen Feudalherren einen neuen Grund der staatlichen Zerrissenheit.

      Die Macht der Landesherren war durch die Hilfe der Städte gegen den Adel gehoben worden. Schließlich aber drohte ihr das Schicksal, gerade von ihren bisherigen Bundesgenossen völlig vernichtet zu werden. Diese Tendenz ist jedoch nur in geringem Maße zum wirklichen Ausdruck gekommen; denn innerhalb einzelner Städte entwickelte sich eine neue Macht, die dieselben zu Bollwerken eines strammen staatlichen Absolutismus machen sollte, die revolutionäre Macht des Kaufmannskapitals, die der Welthandel erstehen ließ.

      3. Der Welthandel und der Absolutismus.

      Wie wir bereits wissen, hatte der Handel zwischen Italien und dem germanischen Norden auch nach dem Sturze der Römerherrschaft nie ganz aufgehört. Er hatte die Städte begründet. Aber er war zu schwach, solange er vorwiegend Kleinhandel war, ihnen einen eigentümlichen Charakter zu verleihen. Anfangs war es immer noch die Landwirtschaft im Rahmen der Markgenossenschaft, später das zünftige Handwerk, das in ihnen überwog und ihren Charakter bestimmte.

      In vielen Städten war letzteres noch bis in unser Jahrhundert der Fall, bei einigen ist es noch heute. Aber eine Reihe von Städten haben sich zu Großstädten entwickelt und sind damit die Bahnbrecher einer neuen sozialen Ordnung geworden. Es sind das Städte, die durch eine besondere Gunst historischer und geographischer Umstände zu Zentralpunkten des überseeischen Handels, des Welthandels wurden.

      Der überseeische Handel mit dem Orient, besonders mit Konstantinopel und Ägypten, entwickelte sich im mittelalterlichen Europa zuerst in Unteritalien, in Amalfi, wo Griechen und Sarazenen mit den Eingeborenen in anfänglich feindliche, dann interessierte Berührung gerieten. Wie tief auch der Orient gesunken war, an Kunstfertigkeit, an technischem Wissen war er dem Abendland doch unendlich überlegen. Nicht nur die uralten Produktionszweige hatten sich dort erhalten, neue waren neben ihnen aufgekommen, so die Produktion und Verarbeitung der Seide im griechischen Reiche, überdies hatte die Völkerwanderung des Islam die hochstehenden Kulturländer des fernsten Ostens, Indien und China, in viel engere Verbindung mit Ägypten und den Küstenländern des Mittelmeers überhaupt gebracht, als zur Zeit der Römerherrschaft der Fall gewesen war.

      Es waren demnach große, ja in den Augen der Barbaren Europas feenhafte, unermeßliche Schätze, welche die Kaufleute von Amalfi ihnen brachten. Die Gier, solche zu besitzen, zu erwerben, erfaßte bald alle herrschenden Klassen in Europa. Sie hat mächtig beigetragen zu jenen Plünderungs- und Eroberungszügen nach dem Morgenland, die unter dem Namen der Kreuzzüge bekannt sind; sie hat aber auch in allen geographisch günstig gelegenen Städten das Streben erweckt, teilzunehmen an dem so gewinnreichen Handel. Zunächst in Norditalien.

      Mit der Zeit entstand das Bestreben, die Industrieprodukte, die man einführte, nachzuahmen, namentlich die Gewebe. Schon im zwölften Jahrhundert finden wir Seidenwebereien in Palermo, betrieben von griechischen Kriegsgefangenen. Im vierzehnten Jahrhundert wurden solche Webereien in den norditalienischen Städten errichtet.

      Wo die Nachahmung des Produktes gelang, fanden es die Kaufleute bald profitabler, den Rohstoff einzuführen und daheim von gemieteten Arbeitern verarbeiten zu lassen – vorausgesetzt, daß sie freie Arbeiter fanden, Arbeiter, die weder Zunftzwang noch Frondienste an der Arbeit für sie hinderten und die keine Produktionsmittel besaßen, um ihre Freiheit für sich selbst auszunützen und für sich selbst zu arbeiten, sondern die gezwungen waren, ihre Arbeitskraft zu verkaufen.

      So entstanden mehrfach die Anfänge von Manufakturen und damit die Grundlagen der kapitalistischen Produktionsweise.

      Zur Zeit Mores, im Beginn des sechzehnten Jahrhunderts, sind diese Anfänge jedoch nur geringfügig. Die Industrie liegt noch vornehmlich in den Händen des zünftigen Handwerks. Das Kapital erscheint noch wesentlich in der Form des Kaufmannskapitals. Aber auch in dieser Form übte es bereits eine zersetzende Wirkung auf die feudale Produktionsweise aus. Je mehr der Warenaustausch sich entwickelte, eine desto größere Macht wurde das Geld. Geld war die Ware, die jeder nahm und jeder brauchte, für die man alles erhalten konnte: alles, was die feudale Produktionsweise bot, persönliche Dienste, Haus und Hof, Speise und Trank, aber auch eine Unzahl von Gegenständen, die daheim in der Familie nicht produziert werden konnten, Gegenstände, deren Besitz immer mehr zu einem Bedürfnis wurde und die nicht anders zu erlangen waren, als um Geld. Die Geld erwerbenden, Waren produzierenden oder mit Waren handelnden Klassen gelangten immer mehr zu Bedeutung. Und der Zunftmeister, der durch die gesetzlich beschränkte Anzahl seiner Gesellen nur zu mäßigem Wohlstand gelangen konnte, wurde bald überholt durch den Kaufmann, dessen Profitwut maßlos, dessen Kapital unbegrenzter Ausdehnung fähig und, was für ihn nicht das unangenehmste, dessen Handelsgewinne enorm waren.

      Das Kaufmannskapital ist die revolutionäre ökonomische Macht des vierzehnten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts. Mit ihm gelangt neues Leben in die Gesellschaft und neue Anschauungsweisen erwachen.

      Im Mittelalter finden wir bornierten Partikularismus, Kleinstädterei einerseits und andererseits einen Kosmopolitismus, der den Bereich der ganzen abendländischen Christenheit umfaßte. Das Gefühl der Nationalität war dagegen sehr schwach.

      Der Kaufmann kann sich nicht auf einen kleinen Bezirk beschränken, wie der Bauer oder der Handwerker, die ganze Welt muß ihm womöglich offen stehen; immer weiter strebt er, immer weitere Märkte sucht er zu erschließen. Im Gegensatz zum Zunftbürger, der oft sein ganzes Leben lang nicht das Weichbild seiner Stadt überschritt, sehen wir den Kaufmann rastlos nach unbekannten Gegenden drängen. Er überschreitet die Grenzen Europas und inauguriert ein Zeitalter der Entdeckungen, das in der Auffindung des Seewegs nach Indien und der Entdeckung Amerikas gipfelt, das aber, strenge genommen, heute noch fortdauert. Auch heute noch ist der Kaufmann und nicht der wissenschaftliche Forscher die Triebkraft der meisten Entdeckungsreisen. Der Venetianer Marco Polo gelangte

Скачать книгу